-isal(a) suff., seit dem 8. Jh. 〈Var.:
-e-〉. Das Suff ist aus dem Urgerm. ererbt
und tritt häufig mit Bindevokal -i- im An-
schluss an jan-Verben auf. Es bildet Ab-
strakta und Agentiva sowie später selten
Konkreta (Nomina instrumenti). Das Neu-
trum ist häufiger als das Femininum, neben
der f. Form -isala kommt auch -selî vor. —
Mhd. -(e)sal, -sel, nhd. -sal, -sel. In Wörtern,
in denen das Suff. direkt an eine Wz. ange-
treten war, kommt es mhd. zur lautgesetzli-
chen Schwächung zu -sel (> nhd. -sel /-sǝl,
-s/), die Var. mit Fugenvokal, mhd., nhd.
-(e)sal, zeigt Bewahrung des urspr. Vokals
im Nebenton und sekundäre Vokaldehnung.
Vereinzelt sind im Mhd. noch Bildungen auf
-seli, -sele als Fortsetzer von ahd. -selî be-
zeugt. Das Genus der Bildungen ist schwan-
kend (z.T. bei einem Lexem; vgl. nhd. Trüb-
sal f./n.), am häufigsten sind Feminina und
Neutra, es kommen auch vereinzelt Maskuli-
na vor; vgl. nhd. Stöpsel. In Fällen wie nhd.
Stöpsel kann aber auch ein Konkreta bilden-
des Suff. vorliegen. Diese Bildungen werden
erst in nachmhd. Zeit produktiv und haben
oft diminuierenden oder kollektivierenden
Charakter. Sie sind wohl aus dem Ndd., wo
Fortsetzer von urgerm. *-islii̯a- insgesamt
häufiger waren, in das Hd. eingedrungen.
Somit ist nhd. -sel allenfalls in Einzelfällen
der direkte Fortsetzer von ahd. -isal(a).
Splett, Ahd. Wb. 2, 295 f.; Lexer 2, 575; Dt. Wb. 16,
411; Kluge²¹ 620; Kluge²⁵ s. v. -sal, -sel; Pfeifer,
Et. Wb.² 1159. — Wilmanns [1906—1930] 1967: 2,
§ 213; Henzen 1965: 182 f. 210; Dt. Wortb. 2, 356;
Bergmann 1991: 283; Klein-Solms-Wegera 2009:
112—114.
In den anderen germ. Sprachen entsprechen:
as. -isli, -islo, mndd. -sel; andfrk. -isli, mndl.
-sel, nndl. -sel; afries. -elsa, nfries. -sel; ae.
-ls, -els, me. -el(s), ne. -le; aisl. -sl, -sla, nisl.
-sl, -sla, -sli, adän. -ilse, -ælsæ, -sel, -slæ,
ndän. -else, -sel, nnorw. -sel, -sle, nschwed.
-sel, -sla, -sle; got. -izl, -sl: < urgerm.
*-sla/ō-.
Neben n. a-St. treten in den germ. Sprachen
f. ō(n)-St. auf. Erweiterungen des Suffi-
xes urgerm. *-(i)sla/ō- zu *-islii̯a-, *-islan-
begegnen bes. im Nordseegerm., die zu
*-islōn- im Ahd. und Aisl.
Die ae. Subst. auf -els verloren ab Ende der
me. Zeit allmählich das ausl. -s in Anleh-
nung an die zahlreicheren Subst. auf -el/-le;
vgl. ae. rǽdels ‚Rätsel‘ > ne. riddle ‚dss.‘.
Adän. -ilse, -ælsæ > ndän. -else, afries. -elsa
und ae. -ls, -els zeigen Metathese -sl- > -ls-.
Das Got. hat die stimmlose sowie einmal
vielleicht die stimmhafte Suff.var., was auf
urspr. verschiedene Akzentvar. schließen
lässt: urgerm. *-ísla/ō- > got. -isl, urgerm.
*´-(i)sla/ō- oder *-(i)slá/ṓ- > got. -izl; vgl.
got. swartizl* ‚Tinte‘ (wobei eine andere Hs.
an dieser Stelle die Schreibung swartis auf-
weist) vs. swumfsl ‚Sumpf‘.
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 607; Vries, Ndls. et. wb.
638; Et. wb. Ndl. S-Z 136 f.; ME Dict. s. v. -els suff.;
OED² s. v. -els suff.; Nielsen, Dansk et. ordb. 106.
363; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 899. — Kluge 1926:
§ 143; Jóhannesson 1927: 27. 98—100; Guchman
1962—66: 3, 93 f.; Henzen 1965: § 116; Krahe-Meid
1969: 3, § 90.
Urgerm. *-sla/ō- setzt uridg. *-s-lo/eh₂- fort.
Das Suff.konglomerat entstand aus alten
Stämmen auf uridg. *-s(t)-, an die sekundär
das Suff. uridg. *-lo- antrat. Das neue Suff.
entwickelte sich durch Metanalyse solcher
Bildungen. Das Konglomerat tritt im Germ.,
Lat., Balt. und Slaw. auf, es ist im Germ.
aber am stärksten vertreten, und hier speziell
im Ndl.
Besonders im Lat. ist die Etym. der Wörter
mit diesem Suff. oft verdunkelt; vgl. lat. āla
‚Achsel, Flügel‘ < urit. *ag-slā- (entspricht
aisl. ǫxl, ahd. ahsala [s. d.] > nhd. Achsel),
lat. pālus ‚Pfahl‘ < urit. *pak-slo- etc. Im
Balt. und Slaw. hat das Suff. eine gewisse
Produktivität erlangt. Im Slaw. bleibt das -s-
des Suff. nur erhalten, wenn die Wz. auf ei-
nen Dental ausgeht, sonst fällt dieser Kons.
nach dem ‚Gesetz der offenen Silbe‘ laut-
gesetzlich aus; vgl. aksl. maslo n. ‚Fett,
Schmiere, Butter‘ zu aksl. mazati ‚schmie-
ren‘, aksl. čislo n. ‚Zahl‘ zu aksl. čitati ‚zäh-
len, lesen‘, aber aksl. rylo n. ‚Hacke‘ zu aksl.
ryti ‚aufreißen‘. Im Balt. bleibt der Sibilant
immer sichtbar, vereinzelt kommt es auch
hier zur Vereinfachung von Clustern; vgl. lit.
mókslas, lett. mâksla ‚Kunst, Wissenschaft‘
zu lit. mokti ‚lernen‘, lett. mācīt ‚lehren‘,
lit. žaĩslas ‚Spielzeug‘ zu lit. žaĩsti, žaĩdžia
‚spielen‘. Daneben begegnen auch vereinzelt
s-lose Ableitungen bei derselben Wz. Nach
-r- und Gutturalen erscheint der Sibilant
(nach der Ruki-Regel) meist als lit. -š-, ver-
einzelt auch sonst.
Endzelin 1922: §§ 169. 171. 181; Skardžius 1943:
162—170; Vaillant 1950—77: 4, 414 f.; Ambrazas
1993: 69. 119. 190 f.; Pakerys 1994: 99 f. 151 f. 190.
198. 202; Birnbaum-Schaeken 1997: 43; Balles 2008:
23 (S-43); Ambrazas 2011: 28—30.