birenken
Band VII, Spalte 377
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birenken ? sw.v. I, nur in MZ: ‚einren-
ken‘ (nicht ‚verrenken‘) 〈Var.: birenkict〉. Das
Wort ist vermutlich ein so nicht weiter fortge-
setztes Komp. aus bi- (s. ) und ein im Ahd.
nicht als Simplex bezeugtes *renken (trotz ge-
genteiliger Angabe u. a. in Dt. Wb. 14, 805);
eine bildegleiche Parallele, jedoch mit abwei-
chender Bed., findet sich im Ae. (s. u.). Zu ein-
zelnen Interpretationen des Wortes, die teils
auch einen anderen Lemmaansatz nach sich zie-
hen, s. u. – Vgl. die Simplizia mhd. renken sw.v.
‚drehend ziehen, hin und her bewegen‘, nhd.
renken sw.v. ‚drehend hin und her bewegen‘.
Die genaue Deutung der Folge 〈birenkict〉 ist
schwierig, zumal es ein Hapaxlegomenon ist.
1. Am weitesten verbreitet ist die Ansicht, dass
die Form ein Nom.Sg.m. Part.Prät. des sw. V.
birenken ist. Dessen Bed. wird zumeist mit
‚verrenken‘ angegeben; vgl. die Angabe in
Beck 2011: 160. 〈birenkict〉 ist aber mit F.
Wrede, BSB 1923, 89 und W. Beck, Sprache 41
(1999), 89–103 (vgl. auch ders. 2011: 160–162)
besser als ‚einrenken‘ aufzufassen, da bi- zu-
meist lokale Funktion hat (vgl. W. Beck, Spra-
che 41 [1999], 93 f. mit älterer Lit.). Dagegen
nimmt J. A. Harðarson, Kratylos 53 (2008), 157
für das Verbalpräf. bi- eine negierende Funk-
tion an und für das Verb die Bed. ‚verrenken‘.
Diese Auffassung ist jedoch weniger wahr-
scheinlich, da das Präfix bi- in negierender
Funktion „ziemlich selten und nur bei bestimm-
ten semantischen Feldern“ vorkommt (Nedoma-
Eichner, Sprache 42 [2000/2001], 114 mit Hin-
weis auf das Material in Bogner 1933). J. A.
Harðarson, a. a. O. wendet gegen den Bedeu-
tungsansatz ,einrenken‘ ein, dass dann „in der
historiola auf die Beschreibung eines Unfalls
verzichtet <wird> und statt dessen der Hei-
lungsvorgang gleich geschildert wird“, was „a
priori als weniger wahrscheinlich gelten“ dürfe.
Doch auch dieser Einwand überzeugt nicht.
Denn die historiola kann sowohl die Konstatie-
rung des Unfalls (wie im TPS), wie auch ledig-
lich eine Zustandsfeststellung (wie in GPfWü
[StD 373]), wie auch bereits die Schilderung
der vorweggenommenen Heilung (wie in GFa)
enthalten.
Bei der Zuordnung von 〈birenkict〉 zu dem Verb
birenken muss aber die Schreibung 〈ct〉 erklärt
werden. Am einfachsten und auch am weitesten
verbreitet ist die Annahme eines Schreibfeh-
lers. Nach W. Beck (schriftlich) wäre der Aus-
gangspunkt „birenkit mit t, das in der karolingi-
schen Minuskel … wie ein c aussehen kann.
Der Schreiber hat womöglich so ein t zu c ver-
lesen/verschrieben und konnte es dann nicht zu
t korrigieren, weil nach links kein Platz mehr
war, den t-Strich zu setzen. Deshalb hat er das t
mit dem Ligaturbogen als Korrektur“ angefügt.
Andere Erklärungen – wie birenkict zu einer
Var. der Form birenkigen (Th. von Grienberger,
ZDPh 27 [1895], 451), 〈ct〉 aus einem 〈d〉 der
Vorlage (W. Krogmann, ZDPh 71 [1951/52],
154), 〈c〉 beeinflusst durch das vorausgehende
〈k〉 (Penzl 1972: 25), Verschränkung einer
Form „*biranct [mit Rückumlaut und analogi-
scher Synkope] mit regelrechtem *birenkit
(als theoretische Möglichkeit bei Nedoma-
Eichner, a. a. O. 113) – sind in Gegensatz dazu
weniger naheliegend.
2. Demgegenüber geben Nedoma-Eichner,
a. a. O. 113 für 〈birenkict〉 zwei hiervon abwei-
chende Deutungen:
2.a. Für wahrscheinlicher halten sie eine Ablei-
tung mit dem Suff. -ht (dazu s. u.) von einem
Verbalabstraktum bzw. Adj.abstraktum birenkî;
diese Deutung wird auch von J. A. Harðarson,
a. a. O. befürwortet. Das Suffix erscheint in
Krankheitsbez. wie misaloht ‚aussätzig‘ (s. d.)
und bei Wörtern, die negative Erscheinungen
bezeichnen, wie lochiroht(i) ‚mit Löchern ver-
sehen, löcherig‘ (s. d.); das von ihnen ebenfalls
angeführte Adj. bulaht hat aber nicht die Bed.
‚beulig‘, sondern ‚Zorn‘ bzw. ‚zornig, wütend‘
(s. d.). Die Graphie 〈ct〉 für ht beruhe dabei –
ebenso wie in hapt, heptidun und haptbandun
mit 〈pt〉 für ft (vgl. dazu Beck 2011: 52) – auf
rom. Schreibpraxis (vgl. dazu Braune-Heider-
manns 2018: § 154 Anm. 4b). Das Wort sei so-
mit ein Adj. +birenkiht mit der Bed. ‚von einer
Verrenkung betroffen‘ (Nedoma-Eichner, a. a. O.
11); dessen Basis birenkî sei ‚Verrenkung‘.
Da Nedoma-Eichner, a. a. O. 113 f. dem Verb
birenken aber die Bed. ‚ausrenken‘ zu Recht ab-
sprechen, ist für birenkî die Bed. in ‚Einren-
kung‘ zu korrigieren. Denn das +birenkiht zu-
grunde liegende Abstraktum birenkî ist
entweder unmittelbar vom Verb abgeleitet oder
über ein deverbales Adj. *biwranc, das so nur
‚eingerenkt‘ und nicht wie von Nedoma-Eichner,
a. a. O. 113 angesetzt ‚ausgerenkt‘ bedeuten
kann. +birenkiht kann somit nur ‚von Einren-
kung betroffen‘ bedeutet haben. Gegen den An-
satz eines solchen Adj. spricht aber, dass weder
die Ableitungsbasis birenkî ‚Verrenkung‘ noch
die Ableitung selbst sonst im Sprachmaterial
des Dt. und der anderen germ. Sprachen eine
Stütze finden. Dazu kommt, dass es ein „geläu-
figes deutsches Suffix“ -ht (Nedoma-Eichner,
a. a. O.) in dieser Form nicht gibt; im Ahd. sind
lediglich die Formen -aht und -oht belegt (s. -oht).
Wie dabei das Verhältnis hanthaba ‚Griff,
Stiel, Henkel, Öse, Schlinge‘ : hanthaboht(i)
‚mit einem Henkel versehen‘ (s. dd.) oder
krinna ‚Kerbe, Einschnitt (im Kerbholz), Kerb-
holz, (Wert-)Marke‘ : krinnoht(i) ‚mit Kerben
versehen, muskulös‘ (s. dd.) zeigt, wird der vor
dem Suff. stehende Vokal getilgt; als Ableitung
von *birenkî wäre somit *birenkaht oder
*birenkoht zu erwarten.
2.b. Als (weniger wahrscheinliche) Alternative
erwägen Nedoma-Eichner, a. a. O. 113 ein Adj.
+brenkîg, das um ein unorganisches -t erweitert
sei, „wofür es Parallelen gebe“ (J. A. Harðarson,
a. a. O.). Selbst wenn man das unorganische -t
erst dem letzten Abschreiber zuschreiben würde
(erstes Drittel des 10. Jh.s; vgl. Beck 2011: 230
mit älterer Lit.), wäre ein solcher Zeitraum für
ein unorganisches -t sehr früh; die bei Haltenhoff
1904 passim gelisteten Belege sind jedenfalls
alle deutlich später.
Die verschiedenen Vorschläge zur Erklärung
von 〈birenkict〉 haben auch eine unterschiedli-
che syntaktische Struktur des Satzes du uuart
demo balderes uolon sin uuoz birenkict zur
Folge. So geht Beck 2011: 160 von einer passi-
vischen Konstruktion „mit uuart und einem
Partizip Präteriti“ aus, wozu „der uuoz des bal-
deres uolon in Patiensrelation“ stehe (vgl. auch
W. Beck, Sprache 41 [1999], 94–96). Demge-
genüber nehmen Nedoma-Eichner, a. a. O. 110
an, dass die Verbalform uuart hier „vollwertig
gebraucht, nicht als Hilfsform im ersten Glied
des periphrastischen Passivs“ sei.

Ahd. Wb. 7, 907 f.; Splett, Ahd. Wb. 1, 742; eKöbler, Ahd.
Wb. s. v. birenken; Schützeichel⁷ 258; Heffner 1961: 122;
Lexer 2, 403; 3, Nachtr. 347; Dt. Wb. 14, 805 f.; Kluge²¹
596; Kluge²⁵ s. v. renken; ePfeifer, Et. Wb.² s. v. renken. –
Riecke 1996: 608 f.; ders. 2004: 2, 406.

Für die weitere etym. Beurteilung haben die
unterschiedlichen Interpretationen der Folge
〈birenkict〉 keine weiteren Folgen, da sie alle
(direkt oder indirekt) auf urgerm. *rankie/a-
‚drehen, verdrehen‘ beruhen, das verbal außer-
halb des Dt. lediglich im Engl. in ae. wrencan
sw.v. ‚renken, drehen, Ränke spinnen‘ (dazu
auch bewrencan sw.v. ‚betrügen‘), me. wrenchen
(neben wrenche, wrinche, [hauptsächlich im
Norden] wrenk[e], [frühme.] wrenchien) sw.v.
‚drehen, wenden, verdrehen, verzerren, abwei-
chen, entwerfen, ersinnen‘, ne. wrench sw.v.
‚(mit einem Ruck) reißen, zerren, verrenken,
verstauchen‘ fortgesetzt ist.

Üblicherweise, aber letztendlich ohne absolute Sicher-
heit, stellt man urgerm. *rankie/a- zur Verbalwz. ur-
germ. *renǥe/a- ‚wringen‘, die fortgesetzt ist in:
as. -wringan st.v. (in ūtwringan* ‚auspressen‘ [lediglich
akk.sg.m. part.prät. utgiwrungana]), mndd. wringen st.v.
‚zusammendrehen, winden‘; frühmndl. wringhen (neben
wringen) st.v. ‚wringen, auspressen, ringen, streiten‘,
mndl. wringen st.v. ‚dss.‘, nndl. wringen st.v. ‚drehend
zusammendrücken‘; nwestfries. wringe st.v. ‚wringen,
auswringen‘, saterfries. wringe st.v. ‚wringen, (mit sik)
‚sich winden, krümmen, ringen‘; ae. wringan st.v. ‚rin-
gen, pressen, quetschen‘, me. wringen (neben wring[e],
wringge, wreng, ringe) st.v. ‚wringen, auspressen‘, ne.
wring st.v. ‚erzwingen, auspressen, wringen, verdrehen‘;
zu Ableitungen von dieser Verbalwz. vgl. die Angaben
in Seebold, Germ. st. Verben 570.
Urgerm. *renǥe/a- liegt daneben möglicherweise z.T.
auch in ahd. ringan ‚ringen, kämpfen, hadern, sich abmü-
hen, sich stemmen gegen‘ (s. d.) vor; jedoch setzt ahd.
ringan wohl in der Hauptsache ein Verb urgerm.
*χrenǥe/a- ‚ringen‘ fort (vgl. Lühr 1988: 169).
Das Nebeneinander der Lautungen von urgerm. *-ǥ- und
*-k- wird unterschiedlich erklärt:
1. Lühr 1988: 167–170 geht von einem generellen „Ne-
beneinander von Wurzeln auf urgerm. *-enk- und
*-enǥ- mit einer ähnlichen Bedeutung“ (S. 169 f.) aus; für
dieses Nebeneinander fehlt jedoch eine Motivation.
2. Kroonen, Et. dict. of Pgm. 594 setzt für die Lautung mit
urgerm. *-k- eine Iterativbildung urgerm. *runkōe/a- <
vorurgerm. *rgh-néh₂- an, für dessen Existenz er auf
mndl. wronckelen sw.v. ‚sich winden‘ verweist, eine
schwache Stütze für einen solchen Ansatz.
3. Scheungraber 2014: 37–42 meint, dass im Ahd. die
Form mit Tenuis das Resultat der Wirkung der westgerm.
Konsonantengemination ist; in diesem Fall wäre also eine
Entwicklung urgerm. *ranǥie/a- > westgerm. *rangge/a-
> vorahd. *(w)renkken (mit Vereinfachung der Doppel-
konsonanz nach langer Silbe) > ahd. *renken eingetreten
(Scheungraber nennt ahd. *renken nicht). Im Ae. seien da-
gegen zur auslautverhärteten Form in der 3.Sg.Prät. von
Wz. auf Media neue Verben mit Tenuis gebildet worden;
in diesem Fall somit: inf. wringan, 3.sg.prät. wranc → inf.
*wrincan und weiter das Kaus. ae. wrencan (vgl. Scheun-
graber, a. a. O. 40. 204). Davon abgesehen, dass die An-
nahme zweier unterschiedlicher Faktoren, die zufällig zum
gleichen Resultat führen, prinzipiell unökonomisch ist, ist
diese Erklärung für ahd. birenken nicht überzeugend.
Denn im Ahd. (wie Scheungraber, a. a. O. 38 zutreffend
bemerkt) ist diese Entwicklung nach Konsonanz nur im
Obd. eingetreten (vgl. dazu ausführlich Simmler 1974:
369–373). Somit müsste 〈birenkict〉 eine obd. Form sein.
Bei der Wiedergabe von k zeigen die MZ aber sonst keine
obd. Erscheinungen (vgl. Beck 2011: 211).
4. Nach einem neuen Vorschlag von M. Kümmel, in Olsen
u. a. 2016: 219–233, der bisher noch nicht weiter in der For-
schung diskutiert wurde, ist das Nebeneinander von For-
men mit *nk und * durch einen zunächst allgemeinen
Zusammenfall aller Okklusive nach *n zum stimmlosen
Okklusiv mit einer nachfolgenden, sekundären Entwick-
lung zum stimmhaften Okklusiv, außer wenn der Akzent
unmittelbar nachfolgte, entstanden. Sieht man davon ab,
dass bei dieser Erklärung das Vernersche Gesetz sehr früh
eingetreten sein müsste, bleiben einerseits nur schwer zu
begründende Ausnahmen übrig (ebd. 227), andererseits
müssten etliche Formen ihren Okklusiv analogisch nach
anderen Formen ausgeglichen haben.

Fick 3 (Germ.)⁴ 416; Kroonen, Et. dict. of Pgm. 594;
Seebold, Germ. st. Verben 570; Tiefenbach, As. Handwb.
478; Wadstein, Kl. as. Spr.denkm. 236; Schiller-Lübben,
Mndd. Wb. 5, 781 f.; VMNW s. v. wringhen; Verwijs-
Verdam, Mndl. wb. 9, 2871 ff. 2888; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal² 807; Suppl. 199; Vries, Ndls. et. wb. 851; Et.
wb. Ndl. S-Z 642 f.; Dijkstra, Friesch Wb. 3, 479; Fort,
Saterfries. Wb.² 760 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 408;
Bosworth-Toller, AS Dict. 98. 1274. 1275; Suppl. 750;
Suppl. 2, 10; eMED s. vv. wrenchen v., wringen v.; Klein,
Compr. et. dict. of the Engl. lang. 2, 1754; eOED s. vv.
wrench v., wring v.

Urgerm. *rankie/a- setzt uridg. *rong-ée/o-
fort, eine Kaus.-Iterativ-Bildung von der Verbal-
wz. uridg. *reng- ‚verdrehen, (ver-)biegen‘.
Diese liegt verbal in lat. ringor ‚sperre den
Mund auf‘ (wohl aus ‚das Gesicht verdrehen‘)
(< uridg. *réng-e/o-) vor; semantisch schwierig
ist dagegen der Anschluss von ksl. ręgnǫ ‚klaf-
fe‘ (vgl. LIV² 700). Nominale Ableitungen sind
möglicherweise ved. -vlaṅga- (in abhivlaṅga-
m. ‚Schlinge‘) und -vlágya- (in abhivlágya-
‚einfangend‘).

Nicht überzeugend ist die weitere Analyse in Bammes-
berger 1965: 112, dass urgerm. *rankie/a- eine „direkte
Bildung aus der o-Stufe der nasalierten g-Erweiterung
reng- der Wurzel er- ‚drehen, biegen‘“ ist.
Urgerm. *renǥe/a-, das eine Entsprechung in lit. reñgti
‚bereiten, (refl.) sich krümmen‘ hat (Derksen, Et. dict. of
Balt. 375; Fraenkel, Lit. et. Wb. 2, 719 f.; Smoczyński,
Słow. et. jęz. lit. 510), geht dagegen auf die Verbalwz.
uridg. *rengh- ‚winden, zusammendrehen‘ zurück
(vgl. LIV² 700 f.).
Wenn die von M. Kümmel, in Olsen u. a. 2016: 219–233
angenommene Lautentwicklung doch zutreffen sollte,
können alle Verbalformen auf eine Wz. uridg. *rengh-
zurückgeführt werden, wobei aber ved. -vlaṅga- etc. wie-
derum zu trennen wären.

Walde-Pokorny 1, 271 f.; Pokorny 1154; LIV² 700 f.;
Mayrhofer, KEWA 1, 42; 3, 243 f.; ders., EWAia 1, 92; 2,
516 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. 2, 436; Ernout-
Meillet, Dict. ét. lat.⁴ 574; de Vaan, Et. dict. of Lat. 524.

RS

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