alamuosaAWB f. ō- und n-St. (zum Ansatz s. Ahd.
Wb. I, 184); auch alamuosanAWB n. a-St. ‚Almosen,
Kirchenopfer, elemosyna, misericordia, agape‘
〈Var.: alamosan, -musan, alemuosan, almuosen〉. —
Mhd. almu(o)se st. f., almusene st.sw.f.,
almu(o)sen (auch armuosen, unter Anlehnung an
arm) st. n. — Nhd. Almosen n.
Ahd. Wb. I, 184 f.; Schützeichel³ 4; Starck-Wells 20;
Graff I, 238 f.; Schade 9; Lexer I, 40 f.; Nachtr. 17;
ders., Mhd. Taschenwb.³¹ 3; Benecke I, 24; Dt. Wb. I,
244 f.; Kluge²¹ 15.
Dieses Lehnwort aus der lat. Kirchensprache
über das Galloroman. (s. u.) ist in alle west-
germ. Sprachen eingedrungen: as. alamōsna,
*al(e)mōsa (Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 42, 6.
43, 1. 167: dat. pl. al[e]mōson) f., mndd. almōse,
-muse, al(e)misse f. und n.; mndl. aelmoese(ne),
al(e)mosene, aelmis(se) f., nndl. aalmoes; afries.
elmisse, ielmisse (vgl. W. L. van Helten, IF 7
[1897], 338); ae. ælmesse, -mæsse, -mysse f., me.
almes(se), ne. alms. Aisl. ǫlmusa, almusa f. (nisl.
ölmusa, nnorw. olmosa, ält. dän. almuse,
nschwed. almosa) ist wohl aus dem As. entlehnt
(kaum aus dem Ahd., wie Falk-Torp, Norw.-
dän. et. Wb. 21 f.; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 938
meinen; vgl. Vries, Anord. et. Wb.² 686; Fischer,
Lehnw. d. Awestnord. 66; Kahle, Anord. Spr. im
Dienste d. Christ. 317); ndän. nnorw. (Bokm.)
almisse stammen von mndd. almisse.
Ursprünglich auf gr. ἐλεημοσύνη ‚Mitleid, Er-
barmen‘ zurückgehend, das in der Kirchenspra-
che auch die Bed. ‚Almosen‘ erhielt und in die-
ser Bed. ins Lat. als ele(e)mosyna entlehnt
wurde, hat das Wort im Laufe seiner Ge-
schichte mehrmals volkset. Umgestaltungen er-
litten. Die roman. Grundform *al(e)mos(i)na,
die z. B. in aspan. prov. almosna, afrz. almosne
(nfrz. aumône) erscheint und auch ins Kelt. ent-
lehnt wurde: air. almsan, kymr. alwysen, alusen,
-on, korn. alusen, bret. aluzen, -on f. (vgl. Peder-
sen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr. I § 98), hat ihr anlau-
tendes a aus Kontamination mit irgend einer
Ableitung von lat. alere ‚(er)nähren‘, wohl ali-
mōnium ‚Nahrung‘. Als das Wort dann aus dem
Galloroman. ins Dt. kam, ist noch einmal mit
dem Einfluß des Begriffs ‚Nahrung, Speise‘ zu
rechnen, denn das lange ō (> ahd. uo) stammt
wohl von dem germ. Wort *mōsam, ahd. muos
n. ‚Speise‘ (s. d.). Auch die im Ahd. normale
Schreibung ala- deutet vielleicht auf eine Iden-
tifizierung mit dem Präfix ala- ‚all, ganz‘ (→
al); das Almosen wäre dann als ‚die allgemeine
Speise‘ zu verstehen!
Anders W. L. van Helten, Zfdt. Wortf. 10 (1908—09),
197 ff.: als *ala(h)-muosa(n) ‚Tempelspeise‘ verstan-
den. — Ob in den mndd. mndl. afries. Formen auf
-misse, ae. -messe (selten -mæsse) volkset. Anlehnung
an das Wort ‚Messe‘ (so, mit Ausnahme des ae. Wor-
tes, van Helten, a.a.O.) oder bloß eine Schwächung
des roman. ŏ in einer schwach betonten Silbe anzu-
nehmen ist (so Vries, Ndls. et. wb. 2; s. auch unten),
läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Vgl. auch
Pogatscher, Gr., lat. u. rom. Lehnw. im Ae. § 17. 27.
38. 74. 237; Campbell, OE Gr. § 511. 544, 3.
Die phonologischen Varianten dieses Wortes
sind (z. T. vielleicht schon im Roman. vorhan-
denen) Schwankungen in der Behandlung der
Nebensilben, dissim. Vorgängen, sowie den
oben erwähnten volksetymologischen Einflüs-
sen zuzuschreiben. Verlust des -n z. B. in ahd.
alamuosa kann als dissim. Schwund vor Nasal-
lauten, besonders in der schwachen Deklination
(vgl. as. dat. pl. al[e]mōson neben alemo[n]-
snon [Wadstein, a.a.O. 35, 3]), aber auch als
Vereinfachung der Kons.verbdg. -sn- (in An-
lehnung an mōs, muos?) erklärt werden. Das
ahd. apokopierte Neutrum alamuosan ist viel-
leicht ein neugebildeter Nom. nach den obl.
Kasus alamuosn-, wie zeichan, zeichn-; das Ge-
nus könnte auch noch von muos beeinflußt
worden sein (so van Helten, a.a.O. 198).
Holthausen, As. Wb. 2; Sehrt, Wb. z. Hel.² 9. 736;
Berr, Et. Gl. to Hel. 24; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. I, 1, 59 f.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 58;
Verdam, Mndl. handwb. 7; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 2; Vries, Ndls. et. Wb. 2; Richthofen, Afries. Wb.
600; Holthausen, Ae. et. Wb. 11; Bosworth-Toller, AS
Dict. 15; Suppl. 16; ME Dict. A—B, 210 ff.; OED I,
247; Frings, Germania Romana² II, 88 f. — Meyer-
Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 2839; Wartburg, Frz. et.
Wb. III, 211 f.; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. A—62 f.
In den heutigen dt. Mdaa. sind sowohl fem. als auch
neutr., niederrhein. sogar mask. Formen (ermes[e])
vorhanden; vgl. Schweiz. Id. I, 192; Ochs, Bad. Wb. I,
34; Fischer, Schwäb. Wb. I, 146 f.; Follmann, Wb. d.
dt.-lothr. Mdaa. 7 (almose). 13 (armes); Luxemb. Wb.
I, 8 f.; Müller, Rhein. Wb. I, 126; Maurer-Mulch, Süd-
hess. Wb. I, 195.
Im 16. Jh. war almsen (auch armsen) die obd., almū-
sen die md. Form. Luther hat mehrmals die md. Form
gebraucht, aber häufiger almosen geschrieben, entwe-
der in Anlehnung an das gr. Grundwort ἐλεημοσύνη
oder unter ndd. Einfluß oder beides. Ihm ist wohl der
schnelle Sieg der o-Form zu verdanken. Vgl. H. Bach,
Handb. d. Lutherspr. I (1974), § 22, 3; Trübners Dt.
Wb. I, 63 f.; Paul, Dt. Gr. I § 80; Moser, Frühnhd. Gr.
§ 81 Anm. 29.
Neben dem ahd. volkstümlichen alamuosa(n)
wird auch ein gelehrtes, unmittelbar der lat.
Kirchensprache entnommenes elemosyna, -sina,
elimuosina f. ō-St. (Otfrid, Notker, Ps.gl.)
belegt; es entstanden auch Kontaminationsfor-
men wie elemsines, elimyosun: s. Ahd. Wb. III,
253.
Gr. ἐλεημοσύνη ist eine Ableitung von ἐλεήμων
‚mitleidig‘ zum Verbum ἐλεέω ‚fühle Mitleid‘ aus
ἔλεος ‚Mitleid, Erbarmen‘; ἔλεος selbst ist ety-
mologisch unerklärt. Nach Frisk, Gr. et. Wb. I,
490; Chantraine, Dict. ét. gr. 336; Pokorny 306
ist die Abstammung von einer Interjektion oder
‚Schallwurzel‘ möglich; vgl. gr. ἐλελεῦ ‚Weh-
oder Kriegsruf‘. Ältere Lit. bei Boisacq, Dict. ét.
gr.⁴ 241.