âlaAWB f. ō-St. (?) ‚Ahle, Pfriem, subula‘, nur in
Gl. mehrmals belegt, auch in der Form ale acht-
mal in Hss. des 12.—14. Jh.s. — Mhd. âle sw. f.
ist literarisch sehr selten. — Nhd. Ahle konkur-
riert wortgeographisch mit mehreren alten Syn-
onymen (s. u.).
Ahd. Wb. I, 177; Starck-Wells 19; Graff I, 224 f.;
Schade 9; Lexer I, 35; Benecke I, 22; Diefenbach, Gl.
lat.-germ. 562 (s. v. subula); Dt. Wb. I, 191; Kluge²¹ 9.
Ahd. âla hat Entsprechungen in den anderen
germ. Dialekten, die sich allerdings teilweise
durch kurzes anl. a- unterscheiden: mndd. āl,
nndd. le; nndl. aal (wohl aus dem Ndd.); ae.
ǣl, daneben al, æl, eal (< *al-), me. ēl, daneben
al, eal, aul (auch elsen, → alansa), ne. awl, ent-
standen durch Vermischung mit ae. awul m.
‚Gabel‘; aisl. alr, nnorw. ale ‚kleine Stange zum
Fischtrocknen‘, ndän. aal, nschwed. ål ‚Ahle des
Setzers‘ (< ndd. āl).
Wie die Übersicht zeigt, gehen im Germ. For-
men mit verschiedenen Ablautsstufen, urg. *ǣl-
(< *ēl-) und *al (< *ǝl-, *ol-, *al-?) nebenein-
ander her (wobei der ursprl. Sinn der Basis un-
klar bleibt); zu *al- gehört auch, mit Suffixer-
weiterung, ahd. alansa (s. d.). Von urg. *ǣlō
wird gemeinhin ein hypothetisches got. *ēla ab-
geleitet, das als Lehnwort in apreuß. ylo ‚Ahle‘
und von da weiter als lit. ýla und lett. ĩlns (mit
-ns-Erweiterung) erscheint; dabei müßte der
balt. i-Laut ein sehr geschlossenes got. ē- wi-
derspiegeln (vgl. Streitberg, Got. El.buch § 34, 5
Anm. 2; Braune-Ebbinghaus, Got. Gr.¹⁸ § 7
Anm. 2—4; Stearns, Crimean Gothic 7, 1. 2. 5.);
Toporov, Prusskij jazyk, Slovar I—K, 43 ff., der
die Entlehnung aus dem Got. bezweifelt, er-
wägt die Möglichkeit, daß apreuß. ylo ein Erb-
wort ist (< idg. *ēlā) oder auf anderem Wege
aus dem Germ. übernommen wurde.
Fick III (Germ.)⁴ 26 (ēla¹); Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 51; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 49;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 1; Vries, Ndls. et. wb. 1;
Holthausen, Ae. et. Wb. 10; Bosworth-Toller, AS
Dict. 13. 61 (awel); Suppl. 57; ME Dict. A—B, 171 f.;
OED I, 596; Oxf. Dict. of Engl. Et. 66; Vries, Anord.
et. Wb.² 7; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 76; Holthausen,
Vgl. Wb. d. Awestnord. 3; Falk-Torp, Norw.-dän. et.
Wb. 4 (aal⁵); Torp, Nynorsk et. ordb. 2; Ordb. o. d.
danske sprog I, 29; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 1418. —
Vgl. auch Fraenkel, Lit. et. Wb. 183; Mühlenbach-
Endzelin, Lett.-dt. Wb. I, 836; Senn, Germ. Lehnwort-
studien 47; C. Karstien, Zfvgl.Spr. 65 (1938), 159
Anm. 2 (mit Korr.-Note von Fr. Specht).
Die einzige erbverwandte Vokabel außerhalb
des Germ. sieht man in aind. rā f. ‚Ahle‘ (<
*ēlā), von dessen urarischer Grdf. finn. ora u. a.
herrühren sollen (H. Jacobsohn, Arier u. Ugro-
finnen (1922) 51 ff.; Mayrhofer, K. et. Wb. d.
Aind. I, 78; vgl. auch Walde-Pokorny I, 156;
Pokorny 310). Wenn aber V. Brøndal sich da-
durch veranlaßt sah, die Bez. für ‚Ahle‘ als
nichtidg. zu konjizieren (APS 3 [1928], 1 ff.),
so bleibt seine Herleitung aus dem „Skythi-
schen“ doch weitgehend Spekulation; die er-
wähnte Ablautsvariation spricht dagegen.
Mundartl. lebt das Wort Ahle vor allem im obd.
Süden weiter, im Südwesten allerdings meist neben
Nachkommen von ahd. alansa (s. d.), die im
Schweiz.dt. heute ausschließlich gelten; im Südosten
konkurriert Ort (< ahd. ort, s. d.), vgl. die Zss. Ahl-
örtel in der Steiermark. Gebraucht wird es auch noch
md. im Rheinfrk. sowie von Obersachsen bis Schle-
sien, allerdings neben Else, Pfriem, Seule. Martin-Lien-
hart, Wb. d. els. Mdaa. I, 28; Ochs, Bad. Wb. I, 27; Fi-
scher, Schwäb. Wb. I, 128; Jutz, Vorarlb. Wb. I, 56;
Kranzmayer, Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. I, 136; Un-
ger-Khull, Steir. Wortschatz 14. — Vgl. Dt. Wortatlas
II (1953), Karten 58—61 u. S. 19—22.