anadoAWB, anto¹AWB 〈ando〉 m. n-St. ‚Nacheiferung,
Neid, Mißgunst, Erregung, zelus‘. Auch anto²AWB
m. n-St. ‚Eiferer, zelotes‘; anadônAWB, antônAWB 〈andôn〉
‚eifern, sich ereifern, zornig werden, zelo‘. —
Mhd. ande, ant m. f. ‚Kränkung, schmerzliches
Gefühl‘, ande m. ‚Feind‘ (Gottfrieds Tristan),
anden ‚ahnden, rügen, rächen‘. — Nhd. ahnden;
veraltet (schon im 18. Jh. erloschen) und
mdartl. a(h)nd, ant, fast nur in gewissen Re-
densarten mit tun, sein, werden: ‚leid tun, weh
tun, schmerzlich sein usw.‘.
Es handelt sich hier um zwei verschiedene
Stammbildungen: urgerm. *anaþan-/*anđan-
mit gram. Wechsel, denn die Formen auf -ado
sind schon in obd. Quellen des 9. Jh.s belegt,
wo urgerm. *đ ein t hätte ergeben müssen. Da-
gegen zeigen die Formen ohne Mittelvokal nor-
male Entsprechungen eines urgerm. *đ und
zwar t in den meisten obd. Quellen, sowie bei
Otfrid, d besonders bei Notker, wo -nt- schon
> -nd-; vgl. Braune, Ahd. Gr.¹³ § 163 und
Anm. 2. 3. 5; zu den Formen mit -nd- in K, der
S. Galler Hs. des Abrogans, s. Braune, a.a.O.
Anm. 5.
Ahd. Wb. I, 416 f. 555 ff.; Schützeichel³ 9; Starck-
Wells 25. 31; Graff I, 267 ff.; Schade 15. 22; Lexer I,
55; Nachtr. 21; Benecke I, 34 f.; Dt. Wb. I, 192 f.
(ahnd, ahnden). 302 (and). 495 (ant); Trübners Dt.
Wb. I, 56 f.; Kluge²¹ 10; Raven, Schw. Verben d. Ahd.
II, 6. — Schweiz. Id. I, 300; Martin-Lienhart, Wb. d.
els. Mdaa. I, 48; Ochs, Bad. Wb. I, 45; Fischer,
Schwäb. Wb. I, 181; Schmeller, Bayer. Wb.² I, 97;
Kranzmayer, Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. I, 252 f.;
Müller, Rhein. Wb. I, 177; Christmann, Pfälz. Wb. I,
216; Maurer-Mulch, Südhess. Wb. I, 229; Ziesemer,
Preuß. Wb. I, 141.
Vergleichbar in Form und Bed. sind as. ando m.
‚Kränkung, Verdruß, Zorn‘, andōn ‚eifern‘;
mndd. ande ‚Kränkung‘ (vereinzelt), anden ‚ta-
deln, strafen, rächen‘; mndl. ande f. und n.
‚Zorn usw.‘, anden ‚ärgern, kränken usw.‘; ae.
onoða, anoða ‚Furcht, Grausen, Scheu, formido‘
(:ahd. anado), anda ‚Groll, Neid, Zorn, Eifer‘
(:ahd. anto), andian ‚neiden, eifersüchtig sein‘,
andig ‚neidisch, eifersüchtig‘. Aisl. Entspre-
chungen sind durchweg umstritten, aber wahr-
scheinlich hierher aisl. ǫnn f. ‚Mühe, Arbeit‘ (<
urg. *anþō), wohl nicht dasselbe Wort wie ǫnn
f. ‚Herbst‘ (vgl. got. asans, ahd. aran, s. d.) aber
von diesem beeinflußt (anders Hellquist, Svensk
et. ordb.³ 19 s. v. and²); anna ‚ausführen, fertig-
bringen‘; annast ‚sich bemühen, versorgen‘;
ansa, anza ‚sich kümmern um‘ (< *andasōn);
enta ‚dss.‘ (< *andatjan); damit ablautend viell.
inna (< *inþjan) ‚ausführen, leisten; entrich-
ten, hersagen‘ (kaum mit Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 57 zu inn, inni); viell. ǫndóttr ‚schreck-
lich(?)‘ oder nach A. M. Sturtevant, Scand. Stud.
17 (1942—43), 284 f. ‚feurig‘ (s. auch unten).
Zugrunde liegt germ. *an-, idg. *an(ǝ)-
(**H₂enH₁-) ‚atmen, hauchen‘; vgl. aind. ániti,
ánati ‚atmet‘; alb. geg. âj, tosk. ënj ‚ich
schwelle‘, geg. ąjun ‚aufgeblasen‘; air. anaid
‚bleibt‘ (zur Bed.entwicklung s. Vendryes, Lex.
ét. de l’irl. anc. A—71 [an-]); toch. B an-āsk ‚ein-
atmen‘. Im Germ. als starkes Verb nur in got.
*uz-anan (nur 3. sg. prät. uz-ōn) ‚aushauchen,
ἐκπνεῖν‘ belegt, sonst allein in Verbalsubst. und
daraus entstandenen schwachen Verben: ae.
oroð n. (< *uz-anþa-) ‚Atem, Schnaufen‘,
ōðian, œ̄ðian ‚atmen, riechen‘; aisl. andi m.
‚Atem, Wind, Geist‘, ǫnd f. ‚Atem, Leben, Seele‘,
anda ‚atmen‘; mit m-Erweiterung afries. amma,
omma ‚Atem‘ (→ âtum). Auch in anderen idg.
Sprachen sind zahlreiche Verbalsubst. belegt,
wie z. B. aind. ánila- m. ‚Wind‘ (s. aber S. Insler,
Sprache 20 [1974], 115 ff.); gr. ἄνεμος ‚Hauch,
Wind‘; lat. anima ‚Lufthauch, Atem, Seele, Le-
ben‘, animus ‚Seele, Geist usw.‘ (s. u.); air. anāl,
kymr. anadl ‚Atem‘; aksl. vonja (< *ani̯ā) ‚Ge-
ruch‘. Zu anderen Entsprechungen s. Pokorny
38 f.
Die Bed.entwickl. von ‚Atem, Hauch‘ zu ‚Erre-
gung, erregte Stimmung‘ (viell. über ‚ein hefti-
ges Atmen als Zeichen der Leidenschaft‘) hat
sich im Idg. mehrmals vollzogen; vgl. die ver-
wandten lat. Wörter anima, animus ‚Lufthauch,
Atem, Seele, Gemüt, Mut, gereizte Stimmung,
Zorn‘ (auch ‚Verlangen, Wille, Absicht‘); ähn-
lich lat. spīritus, urspr. ‚Hauch, Atem usw.‘ aber
dann auch ‚Mut, Übermut, Gereiztheit, Ärger‘;
vgl. gr. θῡμός (urspr. wohl ‚Rauch‘: aind.
dhūma-, lat. fūmus) ‚Hauch, Geist, Mut, Leiden-
schaft, Zorn‘; oder sogar ne. to be in a huff ‚auf-
gebracht sein, toben‘ zum Verb huff ‚blasen, pu-
sten‘.
Bei ahd. anado, anto usw. handelt es sich um
Verbalsubst. mit dem urgerm. Suffix *-þan,
*-đan < idg. *-to- mit germ. schw. mask. En-
dung, das entweder ohne Mittelvokal und meist
mit urspr. Endbetonung unmittelbar an den
Verbalstamm antritt: ahd. anto, wie auch ahd.
huosto ‚Husten‘ (s. d.) zum St. *hwōs- in ae.
hwēsan ‚keuchen‘; oder mit (wohl urspr. beton-
tem) Mittelvokal -a- oder -i- (*-aþan, *-iþan)
vorkommt: ahd. anado, wie auch ahd. bronado
‚Jucken‘, swerado ‚Schmerz‘, stechido ‚pleurisis‘
usw. (s. d. d.). Die Wörter, die mittels dieses
Suffixes gebildet sind, bezeichnen oft (aber
nicht immer: vgl. aisl. andi, gróði ‚Wachstum‘
usw.) einen unangenehmen Zustand, ein Übel-
befinden oder eine Krankheit; vgl. Kluge, Nom.
Stammbildung³ § 118 f.; Wilmanns, Dt. Gr. II
§ 263.
Im Wgerm. gibt es keine Substantiva mit Dentaler-
weiterung, die die urspr. Bed. ‚Atem usw.‘ bewahrt
haben, aber deren Vorhandensein im Anord. (aisl.
andi, ǫnd) erschwert die Deutung der oben angeführ-
ten Wörter im semantischen Bereich ‚Mühe, sich be-
mühen, ausführen‘, die sich ebensogut von der alten
Bed. ‚vor Anstrengung schwer atmen‘ wie von der
neueren ‚eifern, sich ereifern‘ ableiten lassen. Auch
bei ǫndóttr ist kaum mit Sicherheit zu entscheiden, ob
sich die wohl richtige Bed. ‚feurig‘ mit Sturtevant,
a.a.O., aus ‚animiert‘ (zu ǫnd) oder viell. eher aus
‚zornig‘ (zu ahd. anado, anto) entwickelt hat. Die ge-
nannten Wörter gehören aber letzten Endes wohl alle
zur selben Sippe.
Eine von Walde-Pokorny I, 57 Anm. vorgeschlagene
abwegige Etymologie hat sich in neuerer Zeit weitge-
hend durchgesetzt und ist in den meisten dt. Wörter-
büchern zu finden (z. B. Kluge²¹ 10; Trübners Dt. Wb.
I, 56 f.; Paul-Betz, Dt. Wb.⁵ 15 s. v. ahnden): ahd.
anado, anto sei eine Ableitung von der Präp. an(a) (s.
d.) mit einer urspr. Bed. ‚Aufgebrachtsein, Hochge-
hen‘. Der einzige Grund für die Ablehnung der her-
kömmlichen Etym. scheint die Anwesenheit des Mit-
telvokals in ahd. anado, ae. onoða zu sein, die aber
schon von Kluge, Nom. Stammbildung³ § 119 richtig
erklärt worden war. Fr. Spechts Versuch, Voretzsch-
Festschrift 36 f., diesen Vokal analogisch zu erklären,
hat Pokorny 38 Anm. 1 und wohl auch Seebold,
Germ. st. Verben 78 f. veranlaßt, zur richtigen Etym.
zurückzukehren, hat aber die morphologische Deu-
tung des Wortes nur noch weiter getrübt, indem anto,
ando aus dem Verb andôn abgeleitet wurde, während
wohl das Umgekehrte der Fall ist (vgl. Wilmanns,
a.a.O. § 45). Über andere unbefriedigende Erklärun-
gen s. Walde-Pokorny I, 57 Anm.
Fick III (Germ.)⁴ 11; Holthausen, As. Wb. 3; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 31; Berr, Et. Gl. to Hel. 29; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 78; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. I, 81; Verdam, Mndl. handwb. 40; Holt-
hausen, Afries. Wb. 3; ders., Ae. et. Wb. 243 (ōðian,
ǣðian); Bosworth-Toller, AS Dict. 39 f. 45. 261
(ēðian). 756. 766; Suppl. 38. 40. 195. 677; Vries. A-
nord. et. Wb.² 9 ff. 103. 286. 687 f.; Jóhannesson, Isl.
et. Wb. 24 ff.; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 4 f.
51. 358; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 5 (aand[e]). 6
(aann). 1412 (ænse, ændse); Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 19 (and²); Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 538; See-
bold, Germ. st. Verben 78 f.
Walde-Pokorny I, 56 f.; Pokorny 38 f.; Mayrhofer, K.
et. Wb. d. Aind. I, 33 f.; Frisk, Gr. et. Wb. I, 105;
Boisacq, Dict. ét. gr.⁴ 61; Chantraine, Dict. ét. gr. 86;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 49 f.; Ernout-Meillet,
Dict. ét. lat.⁴ 34; Meyer, Et. Wb. d. alb. Spr. 5 f.;
Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 9 (ani̯ā-); Miklosich, Et.
Wb. d. slav. Spr. 222 f. (on-); Vasmer, Russ. et. Wb. I,
225 (von’); Fick II (Kelt.)⁴ 13; Vendryes, Lex. ét. de
l’irl. anc. A—71 (an-). 73 (anāl); Windekens, Le tokha-
rien 70; Schröder, Ablautstudien 9.