âl
Volume I, Column 133
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âlAWB m. a-St. Aal, anguilla (Anguilla vulgaris
L.), nur in Gl. mit den Formen: al, aal, auch
a(h)el, alh, aul (Gl. 4, 33, 53; 15. Jh. mit schwäb.
Diphthongierung von â-), sowie mit aus dem Pl.
verallgemeinertem Umlaut æl, eli, ele, ell, dazu
ele nom. pl. Auch im Mhd. begegnet das
Wort im Pl. mit Umlaut in Analogie zu den
i-St.: ǣle. Nhd. Aal, pl. Aale (mdartl. schweiz.
schwäb. Äle, Schweiz. Id. I, 167; Fischer,
Schwäb. Wb. I, 122).

Ahd. Wb. I, 176 f.; Starck-Wells 19; Graff I, 224;
Schade 9; Lexer I, 33; Benecke I, 21; Dt. Wb. I, 5.
Michels, Mhd. El.buch34 § 207.

Ahd. âl hat Entsprechungen in sämtlichen
germ. Dialekten; nur Wulfila hatte keinen An-
laß, in seiner Bibelübersetzung das Wort zu ge-
brauchen: as. āl (Wadstein, Kl. as. Spr.denkm.
87, 12), mndd. āl; mndl. ael, nndl. aal; nfries.
ēl; ae. ǣl (auch ēl), me. ēl(e), auch yele, ne. eel;
aisl. nisl. áll, nnorw. ndän. aal, aschwed. āl,
nschwed. ål. Sie führen alle auf eine urg.
Grundform *ǣlaz zurück.

Fick III (Germ.)⁴ 26 (ēla², zu Ahle?); Holthausen, As.
Wb. 2; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 50;
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 49; Verdam, Mndl.
handwb. 7; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 1; Vries, Ndls.
et. wb. 1; Th. Siebs, Gesch. d. engl.-fries. Spr. 203;
Holthausen, Ae. et. Wb. 10; Bosworth-Toller, AS
Dict. 13; Suppl. 14; ME Dict. EF, 56; OED III, 2, 46;
Vries, Anord. et. Wb.² 6; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 28 f.
39; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 3; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 3. 1428; Torp, Nynorsk et. ordb.
11; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1418.

Es ist jedoch, wie bei anderen Fischbezeichnun-
gen ( lahs, muniwa), wahrscheinlich, daß ahd.
âl kein idg. Erbwort ist, sondern eine dem
Germ. eigene Neubildung. Denn gr. ἔγχελυς,
lat. anguilla Aal sowie die balt.-slav. Entspre-
chungen, lit. ungurs, russ. ugor’, gehen auf eine
idg. Grundform *ang(h)- (+ Suffixerweite-
rung) zurück, die mit Schwundstufe des Vokals
sich in ahd. unc anguis, basiliscus widerspiegelt
(s. d.). Man halte fest: der für ahd. âl erforder-
liche Ausfall des Velars setzte germ. *-χ- (<
idg. *-k-) voraus, und die Annahme eines Na-
sals in der idg. Wurzel ergäbe nach der Synko-
pierung im Aengl. *ōl, nicht ǣl (gegen A. Fick,
Zfvgl. Spr. 20 [1872], 365 u. a.; vgl. auch Köh-
ler, Die ae. Fischnamen 15 ff.).

Walde-Pokorny I, 63 ff.; Pokorny 43 ff.; Boisacq,
Dict. ét. gr.⁴ 213; Frisk, Gr. et. Wb. I, 439 f.; Chan-
traine, Dict. ét. gr. 311; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb.
I, 48; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 33 (anguis); Traut-
mann, Balt-Slav. Wb. 8; Vasmer, Russ. et. Wb. III,
171 f.

So können die verschiedenen Versuche, den germ.
Namen des Aals aus gemeinidg. Sprachmaterial zu er-
klären, nicht überzeugen. Kaum ernst zu nehmen, so-
wohl aus formalen wie bedeutungsmäßigen Gründen,
war E. Schröders Einfall, germ. *ǣlaz auf idg. *ēd-l-
ós (zur Wz. *ed- [fr]essen) zurückzuführen (ZfdA.
42 [1898], 63), eine Rekonstruktion ohne jede außer-
germ. Bestätigung; und da gerade der Aal weitgehend
als Nahrung gemieden wurde und teilweise noch
wird, ging auch Schröders semantischer Ansatz der
(besonders) zum Essen geeignete
daneben; seine Al-
ternative, der Fresser, paßt nicht zur Funktion der
von ihm exemplifizierten Wortbildungen auf *-l-ós.

Aber auch H. Hirts gewagter Versuch, in dem er
noch einmal zurückgreifend auf die bedeutungsver-
wandten Vokabeln des Griech. und Lat. ein uridg.
Komp. *angh-elus rekonstruierte, dessen zweites
Komp.glied er einem dehnstufigen urg. *ēla-z zu-
ordnete, ohne selber ganz davon überzeugt zu sein
(IF 22 [1907/08], 66 ff.), konnte nicht aufkommen
gegen die Deutung der zweiten Worthälften als suffi-
xale Elemente, so schon W. Meyer, Zfvgl.Spr. 28
(1887), 163; K. F. Johansson, ebd. 30 (1890), 425 und
bes. C. C. Uhlenbeck, PBB 35 (1909), 162 f. Ebenso-
wenig hat F. Loewenthals Anknüpfung an das fast
nur aind. bezeugte ālam Laich Glauben gefunden
(WuS 10 [1927], 144).

Ja selbst eine vierte Möglichkeit, Zusammenhang mit
einer germ. Basis *āl- im Sinne von Streifen, Strich,
anord. áll m. Rinne im Fluß, Streifen längs des Rük-
kens von Tieren
, -állótr gestreift (Fritzner, Ordb. o.
d. g. norske sprog I, 34 f.), nndd. aal Streifen im Zeug
(so Persson, Beitr. z. idg. Wortf. I, 224; C. C. Uhlen-
beck, a.a.O.; Walde-Pokorny I, 155) hat an Wahr-
scheinlichkeit eingebüßt, seitdem H. Lüders das ver-
meintlich hierher gehörige aind. āli- Streifen, Linie
aus älterem *āi- hergeleitet hat (Wackernagel-Fest-
schrift 305); an der Zugehörigkeit von gr. ὠλίγγη
Streifen oder Runzel (auf den Augenlidern) waren
schon immer Zweifel laut geworden (Solmsen, Untersuch.
z. gr. Lautl. 261; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. I, 80).

So bleibt noch ein letztes, das auch F. Holthau-
sen nicht rundweg abzulehnen bereit war (An-
glia-Beiblatt 18 [1907], 194): vielleicht hat doch
die auffallend flossenlose Gestalt des Aals, zu-
mal der Jungtiere, den Vergleich mit der Form
einer Ahle, ahd. âla (s. d.) nahegelegt, so daß
die Bezeichnung des Fisches als der ahl-för-
mige
zu deuten wäre; nebenbei, ae. ǣl, nndl.
aal sowie anord. alr (mit anderer Ablautsstufe)
im Sinne des Werkzeugs sind gleichfalls mask.
Schon K. F. Johannson, Zfvgl.Spr. 36 (1900),
373 stellte fest: Von Fischnamen stehen meh-
rere in Beziehung zu Wörtern, die Stecken,
Pflock, Pfahl
bedeuten
und R. Strömberg in
seinen Studien z. Etym. u. Bildung gr. Fischna-
men 3538 führt eine ganze Anzahl derartiger
bedeutungsgeschichtlicher Parallelen auf.