*altherdaAWB (?) f. ō- (auch n-)St., einmal belegt
Gl. 1, 208, 30 in K, der St. Galler Hs. 911, Ende
des 8. Jh.s, alem.: al therda und zwar in folgen-
dem Zusammenhang: irthiski (Hs. Ra irdiski)
himil enti al therda (das ausl. -a aus -e korri-
giert), eine Glossierung zu lat. muntus (Ra
mundus) cęlum uel omnia (omnia fehlt in Ra)
terra. Es war R. Koegel, der *alt-herda parallel
zu alt-wigki 1, 87, 16 lesen wollte (→ altwiggi)
mit „unorganischem“ h für *alt-erda (Keron.
Gl. 129) und das so konstruierte Komp. als
‚Menschen-Erde‘ interpretierte (Lit.gesch. I, 2,
434) in Anlehnung an as. eldi-barn ‚Menschen-
kinder‘ (s. Sehrt, Wb. z. Hel.² 94; vgl. auch lang-
ob. aldius ‚Halbfreier‘, W. Bruckner, PBB 17
[1893], 573 ff. sowie W. H. Vogt, PBB 58
[1934], bes. 54 ff.).
Demgegenüber vermutete E. Karg-Gasterstädt,
PBB 72 (1950), 297 f. hinter dem „bösen Feh-
ler“ von omnia terra eine größere Korruptel,
meinte, die ganze Stelle müsse, „in Ordnung ge-
bracht“, heißen: mundus coelum [et] terra vel
omnia, und dem entsprechend die dt. Überset-
zung *irthiski himil enti erda [e]th[o] al, —
wohlverstanden, die letzten drei Worte in ge-
nau der umgekehrten Reihenfolge des in K
überlieferten al therda! Auch ging es nicht an,
in dem anl. th- von therda den Rest von etho =
vel zu erblicken, eine Kürzung, die trotz der
unzähligen Belege von edho, daneben etho und
&ho, weder in K noch sonstwo im ganzen adt.
Schrifttum begegnet (→ edo). Ganz zu schwei-
gen von den gewagten textkritischen Manipula-
tionen, zu denen sich Karg-Gasterstädt weiter-
hin veranlaßt sah!
Versucht man statt dessen mit dem Überliefer-
ten auszukommen und läßt man auch der ein-
deutigen Wortteilung in al und therda ihr
Recht, so stehen jedenfalls ahd. al und -erda
unzweifelhaft für omnia (trotz des „bösen Feh-
lers“) und terra des lat. Textes; nur th- scheint
zunächst problematisch, da man in Glossierun-
gen Wiedergabe von Wort zu Wort und mög-
lichst ohne Zusätze erwartet — mit Ausnahme
des bestimmten Artikels, für den es ja im Lat.
keine Entsprechung gab. Und gerade ein sol-
cher Fall wird hier vorliegen, wenn anders in
dem th- von therda sich die apokopierte, weil
als Artikel unbetonte Form des anaphorischen
Pronomens ther, nom. sg. f. thiu verbirgt, die
als the, jünger de — aber auch als f. thiu, jünger
diu — mit dem anl. Vokal des Folgewortes kon-
trahiert wurde, so bei Otfrid in thundâti (Cod.
Freis. für thio undâti) und thēvangēlion (für thie
ē.), s. Franck, Afrk. Gr. § 176, 2, und gar zwei-
mal in der Form derda statt die erda in Meri-
garto I, 1—2 und II, 6. (S. auch Braune, Ahd.
Gr.¹³ § 287 Anm. 2; Schatz, Ahd. Gr. § 421, S.
274; Baesecke, Einf. in d. Ahd. § 100). Daß anl.
th- (für späteres d-) in der besonders frühen St.
Galler Hs. 911 noch bei weitem überwiegt, hat
Koegel, Keron. Gl. 118 (und Tabelle S. 122)
dargetan, und zwar im Verhältnis von 257 (th-)
zu 71 (d-). Gerade in der Glossierung der häu-
figen Verbindung omnis terra ist im Ahd. der
eingeschobene best. Artikel vielfach belegt, so
dreimal alliu diu erda bei Notker, auch dreimal
alliu diu werlt, einmal sogar alliu de werlt Not-
ker, Ps. gl. 17, 44 (s. Ahd. Wb. I s. v. al Sp.
162 f.); ferner mit unflekt. al: al die werlt Will.
39, 8 und öfter (ebd. 122). Übrigens ist die Ge-
läufigkeit des Ausdrucks omnis terra ein weite-
rer Grund gegen Koegels Annahme, daß der
Glossator sich zu dem sonst nirgends bezeug-
ten *alt-(h)erda geflüchtet habe, während das
Festhalten an der Identifizierung von ahd. al
mit lat. *omnis (omnia) das bleibende Verdienst
von Karg-Gasterstädts Gegenargumenten (kein
ahd. *alti- = as. eldi- ‚Menschen‘) sein dürfte.