abuhAWB adj. ‚verkehrt, umgekehrt, böse,
schlecht, protervus, versutus, aversus‘; auch st. n.,
meist in der Wendung in abuh ‚in verkehrter
Richtung, falsch, verkehrt‘. 〈Var.: abah, -oh, -eh,
-ih; apuh, -ah; abeeme Gl. 2, 233, 59, habihemo
Gl. 2, 206, 6, habuer Gl. 1, 543, 28, habeen Gl.
5, 99, 18; abhochi Gl. 2, 90, 43: eine ja- Bildung?〉
Ahd. Wb. I, 21 ff.; Schützeichel³ 1; Starck-Wells 14;
Graff I, 89 ff.; Schade 3; zum Schwund des inl. h :
Braune, Ahd. Gr.¹³ § 154; zur h- Prothese § 152; zur
Assimilation u > a nach a : Schatz, Ahd. Gr. § 95;
zur Bed.: H. Rupp, PBB 79 (Halle, 1957), 357 ff.
Sicher verwandt sind as. auh ‚verkehrt, übel‘;
mndl. āves, aefs (< *aohes, Franck, Mndl. Gr.
§ 118, S. 108) ‚verkehrt‘; ae. (northumbr.)
afu(h)lic ‚perversus‘ (Lindisfarne Gospels); mit
gram. Wechsel aisl. ǫfugr ‚verkehrt, abgewandt‘,
nnorw. avig, ovug, nschwed. avig, avog, ndän.
avet (< *avigt). Engl. awkward, me. awk(e),
auk(e) (< *afoc) ‚from the left, perverse,
strange‘ scheint aus dem Skand. entlehnt zu
sein (OED I, 596; ME Dict. A—B, 522; Oxf.
Dict. of Engl. Et. 66), vielleicht, wie im Ndän.,
aus einer mit t auslautenden Form *afukt (so
Jungandreas, Gesch. d. engl. Spr. 129), mit Ver-
lust des t nach Kons.(?) (Sievers-Brunner, Ae.
Gr.³ § 196 Anm. 2; § 198, 4); oder ist k < g im
Auslaut einer unbetonten Silbe? (Noreen, Aisl.
Gram.⁴ § 239 Anm. 2).
Fick III (Germ.)⁴ 15; Holthausen, As. Wb. 4; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 1; Berr, Et. Gl. to Hel. 14; Verdam,
Mndl. handwb. 48; Vries, Anord. et. Wb.² 685; Jóhan-
nesson, Isl. et. Wb. 21; Falk-Torp, Norw.-dän. et.
Wb. 37; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 356;
Torp, Nynorsk et. ordb. 10. 481; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 42; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 288.
Alle Formen gehen auf urg. *auh-/ *au- zu-
rück und sind mit *a ‚von ... weg, fort‘ (ahd.
ab[a]) aufs engste verbunden, aber Bildung
und außergerm. Beziehungen sind unsicher.
Am einfachsten lassen sich diese Wörter aus
idg. *apu (**H₂epu), einer Nebenform zu
*apo (**H₂epo; → aba) + *-ko- Suffix her-
leiten (Brugmann, Grdr.² II, 1 § 370 und Anm.;
Kluge, Nom. Stammbildung³ 100 ff.; Wilmanns,
Dt. Gr. II § 353). Zur Bildung vgl. aind. a-
dhika- ‚darüber hinausgehend‘ zu ádhi ‚auf,
über, von‘ usw. (Thumb, Hdb. d. Skt. I, 2³, 43).
Das k ist durch das einfache h in allen mehrsil-
bigen ahd. Formen und den gram. Wechsel im
Aisl. gesichert; das u durch den aisl. u- Umlaut
von a > ǫ.
Zu *apu s. Pokorny 54 f. Bestätigung einer solchen
Nebenform bieten zwar nur: gr. mdartl. ἀπὺ (wenn u
nicht mdartl. für o steht; so F. Bechtel, Gr. Dial. 1, 8;
dagegen Schwyzer, Gr. Gram. I, 182; vgl. auch Chan-
traine, Dict. ét. gr. 98); aisl. au- in au-virði ‚verächtli-
che Person‘, au-visli ‚Schaden‘ usw. (das aber Vries,
Anord. et. Wb.² 17 f. eher zu lat. au-, aind. ava-, aksl.
u- ‚fort‘ stellt); und germ. *afur- neben *afar- in ahd.
avur neben avar ‚wieder, abermals, dagegen‘, aisl.
aur- ‚unterer, hinterer‘ in Komp. (→ avur).
Herleitung aus (einer sonst unbelegten Nebenform
*opu? zu) idg. *ep-, *op-, wie in gr. ἐπὶ, ἔπι,
ὄπι(σ)θεν, ὀπίσ(σ)ω (so Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr.
288; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 37 u. a.) ist schon
wegen der Bedeutung sehr zweifelhaft, obgleich der
phonologische Zusammenfall von *ap- und *op- im
Germ. und in manchen anderen idg. Sprachen einen
gelegentlichen Einfluß des Präfixes *ep-, *op- nicht
ausschließen läßt. Got. ibuks ‚rückwärts gewandt, εἰς
τὰ ὀπίσω‘, das seinerseits etymologisch schwierig ist,
kann wegen des verschiedenen Suffixes (idg. *-go?)
nicht unmittelbar mit abuh in Verbindung gebracht
werden und ist keine zuverlässige Stütze für die An-
nahme eines *ep- : *op-Ablauts (→ *ibbichôn).
Von den verschiedenen auf idg. *ap- (oder
*op-) basierten Wörtern mit ähnlichen Bedeu-
tungen in mehreren idg. Sprachen, die in den
meisten etymologischen Wörterbüchern zitiert
werden, ist keines mit germ. *auh-/*au-
identisch.
Die Bildung von aind. ápāka- ‚abseits liegend, ent-
fernt, von fern kommend‘ (zu ápāṅ, ápāk, ápāñc-
‚rückwärts gelegen, hinten liegend, westlich‘) ist um-
stritten, scheint aber entweder aus idg. *apo +
*ku̯o- zu bestehen (Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. I,
38 f.; vgl. das Suffix in lat. propinqu-us, gr. ἀλλοδ-απ-
ός, ποδ-απ-ός) oder eine Zss. von *apo + *ku̯o-
(**H₃[e]ku̯-o- ‚Auge‘; vgl. gr. ἐνῶπα, πρόσωπον; lat.
ferōx, ātrōx) zu sein (so J. Schmidt, Idg. Neutra
388 ff.; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 458 [s. v. ocu-
lus]); jedenfalls von abuh fernzuhalten. Das von Ost-
hoff-Brugmann, Morph. Unters. IV, 249 ff. u. a. vor-
geschlagene einfache *-ko-Suffix in den schwächsten
Stammformen der aind. -anc-Stämme, wie practīc- zu
pratyáṅ, anūc- zu anváṅ, ließe eine etwas nähere Ver-
wandtschaft mit den germ. Formen vermuten, wenn
man es auch auf ápāka- übertragen könnte, aber die
Länge des vorhergehenden Vokals, die auch im Slav.
und wohl im Lat. wieder auftaucht (s. u.), bietet
Schwierigkeiten. Zur ganzen Problematik der idg.
Bildungselemente *-enku̯-: *-ku̯-, *-ōku̯-: *-ǝku̯-:
(**H₃eku̯-: **H₃ku̯-), s. auch Brugmann, Grdr.² II, 1
§ 7 (S. 13). 370; Thumb, Hdb. d. Skt. I, 2³, 94 ff.
Ebenso fernzuhalten sind aksl. opaky ‚wiederum‘, ksl.
opako, opaku, opače ‚zurück, verkehrt‘, die wegen des
urspr. langen Mittelvokals (Nandris, OCh. Slav.
Gram. § 6) wohl das oben erwähnte *-ku̯- Suffix
enthalten, das auch, trotz Ernout-Meillet, Dict. ét.
lat.⁴ 462, sehr wahrscheinlich in lat. op-ācus zu finden
ist.
Walde-Pokorny I, 50; Pokorny 54; Brugmann, Grdr.²
II, 1, § 370; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. I, 24;
38 f.; Bartholomae, Airan. Wb. 82; Trautmann, Balt.-
Slav. Wb. 11; Miklosich, Et. Wb. d. slav. Spr. 224;
Vasmer, Russ. et. Wb. II, 269 f.; S. Bugge, Zfvgl. Spr.
32 (1893), 13; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 210;
Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 458. 462.
Reflexe von ahd. abuh leben in den spärlich be-
legten mhd. Formen ebich, ebech, ebch weiter
(nach Kranzmayer, Wb. d. bair. Mdaa. in
Österr. I, 45 ff. ist e = ä), mit analogischem
Umlaut, wie in töricht und in einigen Wörtern
auf -ig, -eg (Wilmanns, Dt. Gr. II, § 351. 353, 6;
Weinhold, Mhd. Gr.² § 20 f.) — Lexer I, 499;
Nachtr. 153.
Obgleich das Wort nicht in die nhd. Schrift-
sprache eingegangen ist, wird es für die meisten
der Dialektgebiete (außer den nordöstlichen,
wie es scheint) in einer bunten Vielfalt von
Formen gemeldet, gewöhnlich mit einer oder
mehreren der folgenden Bedeutungen: ‚abge-
kehrt, verkehrt, umgekehrt (von Kleidung,
Stoffen); link; linkisch, unbeholfen, dumm, gei-
stesgestört; böse; unschön‘.
Für Einzelheiten der Formen und Bedeutungen vgl.
Schweiz. Id. I, 33 f.: abech. 65: äch (‚auf eine Seite nei-
gend, schief‘); Ochs, Bad. Wb. I, 10: äbich; Fischer,
Schwäb. Wb. I, 32 f.: äbich; III, 7: gäbich; Schmeller,
Bayer. Wb.² I, 13: abech, abechig; Kranzmayer, Wb. d.
bair. Mdaa. in Österr. I, 45 ff.: äbich, äbecht, ... gäbich
usw.; Lexer, Kärnt. Wb. 2: abich; Schatz, Wb. d. tirol.
Mda. I, 7: abich (awich usw.); Follmann, Wb. d. dt.-
lothr. Mda. 130: ewetzech; Luxem. Wb. I, 249: ebes,
äwes usw.; Müller, Rhein. Wb. I, 27 f.: äbich, äbisch;
Christmann, Pfälz. Wb. I, 73 f.: äbsch (mit einer Karte
auf S. 75); Maurer-Mulch, Südhess. Wb. I, 41 ff.:
äbich. 43: äbichen ‚wenden, von Kleidungsstücken‘;
Crecelius, Oberhess. Wb. I, 12 ff.: abig, äbig ... äbsch
usw. (auch „böse, weh, bes. von eiternden Wunden
..., übertr. auch von schmerzhaften ... Empfindun-
gen des Geistes“); Vilmar, Id. von Kurhessen 1: äbich,
afk, äfk, 2: abschen ‚meiden, fliehen‘, 93: eppen ‚etwas
schmerzlich empfinden‘, eppsch, äbsch ‚reizbar‘; Her-
tel, Thür. Spr.schatz 87: ebben (?) „die Wunde ebd =
fängt an zu eitern“; Müller-Fraureuth, Wb. d. ober-
sächs. u. erzgeb. Mdaa. I, 5: äbich, äbisch; Mitzka,
Schles. Wb. I, 17: äbig usw. 22: äbsch; Woeste, Wb. d.
westfäl. Mda. 16: awig (?) „wird von verdorbenen Ge-
tränken gebraucht“. 65: ebbig ‚was Entzündung ver-
ursacht; entzündlich‘. 70: ewenig ‚dss.‘; Jungandreas,
Niedersächs. Wb. I, 138: av(e)k, av(e)krig.
S. auch Dt. Wb. I, 58: äbich. III, 680: eppig, eppisch.
E. Ochs, Zfdt. Mdaa. 18 (1923), 309 ff., glaubt unter
diesen Wörtern auch Reflexe von ahd. âwiggi,
âwikki, urspr. ‚weglos‘, lat. ‚avius, devius‘, bei Notker
‚pravus‘, zu finden, eine Annahme, die sowohl phono-
logisch (Behandlung der Geminate) als auch seman-
tisch (vgl. bes. die oft belegte konkrete Bedeutung
‚umgekehrt, von Kleidungsstücken‘) sehr fragwürdig
ist; höchstens wäre eine gelegentliche Kontamination
denkbar.