bimAWB, binAWB 1. sg. zum an. Verb wesan, sîn
‚sein‘ (s. d. d.); bistAWB 2. sg.; birum, birun 1. pl.; bi-
rut 2. pl. — Mhd. bin, bist, birn, birt (alem.
bint); nhd. bin, bist.
Diese Mischformen aus den idg. Wurzeln
*bheu̯ǝ- [**bheu̯H₂-] (→ bûan) und *es-
[**H₁es-] (→ sîn²) haben Entsprechungen in
den meisten wgerm. Sprachen (nur im Sg.!): as.
bium, -n, bist, mndd. bin, bist; mndl. bem,
best, nndl. ben, bent; afries. bim, -n. Im Ae. ist
dagegen aus jeder Wz. ein besonderes Paradig-
ma entstanden: eom, eart, is, sint/ sindon —
bēo/ bīom, bist, bid, bīod/ bēod. Nord- und ost-
germ. geht das ganze Präs. auf *es- zurück.
Im einzelnen ist die Entwicklung wohl folgen-
dermaßen verlaufen: -u- in ahd. birum, birut
weist auf die Sieverssche Variante uridg. *s-és
[**H₁s-és] des Verbs ‚sein‘, die im Germ.
hätte *sumez ergeben müssen (zur Entwicklung
von Sieversschen Varianten im Paradigma von
‚sein‘ im Germ. vgl. die Optativformen got. si-
jau, sijais usw. mit Umbildung < *s-ii̯ēm
[**H₁s-ii̯eH₁m] usw.). Der Bestandteil *-umez
konnte mit der lautlich gleichsetzbaren Endung
der Präteritopräsentien in Zusammenhang ge-
bracht werden, da diese Verben ebenso wie das
Verb ‚sein‘ einen Zustand bezeichnen. Während
im Frühgot. *sum und die analogisch nach den
Präteritopräsentien gebildete 2. Pl. *suþ unter
dem Einfluß der i-haltigen Formen im Paradig-
ma von ‚sein‘ zu sijum, sijuþ umgebildet wur-
den, ergeben sich aus dem West- und Nord-
germ. die Vorformen *ezume, *ezuđe, in denen
wie im Lat. und Baltoslav. das *e des Sg. in den
Pl. eingeführt wurde (vgl. lat. 2. pl. estis, aksl.
1. pl. jesmь, 2. pl. jeste, lit. 1. pl. esmè). Was das
-t in der 2. Sg. und den b-Anlaut in den 1.,
2. Personen im Ahd. angeht, so kommt dem -t
bei der Übertragung des b-Anlauts eine Schlüs-
selstellung zu: Von den für das Westgerm. anzu-
setzenden, der Form nach als Präteritopräsen-
tien auffaßbaren Pluralformen *izum(e), *izu-
đ(e) drang die für die Präteritopräsentien cha-
rakteristische Endung *-t der 2. Sg. in die 2. Sg.
des Verbs ‚sein‘ ein: *is > *ist. Da durch den
Antritt von *-t die 2. Sg. *ist mit der 3. Sg. *ist
zusammenfiel, wurde durch die Einführung des
b- (< *bh-) aus dem danebenstehenden, von
*bheu̯ǝ- abgeleiteten biu-Paradigma (urgerm.
*ījō, *ījizi, *ījiđi usw. < *bhū-i̯ō mit Wan-
del von *ū zu *ī vor *i̯ im Westidg.; vgl. lat.
pīus ‚fromm‘ zu aind. punti ‚reinigt‘, lat. suffīre
‚räuchern‘ zu lat. fūmus ‚Rauch‘) eine Unter-
scheidung möglich: *ist > ahd. bist und danach
*im > bim und weiterhin birum, birut. Wäh-
rend im As. und Afries. die 3. Sg. *ist nach dem
Vorbild der Präteritopräsentien, wo in der 2. Sg.
-t und in der 3. Sg. 0 gilt, zu is umgebildet wur-
de, hat sich im Ahd. ererbtes ist erhalten. Die a-
haltigen neuengl. Formen I am, you are usw.
können ebenfalls mit dem uridg. Paradigma des
Verbs ‚sein‘ in Zusammenhang gebracht werden:
*er der 2. Pl. frühae. *eruþ usw. (< westgerm.
*izuđ[e] usw. mit Senkung von *i vor *R) wur-
de in die 2.Pl. *ist übertragen: *ist > *ert. We-
gen des ungewöhnlichen Ablauts in einer 2. Sg.
mit *-t wurde der Ablaut der Präteritopräsen-
tien (*art) hergestellt und von der 2. Sg. aus auf
die anderen Personen übertragen.
Zur Erklärung der einzelnen Formen s. bes.
R. Lühr, in Das Germ. u. d. Rekonst. d. idg.
Grundspr. 25 ff.; ferner Seebold, Germ. st. Ver-
ben 112 ff.; A. Bammesberger, Der Aufbau des
germanischen Verbalsystems (Heidelberg, 1986),
119 ff.; Prokosch, Comp. Gmc. Gr. 219 ff. Wei-
teres zur Etym. → bûan.
Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 379; Paul, Mhd. Gr.²³ § 282;
Kluge²¹ 78; Kluge²² 86; Holthausen, As. El.buch
§ 473; Lasch, Mndd. Gr. § 449; Franck, Mndl. Gr.
§ 165; ders., Et. wb. d. ndl. taal² 821 f. (s. v. zijn²);
Vries, Ndls. et. wb. 44; Holthausen, Ae. et. Wb. 20;
Sievers-Brunner, Ae. Gr.³ § 427; Helten, Aostfries. Gr.
§ 308; Steller, Abr. d. afries. Gr. § 105.