âchalmAWB m. a-St. (ahhalm: Gl. 3, 482, 6 in 3
Hss.: 12. Jh.), âchelmoAWB m. n-St. (Gl. 3, 516, 51:
10. Jh.) und ahhelmo (Gl. 3, 476, 3: 13. Jh.)
‚Frostbeule, malannus‘. Mhd. sonst nicht ver-
zeichnet; nhd. unbekannt.
Ahd. Wb. I, 68; Starck-Wells 18; Graff I, 132; VII, 3.
Da das ahd. Wort in den Glossen zweimal als Über-
setzung der lat. Krankheitsbezeichnung malannus er-
scheint und zwar stets im Zusammenhang mit Pflan-
zennamen — an der dritten Stelle (Gl. 3, 516, 51) mag
talo nach Steinmeyer Korruptel sein für malo (sc.
malanno) —, so schloß J. Grimm, daß auch die gegen
die Krankheit gebrauchte Pflanze den Namen malan-
nus führte und daß demgemäß die ahd. Glosse
gleichfalls als Pflanzenbezeichnung aufzufassen sei.
Deshalb steht sowohl bei Graff wie bei Diefenbach
unter ahhalm (malannus) jeweils ‚planta‘ bzw. ‚herba‘
zu lesen; ähnlich Höfler, Dt. Krankheitsnamenbuch
248 s. v. Jahr, übles. Aber Steinmeyer meinte in Anm.
zu 3, 476, 3, aus dem sachlichen Zusammenhang er-
gebe sich kein zwingender Grund zu diesem Schluß.
Vielmehr wird lat. malannus, das im Mittelalter sehr
verschiedene Krankheiten bezeichnen konnte (→
albe), in den Glossen anderwärts als ubel blatera ver-
deutscht (3, 489, 40 = ‚carbunculus‘, vgl. 3, 486, 41
und 496, 19; → blâtara, blâtra) und in dem bekannten
ahd. Zauberspruch Contra malum malannum (11. Jh.)
beschworen, — die Krankheit heißt dort ahd. suam
‚Schwamm‘ (fungus), wenn W. Wackernagels Konjek-
tur richtig ist. An diesen Stellen handelt es sich wohl
um eine Hautentzündung, um schwärende Aus-
wüchse oder Furunkel.
J. Grimm, Dt. Myth.³ (1854), 1113; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 344; E. Björkman, Zfdt. Wortf. 3 (1902),
263; M. Höfler, „Das Malum Malannum.“ Janus 12
(1909), 512—26; Müllenhoff-Scherer, Denkm.³ I, 18;
II, 53 f.; Steinmeyer, Spr.denkm. 383 f.
Ahd. âchalm und seine Varianten haben ihre
nächsten und einzigen sprachlichen Verwand-
ten im Altengl., und zwar begegnet ae. ǣcelma
einmal in einem ags. Zauberspruch: wiþ æcel-
man ‚gegen Frostbeulen‘ („für den Fall, daß ei-
nem Menschen die Haut vom Fuß abgeht vor
Kälte“). Das andere Mal steht ae. ēcilma lat. pa-
lagra (für pellagra?) im mercischen Corpus-
Glossar Z. 1500 und davon abgeleitet das Adj.
ēcilmehti lat. palagdrigus (für pellagridus?) Z.
1523 (auch ǣcelmehte, Bosworth-Toller, Suppl.
9). In den anderen germ. Dialekten findet sich
davon keine Spur, weder in alter noch in neue-
rer Zeit.
O. Cockayne, ed. Leechdoms, Wortcunning and Star-
craft of Early England II (London, 1865), 70 f. 367;
H. Sweet, ed. The Oldest English Texts (EETS 83, Ox-
ford, 1885), 85; Bosworth-Toller, AS Dict. 8; Suppl.
9; H. Sweet, Student’s AS Dict. 2b und 3b (verweist auf
ācalan); Holthausen, Ae. et. Wb. 46; F. Kluge, PBB
35 (1909), 568.
Auch außergerm. Parallelen sind für die ahd.
und ae. Wortbildung nicht zu finden; kein
Wunder, hat es an abwegigen Deutungen nicht
gefehlt (vgl. L. Laistner, Alemannia 10 [1882],
67 anläßlich der Erklärung des Bergnamens
Achalm (= ‚Beule‘!) in Württemberg; M. Höf-
ler, Janus 12 [1909], 523 f.). Und doch liegt die
sprachliche Analyse klar auf der Hand. Das an-
lautende ahd. â-, ae. ǣ- bzw. mercisch ē- füh-
ren auf das urgerm. Präfix *ǣ- (< idg. *ē-)
zurück — hier vielleicht im Sinne von ‚widrig,
böse‘ (→ â-).
Der Hauptteil des Wortes stellt dann eine -ma-
bzw. -man- Ableitung dar von der germ. Basis
*kal-, idg. *gol- (**golH-) im Ablautsverhält-
nis zu *gel- (**gelH-), (vgl. auch germ. *ka-
lan- ‚kalt sein, frieren‘, s. u. und → kalt), also
urg. *ǣ-kal-ma(n) — etwa ‚widriges Frieren, bö-
ser Frost‘ (vgl. lit. gélmenis, gelumà für älteres
*gelmuo ‚heftige Kälte‘ mit anderer Ablaut-
stufe, s. Walde-Pokorny I, 622; Feist, Vgl. Wb.
d. got. Spr. 306; Kluge, PBB 35 [1909], 568;
Seebold, Germ. st. Verben 289; dagegen Les-
kien, Nom.bildung im Lit. 417 zu gélti ‚steche‘
und Fraenkel, Lit. et. Wb. I, 145 f.). Daraus
mußte sich lautgesetzlich ae. ǣcel-, mercisch
ēcilma ergeben (Campbell, OE Gr. § 128: urg.
ǣ > ǣ, ē; § 369: unbet. a > e, i).
Im Ahd. dagegen wurde in der festen Verbin-
dung mit unfreiem Präfix das intervokalische
-k- zu spirantischem [χ(χ)], geschrieben hh
oder ch, genauso wie intervok. -t- in der festen
Verbindung germ. *þrītu- zu spirantischem
-zz- oder -z- in ahd. drîz(z)ug verschoben
wurde; vgl. auch Schreibungen wie ahd.
achambi, achuuemon, achuuemiling, achust u. a.
(→ âkambi, âquemo, âquemiling, âkust). Die Ab-
schwächung des unbetonten -a- der Mittelsilbe
in ahhelmo ist durchaus lautgerecht für das
13. Jh., allerdings nicht für die Form achelmo
des 10. Jhs. Und doch wird man schwerlich nur
deswegen eine umlautende Nebenform auf
*-mjan, wie sie wohl in ahd. scelmo (<
*skalmjo) vorliegt, bemühen wollen (vgl. Kluge,
Nom. Stammbildung³ § 154 Anm. 4; Schweiz. Id.
VIII, 703).
Das Schwanken des ahd. Wortes zwischen a-
und n-St. überrascht nicht bei einer Bildung,
mit der auch sonst bald stark, bald schwach
flektierenden -m-Ableitung (s. Brugmann,
Grdr.² II, 1, 248; Kluge, Nom. Stammbildung³
§ 88. 152 ff.; Wilmanns, Dt. Gr. II § 230 ff.;
vgl. got. malma ‚Sand‘ — aisl. malmr). Viele die-
ser Wortformen sind Maskulina mit -a- (<
idg. *-o-) in der Ablautstufe der Stammsilbe,
wie in ahd. galm, halm, qualm, walm u. a., wäh-
rend die zugehörigen Verbalstämme des öfte-
ren schon in Abgang gekommen sind. So ist
auch germ. *kalan- nur ae. und anord. (und
noch in nisl. kala sowie nnorw. dial. kala, part.
kalen ‚verfroren‘) zu belegen, es sei denn, alem.
(schweiz.) challen ‚erstarren, erkalten, gerinnen‘
ließe sich als ein letztes westgerm. Überbleibsel
erweisen (Schweiz. Id. I, 192; Fick III [Germ.]⁴
40; ders., BB 8 [1884], 330; Falk-Torp, Norw.-
dän. et. Wb. 488).