adel²
Volume I, Column 51
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adel² m. a-St. Adel (kleines Fingergeschwür),
zerna
, einmal belegt als adele nom.pl. in einer
Gl. vom Anf. des 14. Jh.s und zwar zu Macer
Floridus’ De viribus herbarum, ed. L. Choulant
(Leipzig, 1832 ff.), v. 2019 (zernes et lepras
cura compescit eadem
), mitgeteilt von
H.Thoma, PBB 73 (1951), 259 Z. 89: (Zeruas)
Zene ... dicuntur ligwa nostra adele; für das of-
fenbar unverstandene lat. Lemma lese man Zer-
nas bzw. Zernae, vgl. auch die sicher nicht un-
abhängige Parallele bei V. Rose, Verzeichnis d.
lat. Hss. der kgl. Bibl. zu Berlin (Berlin, 1905), II,
3, No. 905 S. 1081 a, aus einer Emmericher Ma-
cer-Hs.: sunt apostemata eructantia et de glan-
dibus veniencia Vel zerne dicuntur lingua no-
stra adole
. Lat. zerna, wohl iberischen Ur-
sprungs, begegnet in Cassius Felix, De Medicina
(447 n.Chr.), ed. V. Rose, S. 19, und wird als
eine Hautflechte (scabies) mit knötchenförmi-
gen Schwellungen beschrieben: impetigines,
quas Graeci lichenas vocant, Latini vulgo zernas
appellant
; ähnlich Isid. Etym. IV, 8, 6, s.
Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 9616a; Kör-
ting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 8372; M. Niedermann,
N. Jbb. f. d. klass. Alt. 29 (1912), 340 f.; heute
span. sarna Räude, Krätze, vgl. Corominas,
Dicc. et. de la lengua castellana IV, 151 ff.

Ahd. Wb. I, 30; Starck-Wells 15; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 635 (zerna); Du Cange VI, 934.

Beim Versuch einer etym. Analyse des so spät be-
zeugten Wortes scheint es angezeigt, nicht nur ahd.
adal mit der Bed. nobilitas, sondern auch den immer
wieder erwähnten Zus.hang mit ae. ādl, āðl n. Ent-
zündung, Krankheit, Schwäche
von vornherein aus-
zuschließen, da das anl. ae. ā- auf germ. ai- zurück-
führt (s. C. C. Uhlenbeck, PBB 26 [1901], 568), dem
ahd. ei- und mndd. ē- entsprechen würde.

Das Wort, das in der dt. Hochsprache der Ge-
genwart kaum gebräuchlich ist, war offenbar
von jeher nur im Mittel- und bes. Niederdt. zu
Hause. So wird ādel (mit unverschobenem -d-),
neben ālre und tādel m.n., mit der Bed. Ge-
schwulst, Geschwür
(bes. im Nagelglied des
Fingers, panaritium) fürs Mndd. bezeugt, desgl.
fürs Mndl. in Schueren, Teuthonista (1477),
S. 6, im Sinne von ulcus, apostema, tumor, wäh-
rend es weder fürs Afries. noch für Alt- oder
Mittelenglisch nachzuweisen ist.

Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 13; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 14; Verdam, Mndl. handwb. 6.
M. Höfler, Dt. Krankheitsnamenbuch 2.

Wesentlich problematischer ist das Verhältnis
des Wortes zu dem homonymen ndd. adel, ahd.
atel (s. d.), das Schlamm, Morast, uligo bedeu-
tet und trotz mancher Reste im Obd. in
neuerer Zeit vorwiegend im Norden des dt.
Sprachgebietes lebendig geblieben ist. M. Höf-
ler, a.a.O. 2 behandelt beide unter demselben
Stichwort und meint, daß die gemeinsame Bed.
Unreinigkeit in der Volksmedizin vom einen
zum andern geführt haben könnte. Auch die
Mda.wbb. der Neuzeit, wie schon Verdams
Mndl. handwb. 6, werfen die zwei Vokabeln
vielfach in einen Topf, so etwa Wossidlo-Teu-
chert, Meckl. Wb. I, 74: Adel f. und m. 1. eit-
rige Entzündung im Finger
, 2. f. Pfuhl, stin-
kendes Pfützenwasser
. Und selbst wenn es, wie
bei Mensing, Schleswig-holst. Wb. I, 52, heißt,
daß Adel m. [ǭdl, ǭl] Fingerentzündung von
Addel m.n. [ad] Jauche scharf geschieden sei,
so wird doch zugegeben, daß es an Verwechs-
lungen nicht fehle. Vgl. Müller, Rhein. Wb. I,
94; Kück, Lüneb. Wb. I, 41 f.; Scheel, Hamb.
Wb. I, 39; Bretschneider, Brandenb.-berlin. Wb.
I, 107 f. (Adel m.f.: nur noch resthaft, auch
Åle Nagelgeschwür, Umlauf
).

Sieht man sich trotzdem nach einem besonderen Ety-
mon um für ahd. adel (mit unverschob. -d-), so hal-
ten die wenigen bisherigen Vorschläge allesamt einer
schärferen Überprüfung nicht stand, so die Verknüp-
fung mit aind. ádga- Rohrstab, Stengel, vielleicht
verwandt mit lit. uodegà dss., das auch bedeutungs-
mäßig sehr ferne liegt; desgl. die Anknüpfung an air.
odb m., kymr. oddf Knoten, Auswuchs, Geschwulst,
das aber schon von Pedersen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr. I
§ 26, 1 über älteres *ozbho- zu gr. ὀσφύς Hüfte
(eigtl. Anschwellung) gestellt wurde.

Walde-Pokorny I, 175 ([d]ego-); Mayrhofer, K. et.
Wb. d. Aind. I, 29; Fraenkel, Lit. et. Wb. II, 1164 f.;
Fick II (Kelt.)⁴ 50; Vendryes, Lex. ét. de lirl. anc.
09 f.; vgl. auch K. F. Johansson, IF 14 (1903), 323
und Fn. 1.

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