îlenAWB sw.v. I, im Abr und weiteren Gl.,
B, T, OT, E, G, O, NBo, NMC, Nps, Npg,
Npw und WH: ‚eilen, schnell laufen, sich
beeilen, streben (nach), sich bemühen, be-
strebt sein; abire, accelerare, agitare, anhe-
lare, anniti, approperare, attendere, certare,
conari, contendere, convolare, cum impetu
venire, currere, eniti, exsilire, fervere, festi-
nare, flagrare, fluere, inniti, intendere, labo-
rare, moliri, niti, occurrere, operam dare,
optare, properare, ruere, satagere, satis
agere, sperare, studēre, tendere, transire,
venire‘ 〈Var.: i-, hi-; -ll-; -an, -in, -un〉. Die
zumeist älteren Formen mit -ll- zeigen noch
den lautgesetzlich zu erwartenden Reflex der
westgerm. Kons.gemination durch nachfol-
gendes -j-, das selbst schon in den frühes-
ten Belegen in der Regel geschwunden ist
(Braune-Reiffenstein 2004: §§ 96 [S. 98 f.].
122 [S. 119]. 359 Anm. 1). — Mhd. îlen ‚sich
beeifern, sich befleißen, (sich) beeilen‘ (mit
Vereinfachung der Geminate), nhd. eilen
‚sich rasch fortbewegen, hasten‘.
Ahd. Wb. 4, 1475 ff.; Splett, Ahd. Wb. 1, 421; Köbler,
Wb. d. ahd. Spr. 576 f.; Schützeichel⁷ 163; Starck-
Wells 298. 823; Seebold, ChWdW8 168; ders.,
ChWdW9 441; Graff 1, 226 ff.; Lexer 1, 1420; 3,
Nachtr. 256; Diefenbach Gl. lat.-germ. 7 (accelerare).
118 (agitare). 35 (anhelare). 232 (festinare). 465
(properare); Götz, Lat.-ahd.-nhd. Wb. 2 (abire). 16
(adniti). 99 (certare). 124 (conari). 261 (fervere, festi-
nare). 347 (intendere). 430 (niti). 530 (properare).
589 (satagere). 622 (sperare). 630 (studēre). 658
(tendere). 674 (transire); Dt. Wb. 3, 106 ff.; Dt. Wb.²
7, 447 ff.; Kluge²¹ 157; Kluge²⁵ s. v. eilen; Pfeifer, Et.
Wb.² 267.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. īlian, mndd. īlen; andfrk. īlon, mndl. ilen,
nndl. ijlen; saterfries. ielje; norw. ila, ile,
dän. ile, schwed. ila ‚eilen‘. Die skand. Ver-
ben sind Entlehnungen aus dem Mndd.
Die etym. Deutung ist schwierig. Abzuleh-
nen ist die von Et. wb. Ndl. F-Ka 498 f. an-
genommene Herleitung von ahd. îlen aus
urgerm. *iđ- (z.B. in aisl. iđ- ‚Tat, Werk, Ar-
beit‘) mit der Begründung, đ und l hätten
dieselbe dentale Artikulationsstelle, weshalb
eine (spontane?) Veränderung des Kons.
stattgefunden habe.
Beim Verb könnte es sich jedoch um ein
Frequentativum auf *-el-i̯e/a- zu urgerm.
*ei̯- ‚gehen‘ handeln (semantisch als Dimi-
nutiv-Iterativ wie nhd. tröpfeln): urgerm.
*ei̯eli̯e/a- > westgerm. *ii̯ilii̯e/a- > *īl(i)i̯e/a-.
Doch bleibt diese Herleitung problematisch,
da die Wz. uridg. *h₁ei̯- > urgerm. *ī-/*ei̯- in
der Vollstufe sonst im Germ. nicht nachzu-
weisen ist.
Möglich ist vielleicht eine Verbindung des
Verbs westgerm. *ii̯ilii̯e/a- mit nominalen
germ. und balt. Ableitungen mit l-haltigem
Suff. von der Wz. uridg. *h₁ei̯- ‚gehen‘
(s. u.). Das germ. Verb wäre dann eine de-
nominale Ableitung von diesem Subst. Hier-
her gestellt werden etwa aisl. ON Íla, nisl.
íla (< urgerm. *īlō- < uridg. *h₁ei̯-leh₂-)
‚Stelle, wo das Wasser hervorsprudelt‘ und
das Verb íla ‚hervorsprudeln‘ (< urgerm.
*īlii̯e/a-).
Ein weiterer Vorschlag rechnet mit einer
verbalen Ableitung von einer nominalen Bil-
dung mit agentivischem Suff. ahd. -il (s. d.),
wie es etwa in ahd. butil (s. d.) etc. vorliegt.
Fick 3 (Germ.)⁴ 27; Tiefenbach, As. Handwb. 197;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 293; Berr, Et. Gl. to Hel. 213;
Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 197; Lasch-Borchling,
Mndd. Handwb. 2, 1, 410; Schiller-Lübben, Mndd.
Wb. 2, 350; ONW s. v. īlon; VMNW s. v. ilen; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 3, 811; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 272 f.; Vries, Ndls. et. wb. 278; Et. wb. Ndl. F-
Ka 498 f.; Fort, Saterfries. Wb. 115; Vries, Anord. et.
Wb.² 284; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 45; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 461; Nielsen, Dansk et. ordb. 205;
Ordb. o. d. danske sprog 9, 150 f.; Bjorvand, Våre ar-
veord 430 f.; Torp, Nynorsk et. ordb. 241; NOB s. v.
ile; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 402; Svenska akad.
ordb. s. v. ila. — Raven 1963—67: 1, 78 f.; Riecke
1996: 387 f.
Handelt es sich bei dem westgerm. Verb um
ein Denominativ (s. o.), ist vielleicht eine
Verbindung mit balt. Subst. möglich: lit. ei-
l ‚Reihe, Furche‘ (Akz.-Kl. 4) (< urbalt.
*ei̯lii̯ā-), lett. àila, aile ‚Reihe, Ordnung‘ (<
urbalt. *ai̯l[ii̯]ā-), lett. ìela ‚Straße‘ (< urbalt.
*ei̯lā-), wobei aber die Semantik Schwierig-
keiten bereitet. Letztlich bleibt der Zusam-
menhang zwischen den balt. nominalen For-
men und dem westgerm. Verb unklar. Am
ehesten liegen zwei unterschiedliche Ablei-
tungen von derselben Wz. vor.
Die Wz. uridg. *h₁ei̯- ‚gehen‘ begegnet in
fast allen idg. Sprachzweigen. Im Germ. ist
sie nur noch in Resten belegt, eben vielleicht
in ahd. îlen und im suppletiven Prät. got.
iddja, ae. ēode ‚ging‘ (s. gangan, gân, gên).
Walde-Pokorny 1, 104; Pokorny 296; LIV² 232 f.;
NIL 221 f. 228; Fraenkel, Lit. et. Wb. 119; Smo-
czyński, Słow. et. jęz. lit. 143 f.; Karulis, Latv. et.
vārd. 1, 57. 335; Mühlenbach-Endzelin, Lett.-dt.
Wb. 1, 12 f. 566.