*alôdi
Band I, Spalte 165
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*alôdi n. ja-St. Hinterlassenschaft, Nachlaß
an fahrender, vererbbarer Habe
, einmal belegt
in dem Bruchstück einer ahd. (ostfrk.) Überset-
zung der Lex Salica, Anfang 9. Jh., Titel 62 (59)
De alode fon alode dat. sg., Steinmeyer,
Spr.denkm. 55, 2; MSD I⁴ Nr. 65 und II⁴, 361 ff.;
Pactus legis salicae, MGH: Leges, Sect. I, Bd. 4,
Teil I (ed. K. A. Eckhardt, Hannover, 1962), S.
12 f. (Karolina-70-Titelfassung). Seit dem
10. Jh. als Fremdwort empfunden und ver-
deutscht, meist durch eigen, s. Gl. 2, 379 Anm.
10; 3, 351, 31; 4, 31, 56 und 167, 1. Erst im
19. Jh. in der Form Allod n. wieder üblich im
wissenschaftlichen Sprachgebrauch.

Ahd. Wb. I, 232 f.; Graff I, 220. 237; Schade 11; Die-
fenbach, Gl. lat.-germ. 24; Dt. Wb. I, 238; Kluge²¹ 15;
Dt. Rechtswb. I, 486 ff.

Die germ. Herkunft des Wortes, das F. J. Mone
in der Zfd. Gesch. d. ORh. 1, 36 ff. 1850 zum er-
sten Mal veröffentlichte, wurde anfangs von
K. Müllenhoff u. a. bezweifelt, vor allem wegen
des inl. -d-, statt dessen man im ostfrk. Alt-
hochdt. ein -t- erwartete; denn die Überset-
zung, die wahrscheinlich aus Fulda stammt
(Steinmeyer), hat sonst ostfrk. Lautstand (Eh-
rismann, Gesch. d. dt. Lit. I, 352 f.). Wie jedoch
R. Schröder nachgewiesen hat, ZfRechtsgesch.,
Germ. Abt. 15 (1883), 43, galt salisches Recht
auch in Ostfranken: so sieht man darin wohl
mit Recht ein Nachwirken des mfrk. Ursprungs
der Übersetzung (s. J. Grimm, Dt. Rechtsalt.⁴ II,
4). Dazu stimmt, daß die latinisierten Formen
dieses rechtlichen Terminus, die auch in bair.,
alem., thür. Quellen sehr häufig erscheinen,
durchweg mit inl. -d- geschrieben werden:
al(l)odis f. (auch m.), daneben alodus, später
alod(i)um, die seit dem 11. Jh. in Abgang gera-
ten, endlich allgemein allodium; von den ro-
man. Formen werden afrz. alue(d), nfrz. al(l)eu,
sowie indirekt katal. alou und mndl. alloy auf
frk. *alōd, dagegen aprov. alodi, alo, aloc, span.
port. alodio, italien. allodio auf mlat. a(l)lodium
zurückgeführt.

Mittellat. Wb. I, 494 ff.; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr.
528; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 376a; Wart-
burg, Frz. et. Wb. I, 75; XV, 17 f.; Gamillscheg, Et.
Wb. d. frz. Spr.² 29 f.; Verdam, Mndl. handwb. 36.

Wie diese Formen durchblicken lassen, handelt
es sich letzten Endes um ein westgerm. Komp.
*al-ōdi, dessen zweites Glied zu as. ōd Besitz,
ahd. *ôt (s. d.) und davon abgeleitet ôtag reich,
opulentus
gehört (s. d.), mit der in Zss. belieb-
ten -j-Erweiterung wie in ahd. abgrunti zu
grunt, lat. decennium zu annus (s. Wilmanns,
Dt. Gr. II § 189; Kluge, Nom. Stammbildung³
§ 76). Streng genommen wäre als nom. sg. eine
Form *alôdi anzusetzen (Braune, Ahd. Gr.¹³
§ 119 und 198 Anm. 1); für den hier allein be-
legten Dat. Sg. eines ja-St. ist -e (nicht -ie) im
9. Jh. die Regel (Braune, ebd. § 198 Anm. 1).
Diese verschiedenen Dekl.endungen erklären
die variierende Klassifikation des latinisierten
Wortes (-is, -us, -[i]um).

Die bei J. Grimm, Dt. Rechtsalt.⁴ II, 4 aufgeführten
Formen ags. *æl-ēad, anord. *al-auðr sowie das got.
*al-auds (*al-auþs?), das er aufgrund der in ehemals
westgot. Gegenden seit dem 9. Jh. vorkommenden
Formen alaudis, -dum vermutete, entsprechen schwer-
lich den historischen Gegebenheiten, sondern nur der
damaligen Tendenz, Wörter und Sachen, insbeson-
dere auch rechtliche Institutionen, die für ein Teilge-
biet der Germanen überliefert waren, in gemein- und
urgerm. Zeiten zurückzuprojizieren. Vgl. auch
Meyer-Lübke, a.a.O.: Akatal. alaude, aloude neben
alode kann nicht wohl eine got. Form sein, sondern
ist Latinisierung von alou, dessen u aus d entstanden
ist.

Das erste Komp.glied al (s. d.) bedeutet (voll
und) ganz
, wohl in dem rechtlichen Sinne, daß
die fahrende Habe, auf die sich westgerm. *al-
ōd-i ursprünglich bezog, im Gegensatz zum
liegenden Gut dem Verfügungsrecht des Ein-
zelnen ohne jede Einschränkung unterlag (so
schon J. Grimm, a.a.O.; Dt. Rechtswb. I, 487 f.;
F. Mezger, Zfvgl. Spr. 82 [1968], 289 ff. und vgl.
frz. francalleu). Erst im Laufe der Zeit scheint
*alôdi, allodium das ganze Vermögen, d. i.
Fahrnis sowohl wie Grundbesitz, einbegriffen
zu haben, mit Vorliebe in Fällen, da von Nach-
laß die Rede war (= hereditas aviatica) und im-
mer häufiger im Gegensatz zum erworbenen
Gut (comparatum oder adtractum), wie etwa in
der Lex Ribvaria (MGH: Leges, Bd. 3, Teil II,
105 Kap. 57) und gerade auch in dem obener-
wähnten Titel der Lex Salica.

Die einst von W. Braune (Zfrom.Ph. 10 [1886], 266)
vorgeschlagene Zurückführung von al- auf *aþal- ist
aus sprachlichen und sachlichen Gründen abzuleh-
nen; auch sind die dort herangezogenen namenkund-
lichen Fälle phonologischer Kontraktion nicht ohne
weiteres auf sprachliche Appellativa zu übertragen
(vgl. Gamillscheg, a.a.O., 29 f.).

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