-al, ein Suffix, das ahd. und im Germ. über-
haupt fast ausschließlich dazu diente, Adjektive
mit der Bed. ‚Neigung, (tadelhafte) Gewohn-
heit‘ zu bilden, wurde meist an Verbalstämme
angefügt und zwar mit Endbetonung, wie sich
aus der vorwiegenden Tiefstufe des Wurzelvo-
kals und gram. Wechsel des darauffolgenden
Konsonanten sowie aus der Akzentuierung
griech. Gegenstücke schließen läßt (s. u.): ahd.
trunkal ‚trunksüchtig‘ (s. d.), ae. flugol ‚fugitivus,
flüchtig‘, anord. þagall (neben þǫgull) ‚schweig-
sam‘; jedoch mit Ausgleich zugunsten des
stimml. Reibelauts got. skaþuls ‚schädlich‘ u. a.
Das Suffix war in älterer Zeit über das ganze
germ. Sprachgebiet verbreitet, wobei der Vokal
im Got. fast immer, auch im Anord. vorwiegend
auf -u- lautete, im Westgerm. beinahe aus-
schließlich auf -a-, nur gelegentlich auf -i-; Ab-
leitungen auf -il wie ahd. kragil ‚schwatzhaft‘,
durhil ‚durchlöchert‘, luzzil ‚klein‘ sind sehr
vereinzelt. Wie weit dieser Vokalwechsel in al-
tem Ablaut (-ol-: --: -el-, s. Braune, Ahd. Gr.¹³
§ 64 Anm. 2) oder späterem phonologischem
Wandel und analogischem Ausgleich (s. No-
reen, Urg. Lautlehre 62 f.; ders., Aisl. Gr.⁴
§ 173, 1) begründet ist, läßt sich kaum entschei-
den; jedenfalls spielt alter Stammauslaut kaum
eine Rolle, da meist Verbal-, nicht Nominal-
stämme zugrundeliegen. Vgl. got. sakuls ‚streit-
süchtig‘, slahuls (auch -als) ‚zum Schlagen ge-
neigt‘; aisl. gjǫfull (selten gjafall) ‚freigebig‘, hu-
gall ‚achtsam‘ (flá-hugull ‚hinterlistig‘), fǫrull
‚umherstreifend‘ (ferill ‚Reisender‘); ae. slāpol
‚schlafsüchtig‘; ne. nur noch fickle (me. fikel,
ae. ficol) ‚unbeständig‘; afries. schamel ‚arm‘;
mndl. behag(h)el ‚stolz, übermütig‘; as. wankol
‚unstät‘; ahd. swîgal ‚schweigsam‘, forahtal
‚furchtsam‘, âgezzal ‚vergeßlich‘, dazu von No-
minalstämmen etwa wortal ‚verbōsus‘, sprâchal
‚beredt, disertus‘, âzal ‚gefräßig, edax‘; gerade
im Ahd. erscheinen vielfach Ableitungen auf -al
neben einfacheren Bildungen oder solchen auf
-ar und ohne ersichtlichen Unterschied der
Bed., wie wankal neben wank, forahtal neben
forahtîg, -lîh, ferner dunkar neben dunkal, wak-
kar neben wachal u. a. — Aber schon im Mhd.
verlieren sich viele dieser Adjektive, außer etwa
âgezzel ‚vergeßlich‘, stechel ‚stechend‘, wankel
‚schwankend‘ (neben wanc) oder werden durch
Ableitungen auf -sam, -haft u. ä. verdrängt. Nur
wankel- blieb in Zss. wie wankelmütig bis ins
Nhd. lebendig; dazu etym. so undurchsichtige
Formen wie nhd. steil (aus ndd. steigel mit spi-
rant. Aussprache des intervok. -g-), ahd. steigal
(s. d.).
Kluge, Nom. Stammbildung³ § 19 f.; Grimm, Dt. Gr.a
II, 97 f.; Graff II, 13 (Übersicht); Wilmanns, Dt. Gr.
II § 321; Henzen, Dt. Wortbildung² § 127; Weinhold,
Mhd. Gr.² § 269.
Auch außergerm. fehlt es nicht an Entsprechun-
gen in Form und Bedeutung: so gr. τροχαλός
‚im Kreise laufend‘ (zu τρέχω ‚laufe‘), mit
Dehnstufe) φειδωλός ‚sparsam, schonend‘; lat.
crēdulus ‚leichtgläubig‘, querulus ‚zu klagen ge-
neigt‘, bibulus ‚trunksüchtig‘ (-ulu- wohl aus
*-elo-), daneben mit -ē- oder -ā-: crūdēlis
‚grausam‘ (zu crūdus), līberālis ‚freigebig‘ (zu lī-
ber); vgl. lit. skupuolélis ‚Geizhals‘ (zu skupúoti
‚geizen‘); hierher gehören auch die im Verbal-
system gebräuchlichen -l-Bildungen des Arme-
nischen, wie beroł ‚tragend‘, des Slavischen wie
aksl. dlalъ ‚gearbeitet (habend)‘, russ. byl ‚ist
gewesen‘ sowie des Tocharischen A (auf -l)
kärsnāl ‚zu wissend-‘, B (auf -lle) tärkanalle ‚zu
entlassend-‘.
Brugmann, Grdr.² II, 1 § 264 Anm.; Wackernagel,
Aind. Gr. II, 2 § 693; Schwyzer, Gr. Gram. I, 483 ff.;
Leumann, Lat. Laut- u. Formenlehre § 283 (s. auch B.
Zucchelli, Studi sulle formazioni in ‚-lo‘ non diminu-
tive, Parma, 1969); Leskien, Nom.bildung im Lit. 494.
— Meillet, Esquisse de l’Arménien classique² 127 ff.;
Meillet-Vaillant, Slave commun² 262; W. Thomas, Die
tocharischen Verbaladjektive auf -l: eine syntaktische Un-
tersuchung (Berlin, 1952).