avermoniaAWB f. ō- oder n-St. (?) (mit latinisier-
ter Endung? vgl. ahd. chevia ‚Käfig‘ < mlat. ca-
via; zu den spärlichen Belegen von ausl. -ia
vgl. Braune, Ahd. Gr.¹³ § 209 Anm. 3 und § 226
Anm. 3) ist nur an einer Gl.stelle belegt, 3, 571,
30 f. (in 2 Hss., 11. Jh., beide wohl mfrk.) und
zwar als auar-, auermonia ‚Odermennig, agrimo-
nia‘ (Agrimonia eupatoria L.). Mhd. steht dafür
odermennie f., daneben -meine, -meien, -meinst,
-menge, auch adermonie, -menge. Frühnhd. fin-
det sich agermenge, die nhd. Form ist Odermen-
nig mit zahllosen mdartl. Varianten (s. u.).
Ahd. Wb. I, 700; Starck-Wells 37; E. Björkman, Zfdt.
Wortf. 6 (1904/05), 191; Lexer II, 142; Benecke II,
431; Diefenbach, Gl.lat.-germ. 19. 73 (bibona). 139
(concordia); Dt. Wb. VII, 1153; Kluge²¹ 520. — Vgl.
Marzell, Wb. d. dt. Pflanzennamen I, 139 ff.
Die Geschichte dieses ahd. Wortes — zweifellos
ein Lehnwort aus lat. agrimonia —, älter arge-,
argi-, das im Mndd. als ēvermenige (< *abir-?)
oder adermonie sowie im benachbarten Ndän.
als agermaane ‚Ackermond‘ wiederbegegnet, ist
eine Kette von volksetym., meist sinnlosen Ver-
ballhornungen. Schon der Ersatz von lat. -g-
durch -v- im Mfränk. (für schwachartikulierte
intervok. Spirans der Labialreihe, Braune, Ahd.
Gr.¹³ § 137) bzw. -d- im Dt. ist durch keine
lautgeschichtlichen Regeln zu stützen; die we-
nigen parallelen Fälle wie ahd. hovar (s. d.),
mhd. hoger, hocker ‚Höcker‘, oder ahd. habaro
und norw. dial. hagre ‚Hafer‘ haben ihrerseits
sich bislang jeder rigorosen Analyse widersetzt.
Und der zweite Wortteil wurde entweder nach
germ. Lautgesetzen in *-münnie — agramüni
14. Jh., Diefenbach, a.a.O. 19, und ähnlich in
vielen volkssprachlichen Varianten — verwan-
delt oder aber aufgrund der im Nebenton redu-
zierten Vokale mit dem aus lat. minium ‚Zinn-
ober‘ entlehnten spätmhd. mënig, nhd. Mennig
‚rotes Bleioxyd‘ gleichgesetzt. Das in- und aus-
lautende g, das sich im Dt. zuweilen aus älterem
-i̯- nach -r- entwickelt hat (mhd. verge < ahd.
ferio ‚Fährmann‘), geht in einigen Fremdwör-
tern wie Käfig (< mhd. kevje, s. o.) oder tilgen
(ahd. tîligôn, ae. [a]dīlgian < lat. dēleō) auf
dieselbe Quelle zurück (s. Wilmanns, Dt. Gr. I,
§ 130 Anm.).
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 524. 626;
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 16; Falk-Torp, Norw.-
dän. et. Wb. 16.
Spätlat. agrimōnia (auch acri-), das im Roman.
gleichfalls fortwucherte und so bizarre volksetym.
Auswüchse trieb wie frz. aigremoine, eigtl. ‚Sauer-
mönch‘ (s. Trésor de la langue franç. 280), ist seiner-
seits (mit Metathesis des -rg- und in Anlehnung an
lat. ager bzw. acer) eine Verballhornung von gr. ἀρ-
γεμώνη ‚Schamkraut‘, einer Ableitung von ἄργεμος
(-ον) ‚das Weiße (im Auge)‘, wie sie ähnlich in
ἀνεμώνη zu ἄνεμος ‚Windblume‘ vorliegt (vgl. Keller,
Lat. Volksetym. 60. 163; Strömberg, Gr. Pflanzenna-
men 87. 157; Chantraine, Form. des noms gr. 132.
208). Versuche, selbst das gr. Wort als „gräzisierte“
Übernahme einer nichtidg. Vokabel zu erklären (<
hebr. ʼargāmān ‚roter Purpur‘, P. A. de Lagarde, Abh.
d. Ges. d. Wiss. zu Göttingen 35 (1955), 205; Lewy,
Semit. Fremdw. im Gr. 49 f.), sind weder lautlich noch
dem Sachgehalt nach überzeugend.
Walde-Pokorny I, 82; Pokorny 65; Frisk, Gr. et. Wb.
I, 131; Chantraine, Dict. ét. gr. 104; Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. I, 24; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 45;
Mittellat. Wb. I, 412; Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 375;
Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 295; Wartburg, Frz.
et. Wb. (Neubearb.) XXIV, 270.
Die zahllosen mdartl. Varianten des hoch-
sprachl. Odermennig sind bei Marzell, a.a.O. I,
139 ff. zusammengestellt, wobei der erste Be-
standteil im Schlesischen volkstümlicherweise
mit dem „bevorzugten“ Standort der Pflanze
im Odergelände begründet oder gar in Otter-,
Ader-, Adler-, Ohr-, aber auch Acker-, Ager-, Ha-
ger- u. a. entstellt wird, während der zweite Be-
standteil sich Umstilisierung in -mohn, -mond,
-mönch, -mund, -mennli, -menche u. ä. gefallen
lassen muß.
Schweiz. Id. I, 97 f. 127; III, 886; IV, 245; Fischer,
Schwäb. Wb. I, 116 f.; V, 39; VI, 2717; Follmann, Wb.
d. dt.-lothr. Mdaa. 391; Christmann, Pfälz. Wb. I, 115;
Crecelius, Oberhess. Wb. I, 17; Wossidlo-Teuchert,
Meckl. Wb. I, 79 (Adermünn).