atramentAWB n. a-St. 〈Var.: atri-, ater-, atir-; -mint〉;
— daneben atraminzaAWB f. ō- oder n-St. 〈Var.:
at(t)ar-, at(t)er-, ad(d)er-, -minze, -munza〉, beide
Typen vom 12. bis 14. Jh. belegt, also mhd., und
zwar sowohl obd. wie fränk., mit den Bed. 1)
‚schwarze Farbe, Tinte, atramentum‘ und 2)
‚(Eisen)Vitriol, Kupferwasser, atramentum‘, wo-
bei die Belege es wahrscheinlich machen (nach
Ahd. Wb. I, 688), daß atraminza etc., ursprl.
‚Tinte‘ (einmal auch ‚Schusterschwärze, calcan-
tum [sutor(ic)ium]‘) bedeutete, dagegen atra-
ment ursprl. einen naturwiss.-medizinischen
Begriff ausdrückte und die Vermischung der
beiden erst später eintrat.
Ahd. Wb. I, 688 f.; Starck-Wells 36; Graff I, 159; Le-
xer I, 104; Benecke I, 66; Diefenbach, Gl. lat.-germ.
57; Diefenbach-Wülcker, Hoch- u. nd. Wb. 96.
Die zwei adt. Vokabeln gehen auf lat. ātrāmen-
tum zurück, die eine noch vor der ahd. Lautver-
schiebung von -nt- zu -nz- und wohl in volkse-
tym. Assoziation mit lat. ment(h)a, ahd. minza
(s. d.) adoptiert, die andere als Fremdwort ohne
phonologische Veränderung und noch mit dem
gram. Geschlecht des lat. Prototyps übernom-
men (zu diesen und ähnlichen „Zwillings- und
Drillingsentlehnungen“, s. Lessiak, Dt. Konso-
nantismus 209 ff.; Schatz, Abair. Gr. § 4 g; E.
Gutmacher, PBB 39 [1914], 77 ff.). Die zwei-
malige Rezeption und die relativ zahlreichen,
wenn auch sehr spät erst überlieferten Belege
der adt. Entlehnungen sprechen für Th. Frings’
weiträumige dialektgeographische Rekonstruk-
tion eines ehemals über ganz Mittel- (und Süd-
west-)Europa sich erstreckenden Geltungsbe-
reiches von ātrāmentum und seinen germ. wie
roman. Abkömmlingen: mndd. atrament (ater-,
atriment, atremint), mndl. atrament sowie afrz.
arrement, errement u. a., prov. airamen, aitalien.
agremento und sardisch tramentu, — ein Gebiet,
das in der Folgezeit von den Nachkommen des
aus Byzanz importierten encaustum und des
noch jüngeren lat. tīncta (→ tinta) überwuchert
wurde. Auf engl. Boden und vorübergehend
auch auf fries., ndl., ndd., ja, noch weiter süd-
lich konkurrierte damit ae. blæc, as. blak etc. Im
Got. ist nur einmal swartizl als Entsprechung
von gr. μέλαν bezeugt — man vgl. dazu westfäl.
swartsǝl von heute!
Mittellat. Wb. I, 1131 f.; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr.
1008; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 758; Wart-
burg, Frz. et. Wb. I, 166; Verdam, Mndl. handwb. 47;
Verwijs-Verdam, Mndl. wb. I, 482; vgl. auch Möller,
Fremdwörter aus dem Lat. 32, dazu E. Öhmann, Neu-
phil. Mitt. 64 (1963), 338. — Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr.
464. — Zum Ganzen s. Frings, Germania Romana² I,
158 ff.; II, 103 ff. — Zum Sachgehalt des Wortes s.
Pauly-Wissowa, Realenzykl. II, 2, 2136.
Das lat. Wort ist eine Ableit. von āter ‚(tief)schwarz,
dunkel‘ mit Hilfe des im Ital. weitverbreiteten For-
mans -mentum (idg. *-mto- = germ. *-munda-, wie
etwa in ahd. liumunt, s. d.). Für das lat. Adj. āter
selbst fehlt es noch immer an einer sicheren Anknüp-
fung: nur wenn man eine Bed.entwicklung von ‚ver-
brannt‘ zu ‚rußig, geschwärzt‘ gelten läßt, scheint Zu-
sammenhang mit av. ātar-, npers. āδar ‚Feuer‘ (aind.
átharvan- m. ‚[Feuer]-Priester‘ dürfte seinerseits iran.
Herkunft sein, s. Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. I,
28), arm. airem (< *āter- oder *ǝtēr-) ‚verbrenne‘ ak-
zeptabel. (Fraglich ist, ob auch air. áith, gen. átho,
kymr. odyn [< urkelt. *āti-(no-)] ‚Brennofen‘ hier-
her gehören.)
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 75 f. 849 f.; Walde-
Pokorny I, 42; Pokorny 69; Bartholomae, Airan. Wb.
312 f.; Horn, Grdr. d. npers. Et. 3; Hübschmann, Arm.
Gr. 418; Fick II (Kelt.)⁴ 9; Vendryes, Lex. ét. de l’irl.
anc. A—54. — Unkritisch ist W. Prellwitz, BB 23
(1897), 68 ff.