-ôd
Band VI, Spalte 1111
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-ôd/-ôt Suffix zur Bildung von Ab-
strakta. Neben dem a-St. begegnen im Ahd. die
n. ja-stämmigen Formen -ôdi/-ôti und die f.
īn-stämmigen Formen -ôdî/-otî. Es lässt sich
hier eine recht klare Grenze ziehen: Die Ab-
leitungen auf -ôd/-ôt sind in der Regel dever-
bal, in erster Linie zu Verben der sw. 2. Kl.
gebildet (etwa klagôt ‚Klage‘ zu klagôn ‚kla-
gen‘ [s. dd.]), während die wesentlich selte-
neren Ableitungen auf -ôdi/-ôti denominal sind
(etwa einôti ‚Einöde, Einsamkeit‘ zu ein ‚ein‘
[s. dd.]). – Mhd. -ôt(e), -ôde m./f., -œde, -œte n.,
nhd. sind unter anderem noch die Fortsetzer -d
f., -od n., -öde f., -at f./m., -ut f. der ahd. bzw.
mhd. Suffixvar. in Wörtern verbaut, die aber
synchron nicht mehr analysierbar und oft ana-
logisch nach vermeintlich als HG auftretenden
Subst. umgedeutet sind wie nhd. Armut (be-
reits im Ahd. wohl mit Umgestaltung des HG
nach muot [s. armuoti]), Einöde (mit sekun-
därer Eindeutung von Öde; s. einôti), Gegend
(ahd. geginôti [s. d.]), Kleinod, Heimat (s. hei-
môti
), Zierat (mit zeitweiser Eindeutung von
Rat und folglich der Schreibung Zierrat) u. a.

Splett, Ahd. Wb. 2, 337 ff.; Kluge²¹ 159 (s. v. Einöde).
240 (s. v. Gegend). 299 (s. v. Heimat). 376 (s. v. Kleinod).
883 (s. v. Zierat); Kluge²⁵ s. vv. Einöde, Gegend, Klein-
od; Pfeifer, Et. Wb.² 270 (s. v. Einöde). 410 (s. v. Ge-
gend). 525 (s. v. Heimat). 667 (s. v. Kleinod). 1611 (s. v.
Zier: Zierat). – Bergmann 1991: 141 f. 238. 267. 271;
Klein-Solms-Wegera 2009: 110 f.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen die
bereits ebenso wie die ahd. Formen umgebau-
ten Suff.: as. -ōdi n. ja-St., mndd. -ȫde; andfrk.
-ōdi, mndl. -ode, nndl. -ood; afries. -ad, -at, -ath;
ae. -od, -ad, -æd; aisl. -aðr, nisl. -aður, nschwed.
-od, -ät. Die urspr. Form des Suff. zeigt ne-
ben ahd. -ôd/-ôt wohl allein got. -oþu/-odu m.:
< urgerm. *-ō-þu-/*-ō-đu-. In den westgerm.
Sprachen beginnt daneben bereits früh der Um-
bau der u-St. zu ja-St. Hin zu den modernen
Sprachen sind ehemalige Suffixunterschiede al-
lenfalls noch am Vorhandensein oder Fehlen
von Umlauterscheinungen zu unterscheiden.

Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 313 f. (s. v. kleinood); Vries,
Ndls. et. wb. 327 (s. v. kleinood); Et. wb. Ndl. Ke-R 73
(s. v. kleinood); Klein, Compr. et. dict. of the Engl. lang.
1, 499 (-ed suff.³); eOED s. v. -ed suff.²; Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 1, 465 f. (s. vv. klenod, klenät); 2, 723. – Wil-
manns [1906–30] 1967: 2, §§ 261f.; Kluge 1926: §§ 134 f.;
Jóhannesson 1927: § 7; Guchman 1962–66: 3, 90 f.; Hen-
zen 1965: 175; Krahe-Meid 1969: 3, § 124; Casaretto
2004: 520 f. 531 f.

Urgerm. *-ō-þu-/*-ō-đu- geht zurück auf vorur-
germ. *--tu- : *-ā-- < uridg. *-éh₂-tu- : *-eh₂-
-. Der unterschiedliche Akzentsitz ist bei
sekundären Ableitungen ungewöhnlich. Dies
kann eine Neuerung des (Vor-)Urgerm. sein.
Bei dem Suffixkonglomerat handelt es sich ur-
spr. um sekundäre, Abstrakta bildende tu-Ab-
leitungen von nominalen eh₂-Stämmen, sekun-
där auch von denominalen Verbalst. auf uridg.
*-eh₂- (meist mit Präs. *-eh₂-e/o-). Da es keine
sprachübergreifenden Wortgleichungen gibt,
liegen wohl jeweils einzelsprachliche Neubil-
dungen des Suffixkonglomerats vor. Bildungen
mit demselben Suffixkonglomerat zeigen auch
das Lat. (magistrātus, gen. -ūs m. ‚Magistrat‘
[entweder direkt zu magister ‚Lehrer, Vorge-
setzter‘ oder zu magistrāre ‚Lehrer, Vorgesetz-
ter sein‘], senātus, gen. -ūs m. ‚Senat‘ zu se-
nex ‚Alter‘, ornātus, gen. -ūs m. ‚Schmuck‘
zu ornāre ‚schmücken‘ etc.) und gr. βοητύς f.
‚Schrei‘ zu βοάω ‚rufe, schreie‘ (mit allgemei-
nem Übergang der Klasse in die Fem. nach den
zahlreicheren f. ti-Abstrakta) sowie das Air.,
wo von den als Infinitiversatz gebrauchten Ver-
balsubst. auf air. -ad einige Bildungen auf ur-
kelt. *-ātu- zurückgehen.

Schwyzer, Gr. Gramm.² 1, 506 f.; Leumann [1926–28]
1977: 353–355; Risch 1974: 40 f.; de Bernardo Stempel
1999: 387 f.; Balles 2008: 6. 59 f. 173 f.

HB