ahta f. ō-St. ‚Überlegung, meditatio; Urteil,
Meinung, iudicium; Ansehen, Achtung, aestima-
tio‘; ahtôn 〈Var.: acht-, haht-〉 sw. v. II ‚nach-
denken, überlegen, deliberare, meditare, perpen-
dere‘. — Mhd. aht(e), ahten; nhd. Acht, achten.
Ahd. Wb. I, 72. 80 ff.; Schützeichel³ 3; Starck-Wells
18; Graff I, 105 ff. 108; Schade 7; Lexer I, 30; Be-
necke I, 15 f.; Dt. Wb. I, 165 f. 167 ff.; Kluge²¹ 6; Ra-
ven, Schw. Verben d. Ahd. II, 4 f. — E. Öhmann, Neu-
phil. Mitt. 66 (1965), 517 ff.
As. ahtōn, ahtōgean ‚achten auf, erwägen‘;
mndd. acht(e) f. ‚Aufmerksamkeit, Achtung;
Gerichtsversammlung‘, achten ‚glauben, erwä-
gen‘; mndl. achte f. ‚Aufmerksamkeit, Überle-
gung‘, achten ‚überlegen, meinen‘; nndl. acht
‚Aufmerksamkeit‘, achten ‚überlegen, meinen‘;
afries. acht(e) f. ‚Gerichtshof, Urteilsvorschlag‘;
achta, echta sw. v. ‚Rechtsweisung abgeben; ta-
xieren‘, achtia sw. v. ‚sich beraten‘, achtene, ech-
tene f. ‚Rechtsweisungspflicht, Anpfändung, ta-
xiertes Wertobjekt‘; ae. eaht, æht f. ‚Überle-
gung‘, eahtian ‚erwägen, beachten‘ (me. atlien,
attelen, ettlen ‚intend, plan, arrange‘; ne. mdartl.
ettle, eckle ‚dss.‘ aus dem Skand. entlehnt); aisl.
ǽtla (< *ahtilōn) ‚meinen, glauben, vorhaben‘,
nisl. ǽtla, nnorw. etle, esle, nschwed. mdartl.
ättla; aus dem Mndd. entlehnt aisl. akta ‚auf et-
was achten‘, nisl. nschwed. akta, nnorw. akte,
ndän. agte.
Diese Formen sind t-Erweiterungen des germ.
Stammes *ah- in got. aha ‚Sinn, Verstand‘, ah-
jan ‚meinen‘, inahs ‚verständig‘, ahma ‚Geist‘.
Fick III (Germ.)⁴ 13; Holthausen, As. Wb. 1; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 6; Berr, Et. Gl. to Hel. 21; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 4 ff.; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. I, 3 ff.; Verdam, Mndl. handwb. 2; Franck,
Et. wb. d. ndl. taal² 8; Vries, Ndls. et. wb. 7; Holthau-
sen, Afries. Wb. 1; Richthofen, Afries. Wb. 588; W.
van Helten, Zfdt. Wortf. 7 (1905—06), 270 ff.; Holthau-
sen, Ae. et. Wb. 83; Bosworth-Toller, AS Dict. 226;
Suppl. 165; ME Dict. A—B, 492 f.; Björkman, Scand.
Loanwords 173; OED III, 315 f.; Vries, Anord. et.
Wb.² 4. 682; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 82 f. 937; Holt-
hausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 2. 355; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 17. 1415; Torp, Nynorsk et. ordb.
91; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 7. 1450; Fischer,
Lehnwörter d. Awestnord. 27; Feist, Vgl. Wb. d. got.
Spr. 15.
Außergerm. Beziehungen sind unsicher. Die
wegen der Bed. auf der Hand liegende Ablei-
tung von der idg. Wz. *oku̯- (**H₃eku̯-) ‚se-
hen, Auge‘ in gr. ὄμμα (< *ὄπμα < idg. *oku̯-
m) ‚Auge‘, ὄσσε (< *oku̯i̯e) ‚die Augen
(Dual)‘; ὄσσομαι (< *oku̯i̯o-) ‚ich sehe, ahne‘
usw. scheint durch got. aha statt *aƕa wider-
legt zu sein, obgleich in allen anderen Wörtern
Verlust des Labialelements ganz in Ordnung
wäre (→ agawisfirinri, ouga und vgl. Zupitza,
Germ. Gutturale 72; H. Osthoff, IF 27 [1910],
175; Streitberg, Urg. Gr. § 117, 4, 2: idg. ku̯ >
„germ. h vor idg. o und ō, germ. u und ū, sowie
vor Konsonanten und im Auslaut“; Brugmann,
Grdr.² I § 674. 682). Nach Zupitza, Germ. Gut-
turale 72, hat got. aha bloßes h statt ƕ nach ah-
jan (man könnte wohl auch ahma hinzufügen),
was Walde-Pokorny für „nicht wahrscheinlich“
halten (I, 169); dennoch konnte diese Analogie
vielleicht dadurch gefördert werden, daß sonst
*aƕa ‚Sinn, Verstand‘ und aƕa ‚Fluß‘ homonym
gewesen wären.
Verlust des Labialelements vor idg. * in einigen Ka-
susformen und analog. Verbreitung durch die ganze
Dekl. (vgl. H. Osthoff, PBB 8 [1882], 261 f., der Ähn-
liches für ‚Auge‘ vorschlägt) ist auch möglich, aber
angesichts der vielumstrittenen Endungen der n-St.
(bes. im nom. sg.) schwer zu beweisen.
C. C. Uhlenbeck, PBB 27 (1902), 115, hat ur-
germ. *ah- zu gr. ὄκνος ‚Bedenklichkeit, Zau-
dern‘ (urspr. Bed. ‚Überlegung, Nachsinnen‘?),
ὀκνέω ‚zaudere‘ gestellt, eine Etymologie, die
auch von Walde-Pokorny I, 169, Pokorny 774,
Kluge²¹ 6 (der auch toch. B āks- ‚wach sein‘
hierher stellt; s. auch Windekens, Lex. ét. tokh.
11; anders, Le tokharien 159), Vries, Anord. et.
Wb.² 682, Jóhannesson, Isl. et. Wb. 82 f. u. a. ge-
billigt wurde. Dann müßte man eine idg. Wz.
*ok- ‚überlegen‘ neben *oku̯- ansetzen. E.
Benveniste, BSLP 35 (1935), 102 f., hat aber
versucht, gr. ὄκνος mit heth. ikniyant- ‚lahm‘
zu verbinden (< heth. *ekn- im Ablaut zu gr.
*okn-), was die Bedeutungsentwicklung von gr.
ὄκνος ganz anders gestalten und eine Verbin-
dung mit germ. *ah- ausschließen würde. Seine
Etymologie hielt G. Neumann, Unters. z. Wei-
terleben heth. u. luw. Sprachgutes 20, für „erwä-
genswert, wenn auch nicht ... positiv entscheid-
bar“; dagegen Tischler, Heth. et. Gl. 350; Puh-
vel, Hitt. Et. Dict. I—II, 354; W. Cowgill (briefl.),
E. Hamp (briefl.). Deshalb muß die Etymologie
von gr. ὄκνος unsicher bleiben (Frisk, Gr. et.
Wb. II, 373 f.: „isoliert“; Chantraine, Dict. ét. gr.
790: „ét. obscure“).
Fr. Specht hat zweimal versucht, das Problem von
germ. *ah- zu lösen: zuerst in Voretzsch-Festschrift 42,
wo er got. aha und ahma als „Sprachformen eines
einzigen Paradigmas“ deutet, eine Erklärung, die er
später, Zfvgl. Spr. 62 (1934—35), 210 ff., zurückgenom-
men hat. Ebenda hat er aufgrund von akymr. ocet
‚Egge‘ zu beweisen versucht, daß die idg. Wz. mit der
Bed. ‚Auge‘ beide Formen, sowohl *o- wie *oku̯-
aufweise. Da aber ocet eher zur Wz. *a- ‚scharf‘ ge-
hört, ist auch dieser Versuch als mißlungen zu be-
zeichnen (Pokorny 22: „unglaubhaft“).