agaza
Volume I, Column 89
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agaza [-ts-] f. n-St.(?) (einmal belegt, Gl. 3,
463, 39; 13. Jh.): pica vel agaza agilstra (Stein-
meyers Anm. z aus h corr.) Elster, pica
(Corvus pica L.). Außerdem findet sich das
Wort in der latinisierten Form acacia (für
agaza) inmitten einer lat. Liste von schweißtrei-
benden Mitteln eines Bernh. Provincialis medi-
cus, Commentarium super tabulas Salerni: adeps
pice, id est acacie
(d. i. ). Für das Mhd. ist
nur ein Dimin. atzel sw.f. des öfteren bezeugt,
dazu atzeleht elsterartig. Aber während ahd.
agaza in mehreren rom. Sprachen weiterlebt (s.
u.), findet man im Nhd. davon keine Spur;
selbst mdartl. sind nur allerlei entstellte Ablei-
tungen und Diminutiva wie das genannte Atzel
oder Hetz(e) u. ä. im Gebrauch (s. u.).

Ahd. Wb. I, 61; Starck-Wells 17; Graff I, 131; Schade
6 (st.sw.f.); Lexer I, 104 (atzel); Nachtr. 35; Benecke
I, 67; Dt. Wb. I, 189 (Agalstra). 596 (Atzel). S. de
Renzi, ed. Collectio Salernitana V (Neapel, 1859),
Kap. 6, 2 S. 291 Z. 20; Mittellat. Wb. I, 373.

Für das Verhältnis von ahd. agaza zu agalstra,
agastra (s.d.d.) stellen die mannigfachen
sprachlichen Umformungen, wie sie im Bereich
adt. Personennamen gang und gäbe sind, die
erwünschten Parallelen bereit. Wenn neben ei-
nem Uol < *Uodal(rich) ein Uodo und ein
Uozo begegnet, wenn neben zweigliedrigen Na-
men auf Sig- sich Koseformen wie Sig(g)o
und Sigizo oder Sigga und Sigeza finden und
wenn weiterhin aus einem Agilulf sich Kurzna-
men wie Ago und Azo (Walthers v. d. Vogel-
weide Herr Atze 82, 18 ff.) oder gar Agizo er-
geben (auch eine Egizza f. ist bezeugt), so wird
man in ahd. agaza ohne weiteres eine Kose-
form
der Vollformen agalstra, agastra erblik-
ken, die ja oft genug als zweigliedrige Kompo-
sita mißverstanden worden sind. Wobei noch
anzumerken ist, daß die ursprüngliche Doppel-
affrikata -zz-, die ahd. aus der bei Kosenamen
üblichen Doppelung und/oder Verhärtung des
inlautenden Konsonanten entsteht und die
auch durch mdartl. Weiterbildungen bestätigt
wird, nach schwachtonigem Vokal sich zu ein-
fachem -z- reduzierte, also *agazza > agaza
(Braune, Ahd. Gr.¹³ § 159 Anm. 4 und 93 Anm.
1).

Starck, Die Kosenamen der Germanen, bes. S. 40 und
7590; Förstemann, Adt. Namenbuch23 I, 1175 f.
(Uoza). 15 ff. (Ago Egizza). 1317 ff. (Sigga-Sigeza);
Bach, Dt. Namenkunde I § 100 f. (zur Kurznamenbil-
dung auf ahd. -z- mit Lit.); Wilmanns, Dt. Gr. II
§ 273, 4. 5 und Anm.

Und gerade diese dem rom. Sprachgefühl ent-
gegenkommende Kurzform auf -aza [-atsa]
war es, die den dt.sprachigen Namen des vielbe-
rufenen Vogels auf welschem Boden einbür-
gerte, im Wettbewerb mit der dort heimischen
Bezeichnung pie (< pica) u. ä., und zwar in der
Form von italien. gazza (mdartl. agazza), aprov.
agasa, nfrz. agace; vom letztgenannten aus fand
das Wort als haggess (belegt 1599), haggiss
(1655) seinen Weg weiter ins Frühneuengl.

Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 361; Meyer-Lübke, Rom.
et. Wb.³ Nr. 275; Wartburg, Frz. et. Wb. I, 51 ff.; Ga-
millscheg, Et. Wb. d. frz. Spr.² 16 f. (mit wenig über-
zeugender Kritik und abwegigen Ersatzvorschlägen);
OED V, 1, 20.

In den dt. Mdaa. aber wird aus ahd. agaza ei-
nerseits mit Umlaut, der eine Variante *agiza
voraussetzt und mit dem durch Kontamination
wohl aus ahd. hehara Häher übertragenen h-
die Form Hetze (< *egeze), die vorwiegend
schwäb. Bezeichnung des Vogels (Fischer,
Schwäb. Wb. I, 115), mit der man die Entwick-
lung eines anderen Vogelnamens, Emeritz(e)
aus ahd. amirzo, amarzo (s.d.) neben amaro ver-
gleichen möge; noch viel weiter geht die Konta-
mination in dem damit konkurrierenden
mdartl. schwäb. Ungetüm Nagelhetz, in dem
sich eine letzte Erinnerung an ahd. agal- mit
dem Nasalvorschlag des unbest. Artikels verei-
nigt.

Andererseits wurde ahd. agaza/agiza abermals
der Entwicklung adt. PN vergleichbar (es fehlt
auch nicht eine Az(z)ala, Förstemann, a.a.O. I,
219 ff.) nach Art der Koseformen durch -l-
erweitert, woraus sich ohne Umlaut die heute in
einem großen Teil des westmd. Sprachgebietes
geläufige Lautgestalt Atzel ergab; eine auf-
schlußreiche Übergangsform ackzel (< ag[a]-
zala) hat sich in einem Dict. lat.-germ. des 15.
Jh.s aus Mainz erhalten (Diefenbach, Gl. lat.-
germ. XV und 432).

Für die dialektgeogr. Geltung von Atzel vgl.
Müller, Rhein. Wb. I, 292 f.; Christmann, Pfälz.
Wb. I, 356 f.; Maurer-Mulch, Südhess. Wb. I,
364; Crecelius, Oberhess. Wb. 52; Vilmar, Id.
von Kurhessen 18; Follmann, Wb. d. dt.-lothr.
Mdaa. 15; Martin-Lienhart, Wb. d. els. Mdaa. I,
86: Die unterels. Bez. [Atzel] steht der ober-
els. ägerst gegenüber
; Ochs, Bad. Wb. I, 76
(mittelbad. und nordwestlich Atzel, im Süden
Agerst). Vgl. auch die Übersicht bei Suolahti,
Dt. Vogelnamen 1934 und J. W. Bruinier,
Zfvgl.Spr. 34 (1897), 3504 (spr.wiss. unzuver-
lässig). Dazu die Wortkarte Elster in Mitzka-
Schmitt, Dt. Wortatlas XV (1966), Karte 3, Text
3241 (mit fast 1400 Varianten).

S. auch aga, agalstra, agastra.

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