birebezzôn sw.v. II, nur in Gl. 2,491,31
(12. Jh., alem./obd.): ‚wüten, (vor Zorn) mit
den Zähnen knirschen; frendere‘ 〈Var.: berebe-
zonti〉. Grundlage für die Bildung mit dem Suff.
urgerm. *-ati̯e/a- (Krahe-Meid 1969: 3, § 193)
ist wohl ein im Ahd. bisher nicht belegtes st.v.
V *reban ‚sich bewegen, rühren‘ (zum Ablei-
tungsverhältnis vgl. ahd. biliggen ‚vergewalti-
gen‘ : biliggazzen ‚Gewalt antun‘ [s. dd.]). Ahd.
*reban ist in mhd. rëben st.v. ‚sich bewegen,
rühren‘ (s. u.), nhd. dial. bair. reben sw.v. ‚rühren‘
(vgl. noch nhd. dial. bair. rebisch adj. ‚mun-
ter‘) fortgesetzt. Die Bed. ‚wüten‘ ist durch die
intensiv-iterative Bed. des Suff. entstanden; es
ist eine triviale Bed.entwicklung ‚sich heftig
bewegen‘ zu ‚wüten‘ eingetreten (vgl. das Ver-
hältnis ai. bhar- ‚sich rasch hin- und herbewe-
gen‘ : bhrṇi- ‚wild‘). Nach Bailey 1997: 105
ist diese Zusammenstellung aus semantischen
Gründen nicht überzeugend, ohne jedoch Ge-
genargumente anzuführen.
Obwohl der Beleg 〈berebezonti〉 auf ein ahd. ōn-Verb
weist, wird das Verb in der Literatur regelmäßig als jan-
Verb angesetzt (vgl. etwa eKöbler, Ahd. Wb. s. v. birebez-
zen; Starck-Wells 475; Raven 1963–67: 1, 148), ver-
mutlich, weil historisch nur diese Verbalklasse in Frage
kommt: Das Verb ist mit dem Suff. urgerm. *-ati̯e/a- ge-
bildet. Jedoch finden sich im Ahd. (und auch im As.)
manchmal mit diesem Suff. abgeleitete Verben, die se-
kundär in die ōn-Klasse übergetreten sind (vgl. dazu
Krahe-Meid 1969: 3, § 193 [S. 261]), was auch hier der
Fall gewesen sein dürfte.
Unter *blabazen ‚stammeln, plappern‘ (s. d.) wird die
ahd. Form 〈berebezonti〉 fehlerhaft zu birefsen ‚tadeln‘
(s. d.) gestellt.
Riecke 1996: 230 f. nimmt als Ableitungsbasis ahd.
*reben sw.v. (ohne Bed.angabe) an. Dies begründet er da-
mit, dass ein st.v. mhd. rëben unwahrscheinlich sei, da
der einzige Beleg des Wortes - das Prät. rab - ein Reim-
wort mit gab bilde; die Form sei somit nur des Reimes
wegen gewählt; auch würden keine weiteren Belege den
Ansatz eines st. V. stützen. Schließlich sei die ganze Grup-
pe aus dem Lat. entlehnt. Diese Argumente sind jedoch
keineswegs zwingend. Da es keine weiteren Formen des
mhd. Verbs gibt, ist es schlichtweg nicht entscheidbar, ob
rab eine analogische Form nach gab ist oder nicht; so-
lange keine Beweise für ein mhd. sw. V. beigebracht wer-
den können, ist die Annahme eines st. V. einfacher; die
sw. Flexion von bair. reben kann jedenfalls ohne Weite-
res sekundär aus einem st. Verb entwickelt sein. Gegen
die Annahme eines lat. Lehnworts s. u.
Ahd. Wb. 7, 725; eKöbler, Ahd. Wb. s. v. birebezzen;
Schützeichel⁷ 254; Starck-Wells 475 (s. v. bi-rebezzen);
Schützeichel, Glossenwortschatz 7, 345; Bergmann-
Stricker, Katalog Nr. 874; Lexer 2, 356 f. – Riecke 1996:
230 f. (bi-rebazzen); Bailey 1997: 105 (bi-rebezzen).
In den anderen germ. Sprachen gibt es keine
Entsprechungen.
Das st.v. V ahd. *reban, mhd. rëben setzt west-
germ. *rebe/a- < urgerm. *reƀe/a- fort.
Dagegen nimmt Riecke 1996: 231 für ahd.
birebezzôn als Grundlage ein sw.v. I *reben an,
das aus vulg.lat. rabiare ‚wüten, rasen‘ entlehnt
sei. Dafür verweist er auf ae. rabbian sw.v. ‚ra-
sen‘, das mit expressivem -bb- (vgl. dazu Wiss-
mann 1932: 161 f.) sicher aus vulg.lat. rabiare
(und nicht mit Trautmann 1906: 66 aus lat. ra-
bere ‚toll sein, wüten, toben‘) stammt (vgl. u. a.
Schuldt 1905: 71; eOED s. v. †rabiate adj.; A.
S. C. Ross, NphM 76 [1975], 577 Fn. 3; F. S.
Miret u. a., FoLH 18 [1997], 159; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. 2, 413). Jedoch wären dann
für die ahd. und ae. Wörter wegen des Unter-
schieds zwischen -e- und -a- in der Stammsilbe
unterschiedliche Entlehnungswege anzuneh-
men, nämlich einerseits westgerm. *rabi̯e/a- >
*rebi̯e/a- > *rebbi̯e/a- > ahd. *rebben, obd.
*reppen (der Ansatz *reben bei Riecke
1996: 231 wäre dementsprechend zu korrigie-
ren) und andererseits westgerm. *rabōi̯e/a- →
*rabbōi̯e/a- (mit expressivem *bb) > ae. rab-
bian, was wenig überzeugend ist. Gegen eine
ahd. Form mit -bb- spricht schließlich auch
birebezzôn selbst.
Für ae. rabbian wäre eine unmittelbare Anbindung an die
Wz. urgerm. *reƀ- wohl auch möglich, etwa über ein davon
abgeleitetes Subst. oder Adj. mit a-stufiger Wz, wobei -bb-
wieder eine Sonderentwicklung sein müsste (vgl. o.).
Aus semantischen Gründen ist die Rückführung von
mhd. rëben auf die Wortgruppe um urgerm. *u̯rei̯ƀe/a-
‚reiben‘ (so de Vaan, Et. dict. of Lat. 511) (s. rîban) un-
wahrscheinlich.
Der Vorschlag von Richter 1909: 152, dass die germ.
Verben onomatopoetische Bildungen seien, ist unnötig.
Fick 3 (Germ.)⁴ 338 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 251;
Bosworth-Toller, AS Dict. 780.
Urgerm. *reƀe/a- < vorurgerm. *rébh-e/o- ist
eine Präs.bildung von der Verbalwz. uridg.
*rebh- ‚sich (heftig) bewegen‘.
Dazu gehört auch lat. rabere ‚wüten, rasen‘
(mit analogischem *re-) < uridg. *bh-i̯é/ó-.
Dagegen trennt S. Häusler, HS 113 (2000), 143–150 (vgl.
auch Cheung, Et. dict. of Iran. verb 184 f.) die in LIV²
496 hinzugestellten Formen parth. rf- ‚angreifen‘ und
npers. rav- ‚gehen‘ (vgl. noch mpers. raw- ‚gehen‘, pahl.
raftan ‚gehen‘) von ahd. birebezzôn (so auch LIV² Add.
s. v. 1. *rebh-); sie sind ihrer Meinung nach besser an die
Verbalwz. uridg. *lembh- ‚ergreifen, fassen‘ (vgl. dazu LIV²
411 f.) anzuschließen. Abweichend setzt Werba 1997: 225.
227 f. zwei separate Wz. *labh- ‚ergreifen‘ und *lembh- ‚sich
stützen‘ an, was mit Hinweis auf Schwierigkeiten bei der
Abgrenzung LIV² Add. s. v. lembh- aber unsicher bleibt.
Walde-Pokorny 2, 341. 370; Pokorny 852. 853; LIV² 496;
Add. s. vv. lembh-, rebh-; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 2,
413; Ernout-Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 562; de Vaan, Et. dict. of
Lat. 511. – O. Szemerényi, ZDMG 101 (1951), 207 f.
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