*ahtozo Kard.zahl ‚achtzig‘ 〈ahttozo Gl. 1,
262, 19; hahtozo Gl. 1, 735, 39, beide 8. Jh.,
alem.〉; auch ahtozug ‚dss.‘ 〈Var.: aght-zhogh, ah-
zog, -zoc[h], -zig, -zeg, -zech〉. — Mhd. ahzeg,
achtzeg (einmal zachzig, s. u.). — Nhd. achtzig.
Ob das z in ahtozo den gesetzmäßigen intervokali-
schen Spiranten oder, in Anlehnung an sibunzo,
*niunzo, zehanzo, eine Affrikate darstellt, läßt sich
nicht entscheiden; vgl. Schatz, Ahd. Gr. § 179.
Ahd. Wb. I, 87 f.; Schützeichel³ 3; Starck-Wells 18;
Graff I, 138; Schade 7; Lexer I, 32; III, 1017
(zachzig); Benecke III, 857; Dt. Wb. I, 172. — Braune,
Ahd. Gr.¹³ § 273; Wilmanns, Dt. Gr. II § 435.
Die ahd. mit -zo gebildeten Kardinalzahlen ge-
hören alle dem 8. und 9. Jh. an (vgl. G. Müller,
PBB 84 [Halle, 1962], 43 ff.); einzelne Reste
dieser Formen sind aber in Urkunden aus dem
14. Jh. und in Glossarien aus dem 15. Jh. noch
belegt: suwinz, sibincz usw. (vgl. H.-Fr. Rosen-
feld, Wiss. Zs. d. Univ. Greifswald, Gesellsch. u.
sprachwiss. Reihe, Jg. 6 [1956—57], Nr. 3, 193 f.;
Paul, Mhd. Gr.²⁰ § 152 Anm. 3). Schon im 9. Jh.
tritt in den meisten Denkmälern -zug, -zog an
die Stelle von -zo; in den oberen Zehnern er-
scheint -zig erst im 11. Jh., obgleich es einmal
schon im 9. Jh. in zueinzicozstin (Bened.regel)
belegt ist. Notker gebraucht meistens die abge-
schwächte Form -zeg (neben -zig). G. Müller,
a.a.O., bezeichnet -zig als „einen Eindringling
aus dem Norden“.
Die germ. Zehner von 30 bis 60 sind von jeher
allgemein als germ. Neubildungen anerkannt,
die aus den Kardinalzahlen 3—6 und einer Form
von ‚zehn‘, germ. *teu- bestehen: vgl. z. B. got.
saihs tigjus, as. sextig, ahd. sehzug ‚60‘. Germ.
*teu- ist vielleicht aus dem Dat. Pl. von idg.
*de(t), germ. *teun(d)miz, entstanden (→
zehan); so Brugmann, Grdr.² II, 2 § 30; Szeme-
rényi, Stud. in IE Numerals 41 ff.; Kieckers,
Handb. d. vgl. got. Gr. 80. 177; nach A. S. C.
Ross, TPS 1954, 120 ff., aus dem Zusammenfall
verschiedener Kasusformen von *de(t). An-
ders Schulze, Zur Gesch. lat. Eigennamen 545 f.:
wie lat. decuria ‚Zehntschaft, (Zehner)abtei-
lung‘, umbr. dequrier, tekuries ‚decuriis, Fest der
Dekurien‘, osk. (via) Dekkvíarím ‚(viam) Decu-
rialem‘, viell. umbr. tekvias ‚Zehntel(?)‘ (Bed.
und Bildung nicht sicher; vgl. Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. I, 328), zu einem sonst nicht beleg-
ten idg. u-St. *deu-; zustimmend Pokorny
191 f.; Meillet, Caractères généraux⁷ 225 f.; Er-
nout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 166; Benveniste, Ori-
gines 37; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 150.
Das u in ahd. -zug ist ungeklärt (vgl. auch aisl.
tugr, togr neben tigr, tegr, tøgr); vielleicht ist es
durch Assimilation an die Endung -u- im
schwach betonten germ. Suffix *-teu- entstan-
den (Wilmanns, Dt. Gr. II § 435, 1; Heusler, Aisl.
El.buch⁷ § 117 Anm. 1; vgl. auch A. M. Sturte-
vant, JEGP 27 [1928], 371—82. Abzulehnen E.
Sievers, PBB 16 [1892], 236 f. [< ǝ]; Ross,
a.a.O. [< ь]).
Dagegen zeigen die Zehner von 70 bis 100
(bzw. 120) urspr. völlig abweichende Formen,
die sich aber allmählich denen der unteren Zeh-
ner anpassen. So läßt sich die ältere ahd. Form
*ahtozo mit as. (ant)ahtoda (s. u.) vergleichen,
während ae. (hund)eahtatig die analogische En-
dung aufweist, die auch in den as. Nebenfor-
men ahtedeg, ahtodoch, ahd. ahtozug usw. er-
scheint und afries., mhd., mndd., mndl. allein
auftritt (s. u.). Auch das Anord. bietet schon ein
einheitliches Zehnersystem (átta tigir wie sex ti-
gir usw.). Ein Rest des alten Einschnitts in der
Zehnerreihe ist in den anord. Zahladjektiven,
die Alter und Maß bezeichnen, noch sichtbar:
diese werden bis 60 ausnahmslos mit -tøgr (z. B.
sextøgr ‚sechzigjährig‘), von 70—120 aber mit
-rœðr (z. B. áttrœðr ‚achtzigjährig‘) gebildet
(vgl. Rosenfeld, a.a.O. 190; Th. Frings, PBB 84
[Halle, 1962], 9 f.).
Wie sich got. ahtautēhund (vgl. auch sibuntē-
hund ‚70‘, niuntēhund ‚90‘, taihuntēhund ‚100‘)
zu den wgerm. Formen verhält, ist unklar. Vom
got. Standpunkt allein läßt sich das Wort ent-
weder als ahtau-tēhund oder ahtautē-hund inter-
pretieren. Nach der ersten Deutung, die vor al-
lem durch J. Schmidt, Urheimat d. Indogermanen
24 ff. vertreten wird, wäre das Wort als ein sub-
stantiviertes dehnstufiges Adj. mit der Bed.
‚eine aus acht Dekaden bestehende Zahl‘ aufzu-
fassen; vgl. got. fidur-dōgs ‚viertägig‘ (zu dags
‚Tag‘) und aind. çatá-çārada- ‚hundert Herbste
gewährend; Alter von hundert Jahren‘ (zu ça-
rád- ‚Herbst, Jahr‘). Diese Auffassung würde
aber die got. Formen von den westgerm. tren-
nen, für die dann eine andere Erklärung gefun-
den werden müßte.
J. Schmidt, a.a.O., geht von dem nur einmal belegten
got. Ausdruck fimf hundam taihūn-tēwjam (dat. pl., I.
Kor. 15, 6) ‚5 dekadische Hundert (im Gegensatz zum
Großhundert)‘ aus und setzt eine aus ähnlichen Wör-
tern für ‚100‘ und ‚120‘ entstandene konkurrierende
westgerm. Dekadenbildung auf *-tǣw- ‚Reihe, Ord-
nung‘ (> ahd. [*hunt]zehanzo usw.) voraus. Sehr
zweifelhaft.
Ein got. ahtautē-hund ließe sich dagegen mit
den westgerm. Formen ahd. ahtozo, as. ant-ah-
toda, ae. hund-eahtatig vergleichen, indem das
dekadenbildende Element germ. *-hund (idg.
*-[d]t-) im Ae. und As. vorangestellt wurde,
im Ahd. wegfiel. Ein Rest dieses vorangehen-
den Elements ist noch in dem t- von afries.
(t)achtich neben achta(n)tich (vgl. auch tniogen-
tich ‚90‘); mndd. (t)achtentich (vgl. auch tseven-
tich, tnegentich); mndl. (t)achtich, tach(t)entich
(vgl. auch tseventich, tneghentich), nndl. tachtig
zu erkennen (vgl. Lasch. Mndd. Gr. § 398
Anm. 2; Franck, Mndl. Gr. § 233). Es ist aber im
me. eigh(te)ti, ne. eighty, wie im Dt. spurlos ver-
schwunden.
Wegen der mhd. Form zachzig und den tirol. und
kärnt. Formen dachzig, dochtsk, hat Rosenfeld, a.a.O.,
behauptet, Ahd. habe auch ein vorangestelltes *-hund
gekannt, aber der Dental, der nur in diesem Wort er-
scheint — vor folgendem Vokal —, nicht etwa in den
Wörtern für 70 oder 90, läßt sich auch anders erklä-
ren (d- aus dem vorangehenden und von ‚einundacht-
zig‘ usw.; z- aus ze-). Vgl. Th. Frings, a.a.O., 30. 34 f.
42 Anm. 5; Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa. 8; Kranzmayer,
Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. I, 61; Lexer, Kärnt.
Wb. 3.
Die Endungen got. -tē, ahd. -zo, as. -ta (vgl.
[ant]siunta; -da in [ant]ahtoda ist wohl von
der Ordinalzahl beeinflußt; → ahtdo) entbeh-
ren aber immer noch eine befriedigende Erklä-
rung. Trotz einiger phonologischer Schwierig-
keiten am wahrscheinlichsten Gen. Pl.: ‚ein
Achter-Hundert‘ (so Brugmann, Grdr.² II, 2
§ 29; F. Sommer, Sitz.ber. d. Bayer. Akad. d.
Wiss. 1950, Nr. 7). Anders A. Holtzmann, Ger-
mania I (1856), 217 ff.; H.-Fr. Rosenfeld, a.a.O.
(Ordinalendung); Szemerényi, Stud. in IE Nu-
merals 33 ff. (phonologische Neugestaltung der
idg. Zahlen unter dem Einfluß von *fimfēhund
und *ahtōhund); R. Lühr, Mü. Stud. z. Spr.wiss.
36 (1977), 59 ff. (-te-, -to- = ‚zu, in Bezug auf‘;
z. B., got. sibun te hund = ‚7 [Einheiten] zu [in
Bezug auf] Hundert‘).
W. Cowgill (briefl.) schlägt einen Kompromiß zwi-
schen den beiden Haupttheorien vor: ein urspr. Ty-
pus got. ahto-tēhund wurde im Wgerm. als ahtotē-
hund umgedeutet.
Auch unerklärt bleibt der nicht nur im Germ.
wahrzunehmende Bruch im Zehnersystem zwi-
schen 60 und 70. Obgleich die alte Hypothese
babylonischen Einflusses wohl nicht mehr ernst
zu nehmen ist (vgl. bes. Sommer, Rosenfeld,
a.a.O.), sind die geistreichen Versuche Som-
mers und Szemerényis, die verschiedenen Bil-
dungen analogisch zu erklären und einen Bruch
überhaupt zu leugnen, auch nicht völlig über-
zeugend. Zur ganzen Frage der möglichen Zah-
lensysteme, die diesem Bruch unterliegen mö-
gen — Duodezimalsystem, verschiedene im
Klein- und Großhandel gebrauchte Rechensy-
steme usw. — vgl. Rosenfeld, a.a.O. 206 ff.;
Frings, a.a.O. 10 f.
Holthausen, As. Wb. 1; Sehrt, Wb. z. Hel.² 33; Berr,
Et. Gl. to Hel. 31; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I,
1, 6; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 7; IV, 503; Ver-
dam, Mndl. handwb. 6. 594; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 685; Vries, Ndls. et. wb. 719; Holthausen, Afries.
Wb. 1; Richthofen, Afries. Wb. 587; Bosworth-Toller,
AS Dict. 566; Suppl. 570 f.; ME Dict. E—F, 44; OED
III, 63; Vries, Anord. et Wb.² 457 (-rœðr). 588 (-tigr);
Jóhannesson, Isl. et. Wb. 478 (-tigr); Feist, Vgl. Wb. d.
got. Spr. 18. 417 f.