adal¹AWB n. (m.?) a-St. ‚Geschlecht, Sippe, prosa-
pia‘; ‚vornehme Abstammung, Adel‘; gen.sg.
adales, auch adoles (Gl. 1, 165, 14 ‚generis nobi-
lis‘ K; zu -o- s. Schatz, Ahd. Gr. § 98), adeles
(12. Jh.). Mhd. adel st.n.m. ‚edles Geschlecht‘;
‚Vollkommenheit‘. Nhd. Adel m.
Ahd. Wb. I, 27 f.; Schützeichel³ 2; Starck-Wells 14;
Graff I, 141 f.; Schade 3; Lexer I, 20 f.; Dt. Wb. I,
176 f.; Kluge²¹ 7; Dt. Rechtswb. I, 427 f.
Verwandte Formen finden sich in fast allen
germ. Sprachen, so as. ađal- (in Komp., bes.
PN), dazu ađali n. ja-St. ‚edles Geschlecht‘; ‚die
Edlen‘, mndd. ādel m.n.; mndl. ādel m. (selten),
nndl. adel (wohl aus dem Dt.); afries. ethele; ae.
æðelo sg.f., æðelu, -o pl.n., me. āðel(e), ne. athel
(obs.); aisl. aðal st.n. ‚Hof, Erbgut, Besitz‘; ‚Art,
Anlage‘; in Komp. ‚Haupt-, echt, erster‘, dazu
eðli, øðli n. ja-St. (< *ađilja und < *ađulja)
‚Begabung‘; nnorw. adel ‚Kernholz‘; adän.
athæl-; aschwed. aþal- (neben aþul-, adhil-),
während ndän. nschwed. ādel in Form und Be-
deutung auf mndd. ādel zurückzuführen sein
dürften. Für das Gotische ist ein zu erschlie-
ßendes *aþal- nur in PN wie Athal(a)rīcus, für
das Langobardische sind die Formen Ad(h)al-,
Ad(h)el-, Adil- in Namen wie Adelprandus,
-berga, -bert, -gis u. a. bezeugt. Neben der weit-
aus häufigsten Ableitungssilbe mit -a- begeg-
nen, zumal im Nordgerm., Varianten mit -i-
und -u-, die wohl einen z. T. erst später analog
entstandenen Ablaut i : a : u repräsentieren
(Brugmann, Grdr.² II, 1 § 260 ff.; Kluge, Nom.
Stammbildung³ § 187 ff.; Wilmanns, Dt. Gr. II
§ 205 ff.; Noreen, Aisl. Gr.⁴ § 173, 1; ders.,
Aschwed. Gr. § 180, 2). Dem Sachgehalt nach
stehen ahd. und as. die Bedeutungen ‚vornehme
Abstammung oder Sippe‘, nordgerm. die Be-
deutungen ‚Anlage, Wesensart‘ (so auch ae.) so-
wie ‚Stammgut, Erbhof‘ und in Komp. ‚Vorzüg-
lichkeit, Haupt-‘ im Vordergrund.
Fick III (Germ.)⁴ 10; Holthausen, As. Wb. 4; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 2; Berr, Et. Gl. to Hel. 15 ff.; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 13 f.; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. I, 14; Verdam, Mndl. handwb. 6;
Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 9; Vries, Ndls. et. wb. 8;
Holthausen, Afries. Wb. 22; Richthofen, Afries. Wb.
720 f.; Bosworth-Toller, AS Dict. 21 f.; Suppl. 22;
Holthausen, Ae. et. Wb. 13; ME Dict. A—B, 488 f.;
OED I, 533 f. (Athel); Vries, Anord. et. Wb.² 93 f.; Jó-
hannesson, Isl. et. Wb. 19; Torp, Nynorsk et. ordb. 1;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 11; Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 3 f.; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 233 (s. v. hai-
moþli); Holthausen, Got. et. Wb. 9; Schönfeld, Wb.
d. agerm. PN 33 f.; Bruckner, Spr. d. Langob. 215 ff.
So deutlich die durchgehende Vertretung des
Wortes im Germ. ist, so problematisch erweist
sich seine Anknüpfung im außergerm. Sprach-
gebrauch. Einem germ. *aþala- müßte idg.
*atalo- (möglicherweise mit anderem Vokalis-
mus wie etwa *otolo-, *atolo-, *otalo-) entspre-
chen, d. h. eine -l-Ableitung von einer idg.
Wurzel *at(a)-, und da bietet sich mit weiterer
Verbreitung nur die in vielen idg. Sprachen üb-
liche Bildung *atta (mit geminiertem -tt-) ‚Va-
ter‘, gr. ἄττα, lat. atta, aksl. otьcъ (aus älterem
*otikos), alb. at(ë) (i ati ‚sein Vater‘); heth.
atta- (dazu aind. attā f. ‚Mutter, ältere Schwe-
ster‘ u. ä.), übereinstimmend mit got. atta, ahd.
Atto, aisl. Atti (als PN, obgleich wohl vielfach
Kurzformen doppelgliedriger Namen; die
Schreibung mit einfachem -t- in dem einmal
überlieferten ahd. ato [Gl. 2, 318, 17; → *atto]
verdient wenig Glaubwürdigkeit, da es mit lat.
attavus [sic!] gepaart ist und mit Formen wie
apetitus und Atthanasius). Wie der Doppelkon-
sonant (und die n-Deklination im Germ.) nahe-
legen, sind es fast ohne Ausnahme Lallwörter,
die nicht aus gemeinsamer uridg. Quelle abzu-
leiten, sondern jeweils einzelsprachlich entstan-
den sein dürften (vgl. auch nichtidg. Formen
wie türk. ata, ungar. atya, bask. aita u. a.);
darum widersprechen sie auch vielfach jeder
lautgesetzlichen Entwicklung. Vgl. Szemerényi,
Kinship Terminology 7; Martinet, Gémination
consonantique 59 ff. sowie A. J. v. Windekens,
Muséon 63 (1950), 101 f.
Schon die Herkunft von *atta aus der Kinder-
sprache, seine Inlautgemination (für die auch
Kretschmer, Gesch. d. gr. Spr. 335 und 350,
kaum überzeugende Ausnahmen vorbringen
konnte, vgl. Glotta 10 [1920], 43; für das Alb.,
Slav. und Heth. bleibt unentschieden, ob von
Gemination oder einfachem Kons. auszugehen
ist) sowie das trotz O. Behaghel unbestreitbare
Ablautsverhältnis von ahd. adal und uodal (mit
Dehnstufe, → uodal; vgl. M. Leumann, IF 61
[1952—54], 10) stehen einer Verknüpfung von
adal mit *atta im Wege; auch O. Szemerényi
hat mit Recht dagegen argumentiert (Word 8
[1952], 44 f.). Wenn diese Etymologie trotzdem
noch immer ihre Anhänger findet, so sind die
Hauptgründe dafür wohl Parallelen wie gr. πά-
τρα ‚Geschlecht‘ zu πατήρ ‚Vater‘ und allge-
meine semantische Spekulation: die Bedeutung
‚Väterliches‘ oder die Betonung des ‚vom Vater
Vererbten‘ meinte man als Besonderheit des
‚Adels‘ geltend machen zu können, so schon
O.Schrader, IF (Anz.) 9 (1898), 172 und wieder
im Reallexikon d. idg. Alt. (1901) 815; ²(1921)
II, 466; A. Zimmermann, Zfvgl. Spr. 34 (1897),
584 f. und 35 (1899), 613 f.; so in sämtlichen
Auflagen von Kluges Et. Wb.; Fick III (Germ.)⁴
10; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 11; Jóhan-
nesson, Isl. et. Wb. 19 bis zu Walde-Pokorny I,
44 und Pokorny 71.
Auch E. Benveniste bestand noch unlängst darauf, ein
im Griech. belegtes Adj. ἀταλός ‚kindlich, jugendlich,
zart‘ trotz einfachem -t- auf das Lallwort atta zu-
rückzuführen; ja, er ließ sich durch das in einer In-
schrift aus Gortyn überlieferte ἀτιτάλτᾱς (s. u.) sowie
mir. aite, beides im Sinne von ‚Pflegevater‘, dazu ver-
führen, in einem rekonstruierten *atalos die idg. Vo-
kabel für den „père nourricier“ zu vermuten. Diese
Hypothese und gar die Annahme einer bei Griechen,
Kelten und Germanen gerade in vornehmen Familien
beliebten Einrichtung der „Pflegevaterschaft“ schei-
nen jedoch nur sehr schwach begründet. Vgl. Benve-
niste, Institutions i. e. II, 85 ff.
Walde-Pokorny I, 44; Pokorny 71; Mayrhofer, K. et.
Wb. d. Aind. I, 27; Bartholomae, Airan. Wb. 323; F.
Justi, IF (Anz.) 17 (1905), 109 f. (āþvija); Boisacq,
Dict. ét. gr.⁴ 94; Frisk, Gr. et. Wb. I, 176; III, 43
(Nachtr.); Chantraine, Dict. ét. gr. 131 f.; Schwyzer,
Gr. Gram. I, 483 Anm. 9. 648; Walde-Hofmann, Lat.
et. Wb. I, 77; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 54; Meyer,
Et. Wb. d. alb. Spr. 20 (vgl. auch BB 8 [1884], 187);
E. Zupitza, Zfvgl. Spr. 36 (1900), 243 (mir. aite); Vas-
mer, Russ. et. Wb. II, 290.
Völlig verfehlt waren die teilweise bei Boisacq zitier-
ten früheren Einfälle von A. Bezzenberger (1878),
W. H. D. Rouse (1899) und Fick I (Idg.)⁴ 440. Auch
Neckels Versuch, auf Grund des einmal belegten
abair. Komp. adal-poro (s. G. Waitz, Dt. Verfassungs-
geschichte³ IV, 127 Fn. 3) im Sinne von ‚Gutsbesitzer‘
die semantische Identität von ahd. adal und uodal im
Sinne von ‚Stammgut‘ zu erweisen, scheitert an den
sonst überlieferten Bedeutungen von ahd. adal sowie
mhd. adel, nhd. Adel. Vgl. G. Neckel, „Adel und Ge-
folgschaft“. PBB 41 (1916), 385—436.
Einen anderen Weg beschritt W. Prellwitz, Et.
Wb. d. gr. Spr.² (1905), 61, indem er at- als Prä-
fix absonderte und im Anschluß an lat. adulēs-
cens (< *adalēscō) eine Wortbildung zu der
idg. Wurzel *al- (**H₂el-) ‚wachsen (ma-
chen)‘, lat. alere, got. alan voraussetzte; ja, O.
Szemerényi ging ein halbes Jahrhundert später,
offenbar ohne von Prellwitz zu wissen, eben
diesen Weg zu Ende: dabei zog er lat. indolēs
(< *endo-alēs), prōlēs (< *pro-alēs) und subo-
lēs (< *sub-alēs) als Parallelen heran, mußte
aber für at- in *atalo- sich mit einem Hinweis
auf idg. *at(i) ‚darüber hinaus‘ (lat. at-avus,
gall. Ate-gnatus, slav. ot-, otъ ‚weg von, aus‘) be-
gnügen (vgl. Vasmer, Russ. et. Wb. II, 289 mit
Lit.). Was jedoch Szemerényi übersah, war, daß
eine im Ablaut mit germ. *aþala- stehende
Dehnstufe *ōþala- (→ uodal) bei seiner Ana-
lyse auf einer Ablautsvariante mit sonst nir-
gends belegter Dehnstufe des Präfixes beruhen
müßte. Damit aber steht und fällt seine (wie
auch Prellwitz’) Etymologie von ahd. adal. Vgl.
O. Szemerényi, „The Etymology of German
Adel.“ Word 8 (1952), 42—50.
Übrigens war die gr. Vokabel ἀταλός als idg.
Erbwort und mögliche außergerm. Verwandte
von ahd. adal - vorübergehend, wie es jetzt
scheint — außer Kurs gesetzt, und zwar durch
M. Leumanns wiederholt vorgetragene (Glotta
15 [1927], 153 ff. und Homerische Wörter [Ba-
sel, 1950], 139 ff.), jüngst von E. Heitsch wieder
aufgegriffene These (Aphroditehymnos [1965],
46 ff.), gr. ἀταλός im Sinne von ‚jugendlich‘ sei
aus einem mißverstandenen, falsch analysierten
homerischen ἀταλάφρων (Ilias 6, 400) ‚ängst-
lich‘ ausgelöst und dann erst in der Dichter-
sprache nachhomerischer Epik im Sinne von
‚kindlich, jugendlich, zart‘ eingebürgert wor-
den. Indes, aus Gründen des Sinnzusammen-
hanges u. a. haben sich G. M. Bolling (Lang. 27
[1951], 73 f.), W. Porzig (IF 64 [1958], 312 f.)
und zuletzt noch einmal K. Förstel (Glotta 48
[1970], 166 f.) gegen Leumanns doch wohl
überkünstelte Kombination gewehrt. Dazu
kommt, daß die Basis *atalo- im Griechischen
stärker verbreitet ist, als sich bei Leumanns
These wahrscheinlich machen ließe: da ist nicht
nur das mehrfach und sehr früh belegte Adj.
ἀταλός (bei Hesych ἀταλά⋅ νήπια ‚Kindliches‘
und schon auf der Dipylon-Vase des 8. Jh.s (?):
ἀταλώτατα παίζει (Inscr. Graec. I [Editio mi-
nor, Berlin, 1924], Nr. 919), sondern auch aller-
lei Komp. und besonders Ableitungen wie das
denominative ἀτάλλω intr. ‚munter umher-
springen‘, tr. ‚aufziehen‘, und mit innerer Redu-
plikation ἀτιτάλλω ‚aufziehen, pflegen‘ (vgl.
W. Schulze, Quaest. epicae 470; A. Debrunner,
IF 21 [1907], 90 und E. Schwyzer, Gr. Gram. I,
648 Absatz 3. 725 Absatz 3.), dazu ἀτιτάλτᾱς
‚Pflegevater‘ (H. Collitz, Sammlung d. gr. Dial.
Inschr. III, 1904, 253 Nr. 4978) (s. o.); ferner
ἀτάλματα⋅ παίγνια bei Hesych und möglicher-
weise der myth. Name Ἀταλάντη, s. Frisk, Gr.
et. Wb. I, 175 f.
Aber bei aller formalen Übereinstimmung von
germ. *aþala- mit einer angeblich im Griech.
bezeugten idg. Basis *atalo- (**H₂etH₂elo-
oder **H₂etHo-?) bleiben die semantischen
Zusammenhänge doch nach wie vor undurch-
sichtig. Gerade in diesem Punkte hilft es auch
wenig weiter, wenn in jüngerer Zeit (zuerst
wohl von E. Sieg in Schrader, Reallex. d. idg.
Alt.² II [1917], 466 Fn. 1) immer wieder auf die
im Tocharischen (A) überlieferte Wortform
ātäl (gen. ātlis, nom.pl. ātli mit toch. ā aus idg.
a, [**H₂e], s. Windekens, Le tokharien § 12.
15) im Sinne von ‚Mann‘ (Gegensatz zu ‚Frau‘)
verwiesen wird. Wohl fehlt es nicht an paralle-
lem Bedeutungswandel wie ahd. kunni ‚Ge-
schlecht‘ zu ‚ausgezeichnetem Geschlecht‘ oder
mhd. geburt ‚Geburt‘ zu ‚vornehmer Geburt‘,
aber die Erklärung von germ. *aþala- als Sub-
stantivierung eines von idg. *atalo- ‚Vater, Er-
zeuger, Stammvater‘(?) abgelösten Adj. im
Sinne von ‚das vom edlen Manne Abstam-
mende, zum edlen Manne Gehörige‘, wie sie
W. Betz unlängst (nicht ohne Fragezeichen)
vorgeschlagen hat, wird doch wohl berechtigter
Skepsis begegnen, solange im Tocharischen
keine weiteren Ableitungen oder speziellere Be-
deutungsnuancen zutage treten.
Schrader, Reallex. d. idg. Alt.² II (1921), 466 r. Sp.
Anm. 1; Sieg-Siegling-Schulze, Toch. Gr. § 83. 119 e.
159. 161; Windekens, Lex. ét. tokh. 15; ders., Rev.
belge 20 (1941), 110 (< idg. *atal-, *atel- ‚pater-
nel‘); ders., Le tokharien 79. 171; W. Krause, Gött. Gel.
Anz. 1941, 430 Anm. 1; ders., Nachr. d. Akad. d. Wiss.
in Gött., Philol.-hist. Kl. 1944, 254; W. Betz, Hamme-
rich-Festschrift (1962), 9—11. — Zu toch. lang a = idg.
kurz oder lang a s. Schulze, Kl. Schriften 723; W.
Krause (1941); Pedersen, Tocharisch § 107; ders., Zur
toch. Spr. 44.