-inklîn suff. 〈Var.: -ch-〉. Das Suff.
dient zur Bildung von n. Dimin. Der älteste
Beleg im Ahd. ist mineclîno ‚kleiner Finger‘
(s. d.) in der Lex Salica. Die obd. Schrei-
bungen mit -ch- geben die nach der zweiten
Lautverschiebung zu erwartende Affrika-
te [kχ] wieder (Braune-Reiffenstein 2004:
§ 144). Das Suff. ist ein Konglomerat aus
den beiden je für sich bereits dimin. Bed.
ausdrückenden Suff. -kl- und -în (s. -în²).
Das Suff.konglomerat hat früh wieder das
Element -în verloren, bereits ahd. steht enkil
(s. ankala) neben eni(n)k(i)lîn ‚Enkel‘ (s.
eniklîn). Vielleicht liegt hier aber auch noch
die ältere unerweiterte Suff.gestalt vor, wie
sie etwa das Ae. zeigt (s. u.). — Mhd. -kel,
nhd. -kel. Das Suff. ist im Dt. nie produktiv
geworden. Im Nhd. finden sich nur noch
vereinzelte Lexeme mit diesem Suff., die
zumeist dial. verwendet werden, etwa alem.
furnichel ‚junge Forelle‘ (Schweiz. Id. 1,
1022), verbreitet nhd. dial. hinkel, hünkel
‚Huhn, Hühnchen‘ < ahd. huoni(n)klîn (s. d.).
Hochspr. erhalten ist Enkel < mhd. eninkel <
ahd. eni(n)k(i)lîn (s. eniklîn), ein Dimin. zu
ahd. ano ‚Großvater‘ (s. d.). Vereinzelt be-
gegnet das Suff. auch umgestaltet zu -igel in
ON in Tirol (vgl. den ON Ponigel).
Splett, Ahd. Wb. 2, 292. — Bach 1952 ff: 1, 1, § 154.
In den anderen westgerm. Sprachen entspre-
chen: as. -iklīn; mndl. -inkel; afries. -encline;
ae. -incel: < westgerm. *-ink(i)l(īn)a-.
Auch wenn die ahd. (und ae.) Lemmata ver-
einzelt lat. Lexeme auf -(n)culus glossieren,
ist die Annahme einer Entlehnung des Suff.
aus dem Lat. unwahrscheinlich. Denn in die-
sem Fall müsste man für einzelne Sprachen
noch eine Erweiterung dieses Suff. um
westgerm. *-īna- annehmen. Einziger in et-
wa vergleichbarer Fall wären n-Erweiterun-
gen zu dem aus dem Lat. entlehnten Suff.
urgerm. *-ri̯a-. Doch besteht zumindest in
Gl. bei Wörtern mit dem Suff. ahd. -i(n)klîn
in der Regel kein etym. Zusammenhang zwi-
schen dem lat. Lemma und dem ahd. In-
terpretament.
Das Suff.konglomerat ahd. -i(n)klîn tritt in
dieser Form nur noch im As. und nochmals
erweitert im Afries. auf. Auch diese Spra-
chen zeigen eine Erweiterung einer ohnehin
schon dimin. Bildung um ebenfalls dimin.
-īn. Vergleichbares gilt für die Bildung des
Suff. ahd. -ilîn (s. d.). Das Ae. hat diese Er-
weiterung um westgerm. *-īna- nie aufge-
wiesen, bezeugt mithin wohl den urspr. Zu-
stand.
Mndl. -inkel dürfte aus dem Dt. entlehnt
sein. Die weitere Herleitung ist ungeklärt, ob
etwa ein direkter Zusammenhang mit weite-
ren guttural- und l-haltigen dimin. Suff. be-
steht. Der Nasal vor dem Guttural fehlt des
Öfteren: Entweder handelt es sich dabei um
zwei schon entstehungsgeschichtlich ver-
schiedene Var., eine als Ableitung von alten
n-St., eine als Ableitung von vokalischen St.,
oder um dial. Var., wobei die n-lose Var.
dann Schwund eines urspr. vorhandenen Na-
sals in der Nebensilbe aufwiese. Für west-
germ. *-ink(i)l(īn)a- wäre von einer Kombi-
nation der Suff. urgerm. *-en- (st. Stammge-
stalt eines n-St.) + *-k(V)la- + *-īna- auszu-
gehen.
OED² s. v. †wariangle. — A. Pogatscher, Beiblatt zur
Anglia 15 (1904), 238—247; Wilmanns [1906—1930]
1967: 2, § 250; Kluge 1926: § 63; Guchman 1962—66:
3, 103; Henzen 1965: 150.
Dem westgerm. Suff. liegt somit eine Vor-
form mit uridg. *-(ĝ)- zugrunde. Solche Suff.
sind für das Uridg. kaum zu rekonstruieren.
Suffixe mit dem Fortsetzer von uridg. *-g-
finden sich im Slaw., haben dort aber nie
dimin. Bed. und treten auch nie zusammen
mit Suff. auf, die denen im Germ. entspre-
chen (Birnbaum-Schaeken 1997: 38 f.).
Scheinbar stehen dem westgerm. Suff. die
lat. Dimin. auf -culus am nächsten. Bei Ab-
leitungen von n-St. entsteht hier ebenfalls ei-
ne synchron nasalhaltige Variante; vgl. lat.
homō, hominis ‚Mensch‘→ homunculus
‚Menschlein‘. Das lat. Suff. geht aber auf
uridg. *-klo- zurück, das im Urit. einen
Sprossvokal im Kons.cluster entwickelte.
Das Lat. zeigt daneben die Var. -ulus, -icu-
lus, -llus, wobei die Verteilung teilweise
komplementär ist (Balles 2008: 73—75).
Daneben ist lat. -culus auch öfters Fortsetzer des Suff.
uridg. *-tle/o-, wobei es zuerst zur Dissimilation und
dann zum Einschub eines Sprossvokals kam. Aller-
dings bildet dieses Suff. Nomina instrumenti und
nicht Dimin.; vgl. urit. *pō-tlo-m > lat. pōculum ‚Be-
cher‘, ai. ptra- n. ‚dss.‘. Die beiden Suff. werden im
Lat. erst sekundär homonym (Balles 2008: 21 f.).
S. -în².