bîsa
Band II, Spalte 105
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bîsaAWB f. ō-St., zweimal in Notker, Bo. (mit
-î- geschrieben): kalter Nord(ost)wind, bore-
as
. Mhd. heißt es bîse f. Nord-, Ostwind.
Im Frühnhd. begegnet das Wort oft mit der zu
erwartenden Diphthongierung (und volksety-
mologischen Entstellung) als beis-, beyßwind
neben nichtdiphthongiertem Biß, Byß(wind)
(vgl. H. Wehrle, Zfdt. Wortf. 9 [1907], 164);
aber in der dt. Hochsprache der Gegenwart
hat sich die mdartl. undiphthongierte Form
mit langem -ī- eingebürgert: Bīse f. Nordost-
wind
.

Ahd. Wb. I, 1109; Splett, Ahd. Wb. I, 70; Schütz-
eichel⁴ 76; Starck-Wells 58; Graff III, 216; Schade 67;
Lexer I, 283; Benecke I, 168; Götze, Frühnhd. Gl.
25; Dt. Wb. I, 1398; Kluge²¹ 79 f.; Kluge²² 87; ders.,
Seemannssprache 99.

Das ahd. Wort hat seine Verwandten auch in
anderen germ. Sprachen, so besonders in
andfrk. bīsa Wirbelwind, turbo; mndl. bise m.
Nordwind, kalter Wind, nndl. (dial.) bijs ;
me. bīse (< afrz. bise, s. u.), ne. bise ein trok-
kener u. kalter Nord(ost)wind
.

Fick III (Germ.)⁴ 271; Helten, Aostndfrk. Psalmenfrg.
62, 112. 97 (Index); Verdam, Mndl. handwb. 100; ME
Dict. AB, 888; OED² II, 221.

Die Windbezeichnung, die auf den germ. (und
rom., s. u.) Sprachbereich eingeschränkt ist, ge-
hört mit ihrer Vorform *īsō wohl zu der Sippe
von ahd. bsôn um-, einherstürmen (s. d.). Ver-
suche, das germ. Wort als eine Entlehnung aus
dem Galloroman. zu erklären, sind verfehlt (vgl.
H. Wehrle, a. a. O. 164 ff.; Wartburg, Frz. et.
Wb. XV, 1, 118); auch ist es nicht zu nhd. Brise
zu stellen, mit Ausfall des r (so Kluge²² 87, mit
Fragezeichen; vgl. auch N. Törnquist, Korre-
spondenzblatt d. Vereins f. ndd. Sprachforschung
77 [1970], 22 ff.). Wenn Brise, ein Wort, das aus
dem Span. ins Engl., dann über das Ndd. erst im
18. Jh. ins Nhd. gelangte (vgl. P. F. Ganz, Ein-
fluß d. Engl. auf d. dt. Wortsch. [Berlin, 1957]
47) und keine Etym. hat, überhaupt mit ahd. bî-
sa zu verbinden ist, dann nur als Umgestaltung
von bîsa unter Einwirkung eines anderen Wortes
(frz. briser? mhd. mndd. brûsen brausen?).

Das germ. Wort hat sich nicht nur im mittelalterl. La-
tein (*bīsa, -ae f., auch bīza: ventum ... nimis acerri-
mum et frigidum bizam vocitant
Aethicus Ister ca.
768), sondern auch im Romanischen überhaupt durch-
gesetzt, vor allem in Frankreich als bise (aprov. biza)
kalter Wind aus dem Nordosten. Ja, es kann auch die
entsprechende Himmelsrichtung an sich bezeichnen
(Vent de bise); im Engadin, Obwalden und anderwärts
lautet das Wort biza (wohl aus älterem *bisia, germ.
*īsjō).

Vgl. Mittellat. Wb. I, 1486; Körting, Lat.-rom. Wb.³
Nr. 1401; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr. 1120;
Wartburg, Frz. et. Wb. I, 377 f.; XV, 1, 117 f.; Gamill-
scheg, Et. Wb. d. frz. Spr.² 114; Trésor de la langue
franç. IV, 538.

In den dt. Mdaa. der Gegenwart ist das Wort
noch weitgehend vertreten (z. T. als Mask.,
wohl unter dem Einfluß von Synonymen wie der
Föhn, der Wind, mdartl. der Luft), im Norden
sowohl wie im äußersten Südwesten als Bīse mit
undiphthongiertem -ī-; im Zwischengebiet mit
-ei- und häufig in Zss. mit -wind.

Schweiz. Id. IV, 1682 ff. (bīs m., bīse f.); Ochs, Bad.
Wb. I, 238 (im Süden heute Biswind, Bisiwetter, Bi-
ser); Jutz, Vorarlberg. Wb. I, 363; Schmeller, Bayer.
Wb.² I, 291; Müller, Rhein. Wb. I, 718 f. (bis, auch
bis, bēs); Christmann, Pfälz. Wb. I, 939 (auch Bīser);
Kehrein, Volksspr. u. Wb. von Nassau 77 (Biest, Büst,
Beiswind); Woeste, Wb. d. westf. Mdaa. 31 f.

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