biniotan
Band VI, Spalte 973
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biniotan st.v. II (prät. *binôt, *binutum,
*binotan), im Abr (1,146,30 [Pa, Kb, Ra]. 247,
34 [Kb]): ‚befestigen, abschlagen, herausschla-
gen; excutere, munireVar.: pi-, phi-; -hniut-,
-niud-. In phiniudid (Gl. 1,146,30 [Kb]) ist -h-
metathiert. Von der Schwundstufe ist das sw.v.
I nutten gebildet (s. d.). – Im Mhd. ist nur das
vom st. Verb abgeleitete Subst. niet st.m./f., nie-
te sw.m./f. ‚breitgeschlagener Nagel‘ belegt, das
wiederum die Basis für nieten sw.v. ‚mit Nä-
geln befestigen‘ ist, nhd. Niete f., Niet m. ‚Me-
tallbolzen mit einem verdickten Ende, der Me-
tallstücke miteinander verbindet‘, davon abge-
leitet nieten sw.v. ‚mit Nieten verbinden, befes-
tigen‘.

Ahd. Wb. 6, 1273; Splett, Ahd. Wb. 1, 671; Köbler, Wb.
d. ahd. Spr. 100; Schützeichel⁷ 238; Starck-Wells 441;
Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 104; Bergmann-Stri-
cker, Katalog Nr. 253. 298 (I). 747; Seebold, ChWdW8
223. 426. 503; Graff 4, 1126; Lexer 2, 78 f.; 3, Nachtr.
331; Dt. Wb. 13, 841 (s. v. niet m./n.); Kluge²¹ 511 f. (s. v.
niete¹); Kluge²⁵ s. v. Niete¹; Pfeifer, Et. Wb.² 925 (s. v.
Niete¹). – Schatz 1927: § 435; Riecke 1996: 574.

Das ahd. st. Verb hat nur im Nordgerm. direkte
Entsprechungen: aisl. *hnjóða st.v. (nur part.
prät. hnoðit und prät.sg. hnauð) ‚schlagen, sto-
ßen‘, nisl. hnjóða st.v. ‚nageln, stoßen, schla-
gen, befestigen‘, fär. njóða st.v. ‚stoßen‘, nnorw.
njoda st.v. ‚schlagen‘, aschwed. niudha st.v.
‚dss.‘: < urgerm. *χneđ-e/a- ‚schlagen, sto-
ßen‘. Im Nordgerm. ist von dem Verb auch das
Subst. urnord. *hnuđōn f. ‚Keule‘ abgeleitet:
aisl., nisl. hnyðja f. ‚Keule‘, nnorw. (nn.) nydje
‚Schlagstock, Keule‘, nschwed. nydja ‚Treib-
keule, Schlegel‘, ndän. nødde ‚dss.‘. Das sw.
Verb mhd. nieten (s. o.) setzt hingegen zusam-
men mit mndd. nēden sw.v. ‚etw. mit dem
Hammer durch Breitschlagen eines Nagels be-
festigen‘, mndl. nieten/nieden sw.v. ‚festschla-
gen‘ und nndl. neten, nijden sw.v. ‚nieten‘ ein
sekundäres jan-Verb westgerm. *χneđ-e/a-
fort, eine denominale Ableitung von dem Subst.
westgerm. *χneđ-a- (~ mhd. niet st.m./f., niete
sw.m./f. ‚breitgeschlagener Nagel‘; mndl. nied
‚Nietnagel‘ [in dem Ausdruck met niede], nndl.
niet, neet f. ‚dss.‘).

Das Nebeneinander der Wurzelvokale ij, ie und e zeigt
die unterschiedliche regionale Entwicklung des einstigen
Diphthongs *e (Et. wb. Ndl. Ke-R 422 f.). Die Formen
mit inl. t des Ndd. und Ndl. beruhen hingegen auf Ein-
fluss des Subst., wo das d der Auslautverhärtung unter-
liegt (vgl. Franck 1910: § 87). Die Schreibungen mit d
und die unterschiedliche Entwicklung der Wz.vokale
sprechen gegen eine Entlehnung aus dem Hd.

Das sw. Verb mndl. nieten ist außerdem ins
Schwed. als nita ‚mit Nieten befestigen‘ und
ins Ndän. als nitte ‚dss.‘ übernommen worden.
Ebenfalls aus dem Ndl. entlehnt ist ne. need
‚Niete‘.

Fick 3 (Germ.)⁴ 100; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 235; See-
bold, Germ. st. Verben 268; Lasch-Borchling, Mndd.
Handwb. 2, 1, 1075; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. 3, 168;
Verwijs-Verdam, Mndl. wb. 4, 2405 f.; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 454 f.; Vries, Ndls. et. wb. 470; Et. wb. Ndl. Ke-
R 422 f.; eOED s. v. †need n.²; Vries, Anord. et. Wb.² 244.
245; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 218 f.; Fritzner, Ordb. o. d.
g. norske sprog 2, 30; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awest-
nord. 121; Magnússon, Ísl. Orðsb. 349 f.; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 1, 768. 784; Nielsen, Dansk et. ordb.
308; Ordb. o. d. danske sprog 15, 226; Torp, Nynorsk et.
ordb. 459. 466; NOB s. v. njoda; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 1, 710; Svenska akad. ordb. s. v. nita.

Die Wurzel urgerm. *χneđ- setzt mit *dh-
Erweiterung die Wz. uridg. *kneH- ‚krat-
zen, schaben‘ (~ gr. κνω ‚kratze‘; s. niuwan)
fort. Die erweiterte Wz. uridg. *kneH-dh- ist
sonst nur in gr. κνῦσα ‚Krätze‘ und dem Verb
lett. knūdu ‚jucke‘ belegt. Fern bleibt auf-
grund der Bed. die Hesychgl. κνυθόν ‚klein‘.
Zum Nebeneinander der Bed. ‚kratzen, scha-
ben‘ und ‚stoßen‘ vgl. lat. scalpō ‚schabe, krat-
ze, steche‘ und gr. σκαλεύω ‚stoße, kratze (von
Federvieh)‘. Aus dem Mndd. sind schließlich
lett. niẽde f. ‚Niete‘ und niēdêt ‚nieten‘ ent-
lehnt.

Bei der zuletzt von Kroonen, Et. dict. of Pgm. 235 an-
geführten Hesychgl. κνύθος ‚kleines dorniges Ge-
wächs‘ handelt es sich um eine Fehllesung für κνύφος
(vgl. TLG s. v. κνύφος), das wegen des kurzen u und des
ph nicht zu *kneH- gehört.

Walde-Pokorny 1, 392 ff.; Pokorny 563; LIV² 366; Frisk,
Gr. et. Wb. 1, 887; Chantraine, Dict. ét. gr.² 528; Beekes,
Et. dict. of Gr. 1, 726; Fraenkel, Lit. et. Wb. 1, 279; Müh-
lenbach-Endzelin, Lett.-dt. Wb. 2, 251; Karulis, Latv. et.
vārd. 1, 412.

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