balo, palo m. (auch n.) wa-St. (gen. sg. bala-
wes, dat. balawe, aber auch baluun Gl. 2, 761,
31): ‚Böses, Unheil, Hinterlist; (unter christl.
Einfluß) Sünde; dolus, nequitia, malitia; Krank-
heit, Verderben, pernicies, pestis, lues‘. Seine ge-
legentliche Einordnung als n-St. (s. o.) ist wohl
einer Umdeutung der auf ausl. -w zurückge-
henden Endung -o zu verdanken (s. Braune,
Ahd. Gr.¹³ § 108). — Mhd. bale st. m. ‚Böses, Un-
recht‘ begegnet viel seltener. — Im Nhd. ist das
ehemals, besonders dichterisch, aber auch
rechtssprachlich häufige Wort nicht mehr im
Gebrauch. Nur mdartl. hat es sich sporadisch
im Schwäb., Bair. und Rhein., doch meist nur in
der Zss. balmund ‚ungetreuer Vormund‘ erhal-
ten, so Fischer, Schwäb. Wb. I, 598; Schmeller,
Bayer. Wb.² I, 228; auch in anderen Zss. (etwa
balstürig ‚schwer zu leiten‘) sowie adj. als Sim-
plex mit der Bed. ‚leichtsinnig, nachlässig‘ ist es
im Rhein. Wb. I, 405 verzeichnet (aber „schon
1880 veraltet“).
Ahd. Wb. I, 797 ff.; Schützeichel³ 12; Starck-Wells
41; Graff III, 92; Schade 38; Lexer I, 115; Benecke I,
79.
Entsprechungen von ahd. balo, zum mindesten
in Zss. oder Ableit., finden sich in sämtlichen
germ. Dialekten, so as. balu (gen. sg. balu-, ba-
lowes) ‚Übel, Verderben‘, mndd. bāl(e)- (etwa
in bāl[e]munden ‚jem. zum schlechten Vor-
mund erklären‘, dazu das Adj. bal-, belmundich,
ferner balstūrich ‚widerspenstig‘); mndl. bal-,
nndl. bal-(sturig); afries. balu- (in balumun-
d[a]); ae. bealu, -o (auch adj.), me. bale, ne.
bale veraltend und poet., aber noch geläufig in
der Zss. baleful; anord. bǫl ‚Quälerei; Unglück,
Schaden; Sünde‘ (vgl. bǫlvasmiðr d. i. Loki =
Lucifer), nskand. nur noch in dem aus dem
Mndd. entlehnten ndän. balstyrig u. ä.; got. bal-
wawēsei (= κακίᾱ) ‚Bosheit‘ sowie balwjan
‚quälen‘, balweins ‚Qual, Folter‘; dazu langob.
PN auf Bal(e)-.
Fick III (Germ.)⁴ 268 f.; Holthausen, As. Wb. 5; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 38; Berr, Et. Gl. to Hel. 39 f.; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 137; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. I, 144 ff.; Holthausen, Afries. Wb. 5;
Richthofen, Afries. Wb. 617 f.; Holthausen, Ae. et.
Wb. 17; Bosworth-Toller, AS Dict. 7; Suppl. 65; ME
Dict. A—B, 624 f.; OED I, 634; Vries, Anord. et. Wb.²
70; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 632; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 33; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 79;
Bruckner, Spr. d. Langob. 231 (Index). — Vgl. die
Übersicht bei J. Weisweiler, IF 41 (1923), 71 ff.
Außergerm. Anschlüsse sind spärlich und meist
nicht ohne Bedenken. Am wahrscheinlichsten
ist noch aksl. bolь f. (= ἀσθένεια) ‚Kranker‘,
bolětь ‚krank sein, Schmerz empfinden‘, russ.
bol’ f. ‚Schmerz‘, bolét’ ‚schmerzen‘, von einer
Basis *bheleu̯- ‚durch Schlagen kraftlos ma-
chen‘ (Pokorny 125), dazu zahlreiche Ableit.
aus dem gesamten slav. Gebiet, vielfach mit
bed.mäßiger Differenzierung, so daß H. Hirts
Annahme einer Entlehnung aus dem Deut-
schen, PBB 23 (1898), 331, nicht überzeugt.
Fern bleibt ein Zusammenhang mit dem Kelt.,
akorn. bal f. ‚Seuche, pestis‘, nkymr. aballu ‚pe-
rire‘, air. at-bail(l) ‚stirbt‘, die zu der Wz. *gu̯el-
(**gu̯elH₁-) (nach E. Hamp, Ériu 24 [1973],
179 ff. zwei gleichlautenden Wzn.) mit den
Bedd. ‚stechen‘ und ‚leiden‘ gehören, s. A. Bez-
zenberger, BB 16 (1890), 256; Brugmann,
Grdr.² I, 1 § 670; Walde-Pokorny I, 689 f.; Po-
korny 470 f. und besonders Vendryes, Lex. ét.
de l’irl. anc. s. v. at-bail und -ball- (mit Lit.).
Daneben fehlt es nicht an allerlei abwegigen Versu-
chen wie Verknüpfung eines rekonstruierten
*b-alwa- mit gr. homer. ὀλοός ‚verderblich‘: Noreen,
Urg. Lautlehre 126; S. Bugge, PBB 13 (1888), 182;
H. Osthoff, PBB 18 (1894), 256 f. Ebenso verfehlt
sind O. Schrader, Zfvgl.Spr. 30 (1890), 466 (zu lat.
fallo); A. Kuhn, Zfvgl.Spr. 1 (1852), 516 und
P. Kretschmer, ebd. 31 (1892), 449 (zu gr. φαῦλος). —
Vgl. Berneker, Slav. et. Wb. I, 71 f. (mit Lit.); Feist,
Vgl. Wb. d. got. Spr. 79 (mit Lit.).
Walde-Pokorny II, 189; Pokorny 125; Sadnik-Aitzet-
müller, Handwb. zu den aksl. Texten 13; dieselben,
Vgl. Wb. d. slav. Spr. Nr. 290; Vasmer, Russ. et. Wb. I,
105.