-în¹ adj.suff. 〈Var.: -in〉. Das Suff.
bildet Stoffadj., allgemeiner auch Adj., die
die Zugehörigkeit ausdrücken. In einigen
Fällen handelt es sich nur noch um Stamm-
erweiterungen ohne Bed.veränderung; vgl.
ahd. jung : jungîn ‚jung‘ (s.dd.). Durch An-
tritt an Subst. auf l-haltiges Suff. entstand
eine Suff.folge -a/il-în, die abstrahiert als ei-
genständiges Suff. gebraucht wurde (s. -il,
-ilîn). — Mhd. -în, -inne. Zum Nhd. hin ver-
liert das Suff. seine Produktivität, nhd. -en
lebt nur noch in einigen wenigen Adj. wie
etwa golden/gülden ‚aus Gold‘ (< ahd. gul-
dîn [s. d.]), wollen ‚aus Wolle‘ (< ahd. wullîn
[s. d.]) u.ä. weiter. Das Suff. wurde durch das
deutlichere, aus den alten s-St. abstrahierte
Suff.konglomerat *-ir-în > nhd. -ern ersetzt;
vgl. ahd. hulzîn (s. d.) ‚hölzern‘ gegenüber
nhd. hölzern.
Splett, Ahd. Wb. 2, 284 ff.; Kluge²⁵ s. vv. -ern, -en. —
Bürgisser 1983: 43. 72—78.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. -īn, mndd. -en; frühmndl., mndl. -in,
nndl. -in, -en, -ijn; afries. -in, nwestfries. -en,
-in; ae. -en, me. -en, ne. -en; aisl. -inn, -enn,
nisl. -enn, ndän., nnorw., nschwed. -en; got.
-eins: < urgerm. *-īna-.
Im Ae. gibt es nur eine beschränkte Anzahl
dieser Bildungen, im Me. werden sie indes
wieder produktiv. Das mod. Ne. kennt wie
das Nhd. nur noch eine beschränkte Zahl all-
gemein verwendeter Adj. dieses Typs; vgl.
etwa whollen ‚wollen‘, earthen ‚irden‘. In den
südwestlichen Dial. des Ne. ist das Suff. je-
doch produktiv geblieben und wird weiterhin
zur Bildung von Stoffadj. verwendet; vgl. ne.
dial. glassen ‚gläsern‘, papern ‚papieren‘ etc.
Neben Zugehörigkeits- und Stoffadj. wur-
den mit dem Suff. auch verdeutlichende
Farbadj. gebildet; vgl. ahd. grâwîn neben
grâo ‚grau‘ (s.dd.), ae. blǣwen neben ae.
blāw ‚blau‘.
In Einzelfällen wurden Stoffadj. auch sub-
stantiviert, wohl bereits urgerm. ist die
Substantivierung von urgerm. *s(u)u̯-īna-
‚Schweine-‘ (vgl. lat. suīnus ‚Schweine-‘ <
uridg. *suH-iHno-) zu ‚Schwein‘ (s. swîn).
Ebenfalls mit diesem Suffix gebildet sind
die Possessivpron. ahd. mîn, dîn, sîn (s. dd.).
Sekundär hat sich im Germ. aus der Funk-
tion der Bildung von Stoff- und Zuge-
hörigkeitsadj. bei der Substantivierung die
dimin. Funktion entwickelt (s. -în²).
VMNW s. v. -in¹; Fryske wb. 4, 369; ME Dict. s. v. -en
suff.²; OED² s. v. -en suff.⁴; Magnússon, Ísl. Orðsb.
422 (-inn²); Nielsen, Dansk et. ordb. 107 (-en³);
NOB s. v. (nn.) -en²; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 183 f.
(-en⁴). — Wilmanns [1906—1930] 1967: 2, § 327; Klu-
ge 1926: §§ 198—201; Jóhannesson 1927: 48—52;
Guchman 1962—66: 4, 37—39; Henzen 1965: § 128;
Krahe-Meid 1969: 3, § 95.
Urgerm. *-īna- setzt uridg. *-iH-no-, wohl
*-ih₁-no-, oder auch uridg. *-ei̯-no- fort.
Möglicherweise handelt es sich um sekundä-
re Ableitungen von alten flektierten Formen
von i-St., namentlich im Instr. bzw. Lok.
Im Ai. werden mit dem Suff. ai. -na- (vgl.
navna- ‚neu‘) Zugehörigkeitsbildungen im
weitesten Sinne, in der Regel zu Subst., ge-
bildet.
Das Suff. ist auch im It. in derselben Funk-
tion bewahrt und kann wie im Germ. auf
zwei verschiedene Vorformen zurückgehen;
vgl. lat. -īnus, das Zugehörigkeitsadj. (La-
tīnus ‚der aus Latium‘), Stoffadj. (cervīnus
‚Hirsch-‘), Kollektiva (vgl. u. die balt. Bil-
dungen auf urbalt. *-īna-) und Ethnika ablei-
tet, die auch zu Cognomina werden können.
Im Balt. gibt es Fortsetzer von uridg. *-ih₁-
no- und *-e/oi̯-no-; vgl. lit. beržýnas ‚Bir-
kenhain‘ zu béržas ‚Birke‘ neben lit. ropienà
‚Rübenacker‘ zu rópė ‚Rübe‘ u.a. Die balt.
Sprachen haben die Suff. nur noch in der
Funktion eines substantivischen Kollektiv-
markers.
Gleichfalls zur Ableitung von Stoffadj. dient
das Suff. gemeinslaw. *-ěno-, das wie ein
Teil o. g. balt. Bildungen eine urspr. vollstu-
fige Suffixform uridg. *-oi̯-no- fortsetzt.
Neben der langvokal. bzw. vollstufigen Var.,
die im Germ., Indoiran. und Balt. bezeugt ist,
tritt in einigen Sprachgruppen in der gleichen
Bed. ein Suff. mit Kurzvokal auf; vgl. uridg.
*-ino- > gr. -ίνος, -ινός, lat. -inus, aksl. -ьnъ,
russ. -nyj etc., lit. (dial.) -inas. Dieses beruht
auf uridg. *-i-no-. Es sind urspr. sekundäre
no-Ableitungen von i-St.
Wackernagel [1896—1964] 1954—87: 2, 2, 430 f.;
Leumann [1926—28] 1977: 326 ff.; Skardžius 1943:
239—245. 266—272. 287—290; Vaillant 1950—77:
4, 451—459; Schwyzer, Gr. Gramm.² 1, 491; Risch
1974: 100; Balles 2008: 61. 71. 130. 132. 136. 217 f.;
Matzinger 2008: 261 f.; Ambrazas 2011: 19—21.
66—74.