antlingenAWB sw.v. I, antlingônAWB sw.v. II (beides
nur Tatian), ant(a)lengenAWB 〈-lenken〉 sw.v. I (nur
Tatian, Schreiber δ, Bened.regel) ‚entgegnen,
antworten, respondere‘; antlangiAWB 〈-lengi, -lenki〉
n. ja-St. ‚Antwort, Erwiderung‘ (nur viermal in
obd. Abroganshss. des 8.—10. Jh.). Diese Wör-
ter, die in keinem anderen germ. Dialekt Ent-
sprechungen haben, fehlen auch im Mhd. und
Nhd.
Ahd. Wb. I, 535. 551 f.; Schützeichel³ 8 f.; Starck-
Wells 31 (antlengi); Graff II, 225; Schade 22; Raven,
Schw. Verben d. Ahd. I, 3; II, 9. Vgl. auch E. Gutma-
cher, PBB 39 (1914), 64; R. Lühr, ZfdA. 109 (1980),
48 ff. (mit einer Übersicht über die Forschung).
Die Etymologie ist umstritten. Sicher ist nur,
daß die Wörter das germ. Adv./Präp./Präf.
*and- ‚entgegen‘ enthalten (→ ant-) und daß es
sich im zweiten Teil um ablautende Formen
*-ling- : *-lang- (idg. *-e-: *-o-) handelt. (Nur
Krüer, Bindevokal im sw. dt. Prät. 254 Anm. 1
sieht darin „ungleich vorgeschrittene Abschwä-
chung bzw. Umlautung“.) Meistens wird ein
germ. Adv. oder Adj. *andlang- zugrundege-
legt, das zwar ahd. nicht belegt ist, aber in dem
as. Adj. antlang (nur Hel. 4225: antlangana dag
‚den ganzen Tag‘); afries. on(d)lenge, -ling(a)
(adv. und präp.) ‚entlang‘; ae. andlang(es)
(adv.), andlang (präp.) ‚entlang‘, (adj.) ‚ganz‘;
aisl. andlangr, endilangr (adj.) ‚in seiner ganzen
Ausdehnung‘ seine Entsprechungen hat (so E.
Sievers, Böhtlingk-Festschrift 110 ff.; Wilmanns,
Dt. Gr. II, § 457 Anm.; G. Schmidt, Germ. Adv.
383 f.; Vries, Anord. et. Wb.² 9), aber weder die
Etymologie noch die urspr. Bed. dieses Wortes
steht fest. Wenn der zweite Teil eine Form des
Subst. *langa- ‚die Länge‘ oder etwas Ähnliches
ist (→ lang und vgl. Lühr, a.a.O. 55 f.; G.
Schmidt, a.a.O.; Vries, a.a.O.; Oxford Dict. of
Engl. Et. 28 [along²]), so lassen sich die oben
erwähnten as., afries., ae., aisl. Formen ohne
weiteres aus einer urspr. Bed. ‚der Länge nach‘
erklären. Dagegen wird die Deutung von ant-
lingen usw. erschwert.
Deshalb hat E. Sievers, a.a.O., als erster vorge-
schlagen, *andlang- von ‚lang‘ zu trennen und
den zweiten Teil als ein Richtungsadj. ‚sich er-
streckend, hinreichend zu‘ zu fassen, das auch
in anderen germ. Adj. und Adv. auf -lang wie
ae. up(p)lang ‚in die Höhe gerichtet, aufrecht‘;
ahd. ûflang ‚emporragend, sublimis‘, ûflengî ‚sta-
tura‘; ahd. gilang ‚verwandt‘ (‚bis an etwas hin-
reichend?‘); ae. gelang ‚abhängig, gegenwärtig‘;
as. gilang ‚bereit‘, bilang ‚verbunden‘; ae. ēast-
lang ‚sich nach Osten erstreckend‘ usw. vor-
kommen und mit ahd. gilingan ‚gelingen‘ ver-
wandt sein soll. So wäre die urspr. Bed. von
*andlang- etwa ‚entgegen reichend, entgegen
gewendet‘. Obwohl der Vergleich mit gilingan
von der Forschung nie aufgenommen wurde
(wohl nicht zuletzt deshalb, weil dieses Wort
auch keine sichere Etymologie hat; s.d.), fand
Sievers’ Deutung von *andlang- weitgehende
Anerkennung. Nach G. Ehrismann, PBB 18
(1894), 233 ff.; Holthausen, Ae. et. Wb. 195;
Walde-Pokorny II, 435; Pokorny 676 u. a. ge-
hört der zweite Teil aber zur idg. Wz. *lenk-
‚biegen‘ (s. u.).
Trotz der schönen Übereinstimmung von ant-
lingen ‚entgegnen‘ und *andlang- ‚entgegen ge-
wendet‘, die diese Erklärungen ermöglichen, ent-
behren sie einer festen Grundlage, denn Sievers’
Bemühungen, die tatsächlich vorkommenden
Entsprechungen von germ. *andlang- auf diese
urspr. Bed. zurückzuführen, sind nicht über-
zeugend: ohne Ausnahme setzen alle die Bed.
‚der Länge nach‘ voraus (s. bes. R. Lühr, a.a.O.
Sievers’ Deutung des schwierigen andlongne
[eorl], Beowulf 2695, als ‚dem Drachen entge-
genstrebend, kampfgierig‘ wird mit Recht allge-
mein abgelehnt; zu den verschiedenen Erklä-
rungen dieser Stelle s. Heyne-Schückings
Beowulf, hrsgg. von E. v. Schaubert, 2. T. Kom-
mentar¹⁷ [1961], 150 f.).
Wenn also antlingen usw. mit *andlang- in Ver-
bindung steht, kann nicht von einer Bed. ‚ent-
gegnen‘ die Rede sein, sondern man müßte von
einem Begriff ‚ausdehnen‘ oder Ähnlichem aus-
gehen. In diesem Zusammenhang wäre viel-
leicht an lat. intendere zu denken, das sowohl
‚ausdehnen‘ als auch ‚(gegen Widerstand) be-
haupten, versichern‘ bedeutet (Georges, Lat.-dt.
Handwb. I, 2490).
Zipper, Et. Gl. to OHG Tatian 10 vergleicht auch
engl. expatiate ‚sich verbreiten über‘ (s. Lühr, a.a.O.
50).
Dabei bietet aber das Ablautsverhältnis von
antlingen (antlingôn) und antlengen weitere
Schwierigkeiten. Man hat darauf hingewiesen,
daß das idg. Wort für ‚lang‘, *dlongho-, sonst
keine sicheren Beispiele einer e-Stufe aufweist
(s. z. B. G. Schmidt, a.a.O.). Nur unter den
germ. Entsprechungen von *andlang- findet
man eine mögliche Ausnahme: afries. ond-
ling(a). Helten, Aostfries. Gr. § 27 Anm. 2. 230,
hat die Form als eine mundartl. Variante von
ondlenge (urspr. dat. [lok.] von *ondlong) be-
zeichnet; später, Lexicologie des Aostfries. 257 f.,
hat er unter dem Einfluß von Sievers’ Artikel
Ablaut vermutet. Falls diese Deutung richtig ist,
was keineswegs feststeht, bietet das Fries. das
einzige Beispiel eines Wortes auf -ling, das
ohne Zweifel zu der Sippe von ‚lang‘ gehört.
Eine zweite Möglichkeit wäre, *andlang- aus
dem Spiel zu lassen, aber die vielversprechende
Ableitung von antlingen usw. aus der idg. Wz.
*lenk- ‚biegen‘ beizubehalten. Man vgl. lit.
leñkti ‚neigen, beugen, biegen‘; liñkti ‚sich nei-
gen, sich biegen‘; lañkas ‚Rundung, Ring, Bo-
gen‘; lankóti ‚sich neigen, sich beugen‘; aksl. na-
lęšti ‚(den Bogen) spannen‘; sьlęšti ‚krümmen,
niederbeugen‘; lǫkъ ‚Bogen‘ usw. Besonders
auffallend sind dabei die lit. Postpos. linkaĩ(s),
linkañ, liñkui, liñkuo und die Präp. liñk und so-
gar añtlink, sämtliche mit der Bed. ‚in der Rich-
tung nach, -wärts‘.
Fraenkel, Lit. et. Wb. 356 f.; ders., Syntax d. lit. Post-
pos. u. Präp. 17. 28. 53. 61. 87. 220; Berneker, Slav. et.
Wb. I, 738 ff.; Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 159 ff.;
Vasmer, Russ. et. Wb. II, 68 (luk, luká).
Innerhalb des Germ. gehören vielleicht hierher
und nicht zu *andlang- einige der von Sievers
erwähnten -lang-Bildungen, die eher auf eine
urspr. Bed. ‚-wärts‘ deuten (z. B. ae. ēastlang,
viell. up(p)lang; s. o.); dazu vielleicht die germ.
Richtungsadv. auf *-ling- wie ahd. krumbe-
lingûn ‚in gekrümmter Richtung‘, (h)rucki-
lingûn ‚rücklings‘; ae. bæcling ‚rückwärts‘ usw.,
falls diese im Ablautsverhältnis zu den Wörtern
auf -lang stehen (so Ehrismann, a.a.O.; Walde-
Pokorny II, 435; Pokorny 676; Kluge²¹ 611
[rücklings]; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 390
[-lings]). Dagegen sehen andere darin ein aus
dem abstrakten Suffix germ. *-ing- erweitertes
Suffix germ. *-ling- (vgl. Lühr, a.a.O. 51 ff.;
Vries, Ndls. et. wb. 403; Wilmanns, Dt. Gr. II,
§ 457; zur Bildung Kluge, Nom. Stammbildung³
§ 159 Anm.).
Neben diesen zwei Gruppen von Adv. und Adj.,
von denen die eine immer -lang, die andere im-
mer -ling zeigt, tritt erst mndd. und mndl. eine
dritte Gruppe auf, in der -ling und -lang aus-
tauschbar sind: z. B. mndl. onderlinghe : onder-
langhe ‚untereinander‘; sonderlinghe : sonder-
langhe ‚besonders, absonderlich‘; mndd. under-
linge : underlank/-langes/-langen ‚untereinander,
gegenseitig‘. Meistens werden diese für Ab-
lautsvarianten gehalten (so z. B. Franck, Mndl.
Gr. § 57, Anm. 2), aber Lühr, a.a.O. 54 f. sieht
darin eher normale -ling-Adverbien (aus -ing-
erweitert), deren Partner in -lang- Analogiebil-
dungen nach dem Muster von -lang-Adverbien
sind.
Es scheint, als ob die germ. Bildungen in *-ling-
und *-lang- (worunter man auch umstrittene
Wörter wie ahd. gilingan und gilangôn, s.d.d.,
einreihen kann) ein nicht mehr entwirrbares
Gemisch von Formen aus verschiedenen Quel-
len aber mit ähnlichem Klang darstellten, wobei
jede Etymologie unsicher bleiben muß.
In letzter Zeit hat R. Lühr, a.a.O. 68 ff., eine
kühne aber sehr zweifelhafte Hypothese vorge-
schlagen, indem sie die Verben antlingen usw.
als Zss. aus *and- und einem Wort mit der Bed.
‚schwören‘ erklärt (vgl. ae. andswarian, andswe-
rian, aisl. andsvara); dabei vergleicht sie die nur
im Heth. vorkommenden Wörter lengai (lingai)
‚Eid, Schwur‘ und link- ‚schwören‘ (vgl. Hitt.
Dict. III, 1, 62 ff.). Nicht nur fehlen sichere Ver-
gleiche in anderen idg. Sprachen (die von Lühr
zitierten gr. ἐλέγχω ‚beschimpfen, tadeln usw.‘
und toch. klänk- ‚bestreiten‘ sind höchst unsi-
cher), sondern auch im Germ. findet man sonst
keine Spur von einem solchen Wort.