Band II, Spalte 1
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AWB, auch bAWB adv. nahe und präp. (mit gen.
dat. akk. instr.): (räumlich) (nahe) bei, neben,
mit, auf der Seite, an, längs, auf, gegen, in, zu,
um
; (zeitlich) um, innerhalb, binnen, wäh-
rend, in, zu, bei, nach
; (kausal) wegen, um
willen, von, über
; (modal) an, in Beziehung
auf, betreffend, verglichen mit, für, anstatt,
gemäß
; (instr.) durch; ad, pro, prope, de
u. a. Var.: pi, zweimal pii, dazu pe, be, zwei-
mal pa, einmal ba. Hierher gehört auch ahd.
bi-AWB in seiner Funktion als betontes Präfix zur
Bildung von Nominalzss. sowie als unbetontes
Präfix zur Bildung von Verbalzss. (s. Ahd.
Wb.
I, 953
). Im Mhd. setzt sich ahd. als
bî, md. auch bîe fort; betontes Präfix bí- in
Nominalzss. kann als bi- bewahrt werden, wie
in bífilde Begräbnis, bíziune eingezäuntes
Grundstück
; unbetontes bi- in Verbalzss. wird
zu be- (schon durchweg bei Notker und gele-
gentlich früher), wie in bevélhen begraben,
bescháffen; gelegentlich geht beides nebenein-
ander her, wie in bígraft und begráft, bíderbe
und bedérbe (s. Paul, Mhd. Gr.²³ § 59, 6).
Nhd. gelten bei für Adv. und Präp., be- (auch
bei-) für das Präfix.

Ahd. Wb. I, 953 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 59; Schütz-
eichel⁴ 75; Starck-Wells 49 f. 729; Graff III, 5 ff.;
Schade 59; Lexer I, 262 f.; Nachtr. 82; Benecke I,
112 f.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 465 (prope); Dt.
Wb. I, 1346 ff. 1202 ff. (be-); Kluge²¹ 58 (be-). 61;
Kluge²² 66 (be-). 70; Pfeifer, Et. Wb. 135 f. 143 f.

Das ahd. Wort hat seine Entsprechungen fast in
sämtlichen germ. Dialekten: as. b, be, bi-, be-,
mndd. b, be-; andfrk. bi, bi-, mndl. bi, be-,
nndl. bij, be-; afries. b, bi-, be-; ae. b, be,
me. bī (by), be-, ne. by, be-; runennord. bi (mit
akk.?), einmal auf dem Lanzenschaft von Kra-
gehul (Dänemark, 6. Jh.): ... bi *gaira um den
Ger herum
(Krause, Die Runeninschr. im ä. Fu-
thark 67; unklar bei G. Schmidt, Germ. Adv.
226), aisl. b- mit Vokalsynkope in Vortonstel-
lung: breiða be-reiten, Noreen, Aisl. Gr.⁴ §
154, anorw. adän. aschwed. bi- aus dem Mndd.
entlehnt; got. bi = περί um, herum, über, auch
= διά, ἐπί, εἰς betreffs, über, gemäß; dazu als
Verbalpräfix bi- = gr. περι-, ἐπι- u. a.

Fick III (Germ.)⁴ 270; Holthausen, As. Wb. 6 f.;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 47 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 49;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 153 (be-),
269 f.; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 160. 326; Ver-
dam, Mndl. handwb. 57. 96; Franck, Et. wb. d. ndl.
taal² 37. 64; Vries, Ndls. et. wb. 34. 57 f.; Holthausen,
Afries. Wb.² 8 f.; Richthofen, Afries. Wb. 630 f.; Holt-
hausen, Ae. et. Wb. 22; Bosworth-Toller, AS Dict. 69.
98; Suppl. 63 f.; ME Dict. AB, 782 f. 793; OED² II,
5 (be-). 165 (bi-). 725 f. (by); Oxf. Dict. of Engl. Et.
82 (be-). 92 (bi-). 131 (by); Jóhannesson, Isl. et. Wb.
23; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 55 f. 71.; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 41; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr.
88; Lehmann, Gothic Et. Dict. B-44. Vgl. auch G.
Schmidt, a. a. O. 225 ff.

Aus dieser Übersicht ergeben sich als urgerm.
Grundformen ein schwachbetontes *bi und ein
starkbetontes *bī (nachträglich gelängt, s. Be-
haghel, Gesch. d. dt. Sprache⁵ § 235), die außer-
germ. mehrere Anschlußmöglichkeiten haben.
Und zwar zunächst an eine idg. Präp. *epi:
*opi: *pi nahe hinzu, auf etwas drauf, auf et-
was hin
(so Brugmann, K. vgl. Gr. § 596;
Grdr.² II, 2, 838 ff.). Diese Formen sind in der
aind. Präp. ápi sowie dem aind. Präfix api-, pi-;
in av. aipi, apers. apiy; in arm. ew und, auch;
in gr. ἐπί, ἔπι und πι-, myken. e-pi, auch o-pi
(meist in Zss.); alb. épërë oben befindlich; in
lat. op, ob, osk. úp; air. iar n-, iarm nach, se-
cundum
(< *epi-ro-m); slav. ob, o; lit. ap(i)-,
api um, über, lett. ap-, pìe bei, an, apreuß.
ep- vertreten. Belege für Formen mit der
Schwundstufe *pi, die als Parallelen für urg.
*i (mit Verners Gesetz) dienen können, sind
aind. pi-dádhāti deckt zu, verstopft, pi-náhya-
ti bindet an, bindet zu, pī-áyati drückt,
preßt
(< *pi-d-aya-ti sitzt darauf), und im
Anschluß an das letztgenannte gr. πιέζω (<
*pi-s[e]d-ō sitze darauf, so nach H. Osthoff,
PBB 3 [1894], 243; anders bei Frisk, Gr. et.
Wb. II, 533 f.; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind.
II, 291 f.; ders., Et. Wb. d. Altindoar. I, 86; s.
auch G. Schmidt, a. a. O. 245); weiterhin um-
stritten bleibt dagegen die etym. Analyse der lit.
Postposition -pi, -p zu, bei, etwa in lit. sūnaũs-
pi zum Sohne (s. Delbrück, Vgl. Syntax d. idg.
Spr. 1. Teil 678).

Andererseits konkurriert aber mit idg. *epi:
*opi: *pi und ist wohl in einer Art von prä-
positionalem Synkretismus
damit zusammen-
geflossen eine formal nahestehende, inhaltlich
weitgehend identische Präp. idg. *obhi: *bhi
(*ebhi ist nicht sicher nachzuweisen, jedenfalls
nicht aus dem ganz anders bedingten gr. ἐφι- zu
erschließen, s. R. Günther, IF 20 [1906/07],
105 f.), ursprl. etwa auf etwas zu und auf
(über) etwas hin
, mit dem Begriff einer gewis-
sen Aggression oder Bewältigung des Gegen-
standes
(so Brugmann, K. vgl. Gr. § 599;
Grdr.² II, 2, 820 ff.): im Lat. dürfte die Präp.
und das Präfix ob (op) auf ursprl. *opi zurück-
gehen (s. o.), wohl ohne lautliche Einwirkung
von *obhi, aber mit Einschluß seiner Bedeu-
tung. Ein Reflex von idg. *obhi im Slav. ist aksl.
obь (sowie obъ), ob, o: als Präfix im Sinne von
dt. um-, be-, als Präp. mit der Bed. an, gegen.
Demgegenüber beruhen aind. abhí herbei, zu,
gegen
, av. aiwi, apers. abiy (als Präfix mit der
Bed. von zu-, be-, als Präp. mit akk. im Sinne
von zu hin, mit lok. im Sinne von über,
in betreff
) lautlich allein auf idg. *bhí
[**Hbhi], worauf auch gr. ἀμφί, lat. amb-,
umbr. amb-, gall. ambi-, kymr. am, air. im(b)-,
alb. mbi, mbε auf beiden Seiten, (später)
ringsum, zurückgehen (zum Kelt. s. Thurney-
sen, Handb. d. Air. 468 f.; R. Schmidt, IF 1
[1892], 68). Im Germ. erscheint *bhí als *um-
bi um mit Vertretern in sämtlichen Dialekten
( umbi) außer dem Gotischen, wo seine Funk-
tion von got. bi, bi- übernommen wird (s. o.).

Idg. *obhi hätte im Indoiran. mit dem Brugmannschen
Gesetz *ābhi ergeben (vgl. M. Volkart, Zu Brugmanns
Gesetz im Altindischen [Bern, 1994] 63 ff.). Jedoch hat
man früher angenommen, daß in indoiran. *abhi auch
die Vorform von aksl. obi eingegangen ist (dagegen
W. Pax, WuS 17 [1937], 26 f.). Der Ansatz eines idg.
*ambhi, und zwar als einer Zusammenrückung von
*bhi mit einer Partikel am- (oder an[a]-, so W. Schul-
ze, Zur Gesch. lat. Eigennamen 542 Anm 3: ἀμφί ist
gleichsam circum-circa
; F. Solmsen, Rhein. Mus.,
N. S. 61 [1906], 502 Anm. 1; Hirt, Idg. Gr. III, 16;
Schwyzer, Gr. Gram. II, 436 ff.), ist überholt.

Schließlich kann das Wort für bei zu der aus
einer Postposition hervorgegangenen Dat.-, Ab-
lativendung aind. -bhi, gr. -φι bzw. aind.
-bhya gestellt werden (s. aber G. Schmidt,
a. a. O. 227; Weiteres bei Lühr, Stud. z. Hilde-
brandlied 586 Anm. 1).

Walde-Pokorny I, 54 f. (*ambhi). 122 f. (*epi). 124
(*obhi); Pokorny 34 (*ambhi). 287 (*obhi). 323
(*epi); Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. I, 39 (ápi). 41
(abhí); ders., Et. Wb. d. Altindoar. I, 86. 91 f.; Bartho-
lomae, Airan. Wb. 87 f.; Horn, Grdr. d. npers. Et. 22;
Hübschmann, Arm. Gr. I, 416. 445; Boisacq, Dict. ét.
gr.⁴ 59 (ἀμφί). 264 f. (ἐπί); Frisk, Gr. et. Wb. I, 98
(ἀμφί). 535 (ἐπί); Chantraine, Dict. ét. gr. 80 (ἀμφί).
358 (ἐπί); Meyer, Et. Wb. d. alb. Spr. 265 (mbε). 96
(épεrε); Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 36 (amb-).
II, 192 ff. (ob); Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 26 (am-
bi). 454 (ob); Holder, Acelt. Spr. I, 117 (ambi-); Dot-
tin, Langue gaul. 106 (ambi-); Hessens Ir. Lex. II, 12
(imm); Dict. of Irish I-101 ff. (imm, imb); Dict. of
Welsh 79 f. (am); Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 1; Mi-
klosich, Et. Wb. d. slav. Spr. 219 (ob); Vasmer, Russ.
et. Wb. II, 236; E. Fraenkel, Lit. et. Wb. I, 584; Müh-
lenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. I, 71 f.; Trautmann,
Apreuß. Spr.denkm. 330.

S. auch beide, umbi.