ahizziAWB [-ts-] n. ja-St. (nur je einmal in früh-
ahd. und mhd. Zeit belegt; ahizzi uel casthus
‚diuersorium‘ Gl. 1, 277, 3 [8.—9. Jh.]; ahize ‚gen-
taculum‘ Gl. 4, 144, 51 [13. Jh.]) ‚Raststätte, Fut-
terplatz; Frühstück, Mahlzeit (während der
Rast)‘. Wie die meisten ahd. Bildungen auf -zzi,
mhd. -ze ist das Wort nhd. nicht mehr im Ge-
brauch; es wäre wohl zudem mit Formen von
ächzen (→ achizôt) zusammengefallen.
Ahd. Wb. I, 68; Starck-Wells 18; Graff IV, 1074
(fälschlich ahhiziu gelesen und zu hizza gestellt).
Da die Erklärung von ahd. ahizzi(u) im Sinne
von *â-hizzi(a), d. i. hizza ‚Hitze‘ + Präfix â-
(s. d.): ‚geheiztes Zimmer‘, die sich auch bei
Grimm, Dt. Gr.a II, 696 findet, angesichts der
beiden lat. Lemmata keinen Sinn gibt (s. Thes.
ling. lat. V, 1, 852 f. und VII, 1, 246 f.), so
scheint eine Analyse als ah-izzi und dement-
sprechend ein Anschluß an anord. ǽja (aus äl-
terem *ah-jan) ‚mit den Pferden ruhen und sie
mittlerweile weiden lassen‘ die gegebene Lö-
sung. Der Stamm des anord. Verbums begegnet
auch in der Ableit. áning (< *ah-ning) f. ‚Wei-
derast‘ (Torp, Gamalnorsk ordavleiding 31 Z.
36) und in Zusammensetzungen wie anord. ái-
vangr ‚Weideplatz für Pferde‘, nisl. áfangi
‚Strecke zwischen zwei Rastplätzen‘, anord.
áifóðr ‚Rastfütterung‘, nisl. áfóður. Und die
Gl. 1, 277, 3 steht im Zusammenhang mit Gen.
42, 27, wo vom Füttern der Lasttiere die Rede
ist: „ut daret jumento pabulum“, s. E. Aumann,
PBB 61 [1931], 260 f. Aumann vergleicht damit
auch die Wiedergabe derselben Genesis-Stelle
in der anorw. Übertragung des Alten Testa-
ments, Stjórn (hrsg. von Unger [1862], 214 Z.
15 f.): ok etladi eykinum (‚den Lasttieren‘) aai-
fodr. Für das andere Zitat, in dem mhd. ahize
einem lat. jentāculum (die Hs. hat g-), d. h.
‚Frühstück‘ gleichgesetzt wird — „ahize paßt
nicht zum Lemma,“ bemerkt Steinmeyer — ver-
weist Aumann auf einen Passus in der Egils
saga (72, 6), wo dem aisl. ǽja hestum die ‚Früh-
mahlzeit‘ (dagverðr) von Egil und seinen Fahrt-
genossen entspricht.
Vries, Anord. et. Wb.² 681 (ǽja); Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 49; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 354
(ǽja). 2 (ái und agn); Fritzner, Ordb. over d. g. norske
sprog III, 1069. — Noreen, Aisl. Gr.⁴ § 68, 2. 512.
Wie dem auch sei, es ist aus lautlichen und se-
mantischen Gründen so gut wie sicher, daß
ahd. ah- mit dem aus anord. ǽja zu erschlie-
ßenden germ. *ahjan- (wie anord. tǽja ‚fasern‘:
got. tahjan ‚reißen‘, Noreen, Aisl. Gr.⁴ § 317,
3 a) zusammenhängt (trotz der von C. C. Uhlen-
beck und F. Specht, Zfvgl.Spr. 66 (1939), 74,
aufgegriffenen und von Vries, Anord. et. Wb.²
681 zitierten Alternative urg. *aiwjanan, was
anord. *ǽfa mit stimmhafter labialer Spirans,
möglicherweise auch *eyja ergeben hätte, No-
reen § 77, 15. 97, 3. 250). An außergerm. Ver-
wandten bieten sich nur im Aind. und Airan.
Möglichkeiten wie aind. açnti ‚ißt, verzehrt‘
(açúṣa- und áçna-² ‚gefräßig‘), áçanam ‚Essen‘
und das Kausativum āçayati (mit Dehnstufe)
‚läßt speisen‘; av. (kahrk-)āsa ‚(Hühner)Fresser‘
= ‚Geier‘.
Walde-Pokorny I, 112; Pokorny 18; Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. I, 59 f. (lehnt Uhlenbeck, IF 25
[1909] 143 f. ab; bezweifelt Zusammenhang mit
germ. *ah-); Uhlenbeck, K. et. Wb. d. aind. Spr. 16;
Bartholomae, Airan. Wb. 452; Horn, Grdr. d. npers.
Et. Nr. 29. — Vgl. M. v. Blankenstein, IF 23 (1909),
133; F. Specht, Zfvgl.Spr. 65 (1938), 209.
So ergibt sich eine idg. Wz. *e- (**[H₁]e-)
(?) ‚essen‘, von deren o-Stufe germ. *ah- und
seine Ableitungen gebildet sind; mit gramm.
Wechsel rührt daher nordgerm. *ana- und da-
von anord. sowie nskand. agn ‚Aas, Lockspeise‘
(zum Bedeutungswandel vgl. ahd. âz ‚Köder‘ <
idg. *ēdom, ahd. âs < idg. *ēd-s-om, beide von
der idg. Wz. *ed- ‚essen‘, Walde-Pokorny I,
119; Schmidt, Idg. Neutra 379). Wahrscheinlich
gehört hierher auch, mit anderer Ablautsstufe,
anord. jaxl, nnorw. jeksel, dial. jaksle, ndän.
axel(tand), davon ne. dial. axle-tooth ‚Backen-
zahn‘ (< urg. *eh-sla- mit a-Brechung, s. No-
reen, Aisl. Gr.⁴ § 88).
Vries, Anord. et. Wb.² 291 f.; Falk-Torp, Norw.-dän.
et. Wb. 12; Torp, Nynorsk et. ordb. 246; ME Dict.
A—B, 579 (axel-tōth); OED I, 600. — Sollten gr. ἄκο-
λος und ἄκυλος, trotz der begründeten Zweifel von
Frisk, Gr. et. Wb. I, 55 und 61 u. a., zu eben dieser
Wurzel gehören (so Curtius, Grundzüge d. gr. Et.⁵
114, Persson, Beitr. z. idg. Wortf. 825 f. und F. Solm-
sen, Zfvgl.Spr. 34 [1897], 79), so bestünde der Ansatz
einer a-Stufe (*a-), für den Pokorny 18 eintritt, zu
Recht.
In Anbetracht der Isoliertheit des in ahd. ahizzi iden-
tifizierten Wortteils ah- und seines offenbaren Feh-
lens im Mhd. und Nhd. ist es verlockend, einen Zu-
sammenhang zu sehen mit dem in bayer.-österr.
Mdaa. noch recht lebhaft bezeugten Terminus Ahe,
Ähe, Āche, Äche, auch Ach f., pl. Āchen (die Ausspra-
che der Spirans scheint zwischen h und ch zu
schwanken); folgende Bedeutungen werden dafür
verzeichnet: (1) Ackermaß unbestimmter Größe, (2)
Rast und Futterzeit der Pferde beim Feldbau, (3) Teil
eines (landwirtschaftlichen) Tagewerkes. Im Urbar
des Klosters Sonnenburg, 1. Hälfte des 14. Jh.s, wird
ähe st.f. als ein Ackermaß bezeugt (Lexer, Mhd.
Handwb. I, 28), wohl ein von *ah- gebildeter ī- oder
jō-St. (über häufigen Wechsel der jō-Feminina zur ī-
Dekl., s. Braune, Ahd. Gr.¹³ § 210 Anm. 2; zum Aus-
bleiben der westg. Kons.gemination ebd. § 118 Anm.
4 und H. Paul, PBB 7 [1880], 117 f.). Falls die obd.
Vokabel hierher gehört, muß ‚Weidenlassen, Futter-
pause‘ ihr ursprünglicher Sinn gewesen sein (1), wor-
aus sich dann die Bedeutungen ‚Zeit zwischen Fütte-
rungen‘ (s. o. nisl. áfangi) (2) und ‚das in dieser Zeit
umgepflügte Land‘ (3) ergeben hätten. Vom Substan-
tiv nachträglich abgeleitet sind mdartl. ahen (ähen,
ächen) ‚(während des Pflügens oder nach längerer
Fuhre) die Pferde weiden lassen‘ und A(c)het, pl. -er
‚Ackermaß‘ (im Etschgebiet) sowie Achzait’n ‚Zeit
zwischen den Mahlzeiten‘.
Kranzmayer, Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. I, 116;
Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 7; Schöpf, Tirol. Id. 3 (<
lat. acnua!); Schmeller, Bayer. Wb.² I, 22 f.; J. Egger,
Glossarium z. d. I—IV. Theile d. Tiroler Weistümer
(Wien, 1891), 5 (ächen ‚Pferde füttern und ausspan-
nen‘); Die Tiroler Weistümer, hrsg. von I. v. Zingerle
und K. Th. von Inama-Sternegg (Wien, 1877), 338
Anm.; V. Hintner, Zfdt.Wortf. 12 (1910), 255—8.
Bei dieser Analyse des Wortkerns von ahd. ah-
izzi bleibt für -izzi nur die Funktion eines Suf-
fixes, germ. *-itja, das — einmal in got. stiwiti
‚Geduld‘ belegt — im Altengl. ziemlich häufig
ist, wie etwa in rēwet n. ‚Rudern‘ (mit Umlaut
zu rōwan), hīewet ‚Hauen‘ (zu hēawan), vgl. E.
Sievers, PBB 9 (1884), 234, das aber im Ahd.
nur noch selten gebraucht wird, auch hier fast
immer zur Bildung von Verbalabstrakten wie
ahd. fisgizzi Otfrid V, 13, 1 ‚Fischzug‘, mahal-
izzi ‚Verhandlung‘ (s.d.d.). Zu diesen gesellt
sich nun, höchstwahrscheinlich, ahd. ah-izzi,
vorahd. *ah-itti < urg. *ah-itja (< idg. *-id-?
s. Meier, -ίδ-: zur Gesch. eines gr. Nom.suff., bes.
S. 81 ff.) als Ableit. von einem wurzelbetonten
-jan- Verbum *ah-jan (wie ae. bærnett ‚Brand‘
zu bærnan < *barn-jan ‚[ver]brennen‘). Um-
laut der Stammsilbe wurde im Obd. verhindert
durch das germ. -h-, s. Braune, Ahd. Gr.¹³ § 27
Anm. 2 c.
Kluge, Nom. Stammbildung³ § 71 und 144; Wilmanns,
Dt. Gr. II § 274, 3; Sievers-Brunner, Ae. Gr.³ § 278, 2;
Campbell, OE Gr. § 579, 2.