*bandastAWB (?) m. i-St.(?), nur Gl. 2, 634, 68/69
in den Tegernseer Vergilglossen Clm. 18059
(11. Jh.) in der Form padast belegt zur Verdeut-
schung von lat. oscilla akk. pl., das in Vergils
Georgica II, 389 bei der Beschreibung eines
Bacchusfestes gebraucht wird: „et te, Bacche,
vocant ... tibique oscilla in alta suspendunt
mollia pinu“, d. i. „und dich, Bacchus, rufen sie
an und hängen im hohen Wipfel der Pinie
deine leichtbeweglichen (?) Masken auf“.
Um die Vermutung *bandast zu rechtfertigen,
verweist man für den Ausfall des -n- vor dem
Dental auf Schreibungen wie samathafto in Gl.
2, 660, 61 derselben Hs. (allerdings in schwach-
betonter Silbe; s. H. J. Velthuis, De Tegernseeër
Glossen op Vergilius [Groningen, 1892] § 21);
das anl. p- entspricht dem bair. Dialekt des Ko-
dex.
Aber die im Ahd. Wb. I, 803 f. — nicht ohne Be-
denken — verzeichnete Konjektur *bandast
stößt doch auf mehrere schwerwiegende Ein-
wände. Das lat. Original oscillum war ja schon
bei den Alten in seiner Herkunft und Bedeu-
tung viel umstritten: „oscillorum autem variae
sunt opiniones“, wie Vergils Kommentator Ser-
vius seine konfusen Notizen zu der Stelle eröff-
net. Und wenn auch die neuere Deutung von
Vergils Georgica immer mehr dazu neigt, in den
oscilla Abbilder oder Masken des Bacchus zu
sehen (vgl. den Beitrag von W. Ehlers zu Pauly-
Wissowa, Realenzykl. XVIII, 2, 1567 ff.), so hat-
ten doch der oder die ahd. Erklärer im An-
fangsteil des Tegernseer Vergilkodex das ganze
kritiklos zusammengewürfelte mythographi-
sche und volksetymologische Allerlei vor Au-
gen, mit dem Servius das auch heute noch ety-
mologisch ungedeutete Wort (s. Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. II, 226 f.) assoziierte, s. Ser-
vius zu Vergil III, 1 (Leipzig, 1887, Neudr.
1961), 253 f. Dazu gehörte vor allem die Über-
lieferung vom Untergang des Bacchusfreundes
Ikarios und dem Hängetod seiner Tochter Eri-
gona sowie von der Selbstmordepidemie junger
Athenerinnen durch Erhängen am Baum, wobei
einmal das lat. Wort funis ‚Seil, Strick, Strang‘,
zweimal lat. laqueus ‚Schlinge (zum Erdros-
seln)‘ fällt; und aus all dem folgt ja der Sühneri-
tus der Aἰώρα ‚Schaukel‘ mit den zu schaukeln-
den Opfern in Puppengestalt.
Nur so könnte sich vielleicht *bandast als ‚der
(zur Schlinge) gebogene Zweig‘ erklären, vor
allem aber die ihm voraufgehenden und nur
hier sich häufenden Glossen zu lat. oscillum
(-a): seilrîs ‚Strangreis‘, tochun ‚Puppen‘, ritasco-
pha ‚Schaukel‘ (s. d. d.): aber man zögert, auch
den auffallenden Sing. von padast/ *bandast ei-
ner der voraufgehenden zusätzlichen Verdeut-
schungen zur Last zu legen. So fehlt noch im-
mer viel zu einer überzeugenden Deutung der
Stelle.
Vgl. Ahd. Wb. I, 803 f.; Starck-Wells 42 (die Bandzahl
III steht versehentlich für II); Graff II, 476. 540; Die-
fenbach, Gl. lat.-germ. 402 (oscillum).