bisengen
Band VII, Spalte 1113
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bisengen sw.v. I, im Abr und weiteren
Gl.: ‚ansengen, anbrennen; concremare, ustu-
lare‘ 〈Var.: p-, be-; -anc-, -ench-, -enk-〉. –
Mhd. sengen sw.v. ‚sengen, brennen‘, besengen
sw.v. ‚anbrennen, versengen‘, frühnhd. sengen
sw.v. ‚sengen, brennen‘, besengen ‚anbrennen,
versengen‘, nhd. sengen sw.v. ‚brennen, ver-
brennen, heiß sein, leicht an der Oberfläche
brennen‘.
Das Verb mit Präverb bi- ist in der nhd. Stan-
dardsprache aufgegeben, doch lebt das Simplex
fort und auch andere Präverbkomposita, wie
ansengen ‚oberflächlich anbrennen‘, versengen
‚(leicht) verbrennen‘ sind gebräuchlich. Im
Mhd. steht neben sengen ein schwundstufiges
dimin. sw. Verb sungeln, sunkeln ‚(unter
Hitze) knistern, zischen‘ (Lexer 2, 299), nhd.
dial. findet sich auch z. B. bad. sëngelen ‚sich
an Nesseln verbrennen‘ (Martin-Lienhart, Wb.
d. els. Mdaa. 2, 365) und mit -a- der Wz.
preuß. sangeln sw.v. ‚anbrennen (vom Essen)‘,
sangrig adj. ‚angebrannt‘ (Frischbier, Preuß.
Wb. 2, 247).

Splett, Ahd. Wb. 1, 807; eKöbler, Ahd. Wb. s. v. bisengen;
Schützeichel⁷ 277; Starck-Wells 516; Schützeichel,
Glossenwortschatz 8, 162; Seebold, ChWdW8 252; ders.,
ChWdW9 718. 1109; Graff 6, 257; Lexer 1, 213; 2, 884;
3, Nachtr. 69; Götze [1920] 1971: 29; Dt. Wb. 16, 585 ff.;
Kluge²¹ 703; Kluge²⁵ s. v. sengen; ePfeifer, Et. Wb. s. v.
sengen.

In den anderen germ. Sprachen entsprechen
die sw. V.: mndd. sengen ‚sengen, die Haare
des geschlachteten Viehs abbrennen, brennen,
abbrennen‘; mndl. sengen, singen ,sengen, ver-
brennen‘, nndl. zengen ‚sengen, versengen, ver-
brennen‘; afries. bisenga, -singa ‚versengen‘,
senga, sanga ‚sengen, verbrennen‘, nwestfries.
singe, sinzje ‚sengen, (leicht) brennen‘, sater-
fries. soange ‚(ver-)sengen‘; ae. sengan ‚sen-
gen, verbrennen, verletzen‘, besengan ‚sengen,
anbrennen, flämmen‘, me. senǧen ‚sengen,
verbrennen‘, bezenǧen ‚sengen‘, ne. singe
‚sengen, versengen, abflämmen‘: < westgerm.
*sangie/a-.
Im Nordgerm. ist das Verb nicht bewahrt, doch
liegen verwandte Wörter in nisl. sangur adj.
‚angebrannt‘, nnorw. dial. sengla ‚brenzlig rie-
chen‘ vor.

Fick 3 (Germ.)⁴ 429; Tiefenbach, As. Handwb. 329;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. 3, 204; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. 4, 189; Verwijs-Verdam, Mndl. wb.
7, 974; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 816 f.; Vries, Ndls. et.
wb. 861; WNT s. v. zengen; Hofmann-Popkema, Afries.
Wb. 57. 421; Richthofen, Afries. Wb. 1007; eFryske
wb. s. v. singe, sinzje; Dijkstra, Friesch Wb. 3, 77;
Fort, Saterfries. Wb.² 564; Holthausen, Ae. et. Wb. 289;
Bosworth-Toller, AS Dict. 91. 863; Suppl. 701; eMED
s. vv. senǧen, bezenǧen; Klein, Compr. et. dict. of the
Engl. lang. 2, 1448; eOED s. v. singe v.; Jóhannesson, Isl.
et. Wb. 785; Magnússon, Ísl. Orðsb. 796.

Westgerm. *sangie/a- geht wahrscheinlich auf
urgerm. *sanǥee/a- zurück, das Kaus. zu ur-
germ. *senǥe/a- ‚singen‘ (s. singan) ist. Das
Verb bedeutet dann urspr. ‚singen machen, zum
Singen bringen‘. Die Semantik ‚sengen‘ erklärt
sich dadurch, dass „singen“ übertragen verwen-
det wurde um das Geräusch zu bezeichnen, das
Material unter Hitzeeinwirkung von sich gibt.
So wird im mhd. Buoch von guoter spise emp-
fohlen, ein Nahrungsmittel so lange zu erhitzen
biʒ daʒ eʒ singe und rôt werde“ (KS J. Grimm
1871: 5, 364).

Andere Herleitungen verbinden sengen mit Verben für
‚vertrocknen‘ oder ‚verbrennen‘ in den verwandten Spra-
chen. So akzeptiert LIV² 523 f. zögernd die schon früher
vorgeschlagene Anknüpfung an die Wz. uridg. *sek-
‚versiegen, austrocknen‘, die verbal z. B. in ai. sac- ‚sto-
cken, versiegen‘, lit. sèkti, senkù ‚fallen (vom Wasser-
stand), versiegen, sich erschöpfen‘ und aksl. 3.sg.präs.
(= fut.) i-sęčetъ ‚wird austrocknen‘ fortgesetzt ist. Dabei
entspräche sengen genau dem o-stufigen aksl. Verb i-
sǫčiti ‚austrocknen (tr.), dörren‘, das auf vorurslaw.
*sonkée/o- zurückgeht. Eine solche Form hätte zu ur-
germ. *sanǥee/a- und weiter zu den einzelsprachlich
germ. Verben geführt. Doch die Schwäche dieser Glei-
chung liegt darin, dass die Vorform *sonkée/o- das -n-
der Wz. aus einem Nasalinfixpräs. verallgemeinert haben
müsste, von dem es im Germ. sonst keine Spur gibt.
R. Aitzetmüller, ASlPh 21 (1992), 119–121, weist den
Anschluss der germ. Sippe von sengen an aksl. i-sǫčiti
zurück und vergleicht vielmehr das spärlich bezeugte
(a)ksl. Verb -sěkati ‚anzünden‘ mit den germ. Wörtern.
Dann läge eine Wz. uridg. *sek- zugrunde, für die weitere
Evidenz noch zu finden bliebe. Auch dieser Vorschlag
erklärt indessen noch nicht die Stammbildung der beiden
Verben: urgerm. *sanǥee/a- enthielte auch hierbei einen
verschleppten Präsensnasal, slav. -sěkati wiese eine auf-
fällige Dehnstufe *sēk- der Wz. auf.

Walde-Pokorny 2, 495; Pokorny 907; LIV² 523 f.;
Mayrhofer, KEWA 3, 418; ders., EWAia 2, 687 f. (s. v.
sac²); Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 256 f.; Derksen, Et.
dict. of Slav. 450 (s. v. *sęknǫti). 462; Et. slov. jaz. sta-
roslov. 246; Derksen, Et. dict. of Balt. 392 (s. v. sekti³);
Fraenkel, Lit. et. Wb. 2, 772 f.; Smoczyński, Słow. et. jęz.
lit.² s. v. sèkti²; ALEW 2, 899 f.

S. singan.

DSW

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