bibinella
Volume II, Column 12
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bibinellaAWB f. ō- (oder n-?)St. Var. pib-,
pip-, bip-, biu- sowie -en-, -on-, nur in Gl.
vom 11. Jh. an im Nom.Sg. belegt: Biber-
nell(e), auch Pimpernell, Pimpinelle
(Pflan-
zenname): Dem ahd. Wort entsprechen 9 lat.
Benennungen der verschiedensten Pflanzenar-
ten
, lat. pipinella, brunella, sideritis, her-
aclea, agrimonia, armoracia, viticella, ambro-
sia, ginzia(?) (Ahd. Wb. I, 997 f.; vgl. auch
Marzell, Wb. d. dt. Pflanzennamen I, 396 ff.;
III, 754 ff.; ders., Dt. Heilpflanzen² 154 ff.; Fi-
scher, Mittelalt. Pflanzenkunde 129. 278).
Der Name erscheint im Mhd. als bibenelle,
auch biber-, beben- sowie pimpe-, pip(pe)nelle
sw.f. In der Hochsprache der Gegenwart hat
man sich, nach Duden, auf Bibernelle f. (in
Angleichung an Biber) und die (aus dem Frz.
entlehnten) Nebenformen Pimpernell m. und
Pimpinelle f. geeinigt; zu den Mdaa. s. u.

Ahd. Wb. I, 997 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 1211; Starck-
Wells 51. 792; Graff III, 322; Lexer I, 263; Nachtr.
82; Benecke I, 115; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 49 (ar-
moracia). 207 (eraclea). 436 (pipinella). 533 (sideritis);
Dt. Wb. I, 1806; Kluge²¹ 550; Kluge²² 547.

Die den Hauptwortton tragende Endung -ella
in ahd. bibinella verrät den nicht-germ. Ur-
sprung des Wortes. Es ging wohl aus einem
spätlat. *piperinella Pfefferkraut mit starkem
Nebenton auf der Anfangssilbe und daraus fol-
gender Verschleifung der zweiten und dritten
Silbe sowie Lenisierung des anl. p- als bibinella
ins Ahd. über und mit zwischenvokalischem la-
bialem Reibelaut ins Alt- und Mittelndd. als bi-
inella bzw. bevenelle, sowie mndl. und nndl.
bevenelle bzw. bevernel, nicht ohne Nebenfor-
men, die das ursprl. -r- des lat. Ausgangspunk-
tes reflektieren; auch im Mhd. konkurrieren ja
Varianten mit -r-, zumal in der obszönen Be-
zeichnung eines Weibes: bippernelle. In der Ge-
schichte des entsprechenden engl. Lehnworts,
das auf afrz. pimpinelle, piprenelle (12. Jh.) zu-
rückgeführt wird und wohl von daher sein anl.
p- bezog, sind Formen mit -r- von vornherein in
der Überzahl me. pimpernel(e), -nelle, -nol(le)
u. a., ne. pimpernel , wie sich ja auch im Nfrz.
die Lautung pimprenelle über die -r-losen For-
men hinweg durchgesetzt hat. (Das -m- der
Stammsilbe, das schon in sehr frühen Quellen
begegnet und allen möglichen Kontaminationen
zur Last gelegt wurde, hat noch immer keine
plausible Erklärung gefunden, möglicherweise
handelt es sich um eine expressive Nasalierung;
dazu Lühr, Expressivität 179). In den übrigen
roman. Sprachen kehrt das Wort als italien.
port. pimpinella, span. pimpinela wieder. Für
die etym. Analyse von lat. piper sei verwiesen
auf Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 308 f.; Er-
nout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 509.

Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 261; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 308; Verdam, Mndl. handwb.
93; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 59; Vries, Ndls. et.
wb. 53; Holthausen, Ae. et. Wb. 246; ME Dict. P-
938; OED² XI, 845; Oxf. Dict. of Engl. Et. 681.
Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 7160; Gamillscheg, Et.
Wb. d. frz. Spr.² 703; Wartburg, Frz. et. Wb. VIII,
555 f. Vgl. auch R. Hakamies, Neuphil. Mitt. 51
(1950), 34 ff.

Allerdings fehlt es nicht an Bedenken gegenüber
dem Ansatz von spätlat. *piperinella, da ein sol-
cher Ansatz als Bezeichnung der Bibernelle nur
für eine der so vielfältigen Anwendungen des
Pflanzennamens sachlich gerechtfertigt er-
scheint (s. o.), nämlich für den Meerrettich (Ar-
moracia rusticana L.) mit dem pfefferscharfen
Geschmack seiner Wurzel, s. Marzell, Dt. Heil-
pflanzen² 105. Eben diese Bedenken gaben L.
Spitzer Anlaß, die ganze Wortgruppe ne. pim-
pernel, pimp, whimbrel einer weitausholenden
Analyse zu unterziehen, Word 7 (1951), 211 ff.,
indem er von *pipinella und dem Stamm *pi-
pin- als einer Kose- oder Lallform der Kinder-
stube zur Bezeichnung von etwas Kleinem aus-
ging unter Pflanzennamen ein seltener Fall!
Abwegig waren aber auch die früheren Versu-
che, von Diez und anderen, in *pipinella ein
entstelltes *bipennula, eine vermeintliche Di-
min.ableitung von bipennis zweiflügelig (vom
bot. Blätterstand!), wiederzufinden (Et. Wb. d.
rom. Spr.⁵ 248).

Auch in den dt. Mdaa. von heute ist das Wort noch
weit verbreitet und hat infolge seiner exotischen Ge-
stalt zu allerlei volksetym. Assoziationen Anlaß gege-
ben, vgl. Schweiz. Id. IV, 923 f. (Bimmenell u. a.); Fi-
scher, Schwäb. Wb. I, 1092 f. (Bimber-, Bumbernell);
Kranzmayer, Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. III, 132 f.;
Müller, Rhein. Wb. VI, 844 f.; Christmann, Pfälz.
Wb. I, 910; Bretschneider, Brandenb.-berlin. Wb. I,
585 f.; Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. V, 407; Ziese-
mer, Preuß. Wb. I, 594.

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