biunta
Volume II, Column 135
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biuntaAWB f. jō-St. (auch *biunt i-St.) einge-
hegtes Grundstück, clausura
. Das Wort, das
in lat. Schriften und besonders Urkunden sehr
häufig angeführt wird, begegnet nur einmal in
den ahd. Glossen, 3, 2, 15, Vocabularius Sti.
Galli, 8. Jh., obd., und zwar in der altertümli-
chen Form nom. sg. piunte mit obd. p- für
germ. b- und ausl. -e (< -ja, analogisch nach
dem Akk.Sg., s. Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 58
Anm. 1); sonst ist die (besonders im Frk.) häu-
figste Form des Nom. Sg. biunta, im Nom. Pl.
erscheint einmal biunti nach der i-Dekl.: curti-
lem locum cum duobus pratis quod piunti dici-
mus 10. Jh. (Braune § 220 Anm. 1). Im Mhd.
heißt es biunde, biunte, auch biunt st. sw. f.,
nhd. Beunde, das aber nur noch im Süden des
dt. Sprachgebiets als Appellativum verwendet
wird (s. u.).

Ahd. Wb. I, 1154; Splett, Ahd. Wb. I, 1211; Starck-
Wells 62; Graff III, 342. 863; Schade 71; Lexer I, 289;
Benecke I, 180 f.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 126 (clau-
sura); Dt. Wb. I, 1747 f.; Kluge²¹ 72; Kluge²² 81; Pfei-
fer, Et. Wb. 162.

Im Ahd. muß biunta, für das sich nur in mndd.
biwende Beunte, Bünte ein sprachliches Ge-
genstück anführen läßt, unter den landwirt-
schaftlichen Einrichtungen der Vergangenheit
eine wichtige Rolle gespielt haben, und zwar als
ein meist in Ortsnähe gelegenes Stück Land,
das, von den Regeln der Dreifelderwirtschaft
und des allgemeinen Weiderechts ausgenom-
men, zum Anbau von besonderen Erträgnissen
wie Hanf oder Flachs, Hülsenfrüchten, Mohn,
auch Wein benutzt und deshalb meist mit einem
Zaun eingefriedigt wurde; daher kommt es, daß
das Wort heute meist nur noch in Flur- und
Ortsnamen (vgl. in Heidiscesbiunta [Hs. heibi-
stesbiunta], Würzb. Markbeschreibung, Braune,
Ahd. Lesebuch¹⁵ 7, Z. 13; R. Bauer, Die ältesten
Grenzbeschreibungen in Bayern und ihre Aussagen
für Namenkunde und Geschichte [München,
1988], 51) oft in lokaler Aussprache und
Schreibung erstarrt anzutreffen ist.

Lübben-Walther, Mndd. Handwb. 56 (biwende).
Bach, Dt. Namenkunde II, 1 § 121 (S. 97); Förste-
mann, Adt. Namenbuch2-3 II, 475 f.; K. Bohnenberger,
Sievers-Festschrift 184 f.; Schröder, Dt. Namenkunde²
271 f.; R. Bauer, Blätter f. obd. Namenforschung 16
(1979), 23 ff.; H. Tiefenbach in H. Beck, D. Deneck,
H. Jankuhn, Unters. z. eiszeitlichen u. frühmittelalt. Flur
in Mitteleuropa, Teil II (Göttingen, 1980), 294 ff.
Zur Rechtsgeschichte des Wortes vgl. Gg. L. v. Mau-
rer, Geschichte der Dorfverfassung I (Erlangen, 1865),
§ 63; K. Th. F. M. v. Inama-Sternegg, Deutsche Wirt-
schaftsgeschichte² II (Leipzig, 1891), 181 ff. 274 ff.; Dt.
Rechtswb. II, 238 ff.; Hoops Reallex. I, 269.

Die Etym. des ahd. Wortes ist noch immer um-
stritten, wohl gerade, weil man unter dem Ein-
druck seiner grundlegenden agrargeschichtli-
chen Bedeutung sich um eine möglichst elemen-
tare Urform bemühte, so machte Grimm, Dt.
Wb. I, 1747 den Anfang mit dem Ansatz eines
Part. Präs. von *biun esse, ae. bēond, got. bi-
jands; nicht viel besser war ein Jahrhundert
später N. Törnquists Herleitung von einem
nirgendwo belegten germ. *bunī im Sinne von
Grundstück (Ndd. Jb. 76 [1954], 35 f.; vgl.
auch Kluge²¹ 72); ebensowenig hat das Wort
mit bintan oder bûan zu tun. Und doch ist man,
geleitet von der mndd. Parallelform biwende,
schon seit langem auf der rechten Spur (s. die
früheren Auflagen von Kluge sowie K. Bohnen-
berger, a. a. O. 184 Fn. 2 und Weigand, Dt.
Wb.⁵ I, 225 f.); allerdings, wie H. Paul schon
vor hundert Jahren schrieb: Die Lauterschei-
nungen, welche mit der Entwicklung des germ.
w zusammenhängen, gehören zu den schwierig-
sten der dt. Grammatik. Besonders in nebento-
nigen und tonlosen Silben erfährt das w Einwir-
kungen von Gesetzen, welche noch nicht völlig
aufgeklärt sind.
(PBB 12 [1887], 378).

Im Grunde handelt es sich doch wohl um eine
Zss. des Präfixes bi- in der Bed. um herum
mit dem nominalen Element *-wandja-, eigtl.
sich windend, allgemeiner gereichend, dien-
lich zu
, übertr. geneigt (s. Kluge, Nom.
Stammbildung³ § 245; Wilmanns, Dt. Gr. II
§ 383, 1. 2), eine Verbindung, die besonders im
Nordgerm. zu den häufigen Verbaladjektiven
auf -indr, -yndr und den davon abgeleiteten
Nominalbildungen auf -indi, -yndi geführt hat;
die Doppelheit des Suffixes dürfte dabei auf den
Ablautvarianten *wand- und *wund- beruhen
(s. Noreen, Aisl. Gr.⁴ § 173, 2 und Anm. 2;
H. Falk, PBB 14 [1889], 50 f.).

Aber auch im Westgerm. fehlen entsprechende
Bildungen keineswegs, so die ae. Adj. lāþwende
(vgl. anord. leiþindr) widerlich, hālwende (vgl.
anord. heilinde, heilynde) gesund; ja, gerade
das letztgenannte Beispiel ist an zwei Stellen mit
der dem Anord. entsprechenden ae. Ablautva-
riante hālwynde bezeugt (Vesp.psalter und Cura
pastoralis). Während aber im Aengl. das anl. w-
des zweiten Komp.glieds fast immer (Ausnahme
hwīlende) bewahrt bleibt, fällt auf, daß im Ahd.
die entsprechenden Zss. nie ein w zeigen (ganz
ähnlich wie im Falle das ahd. Suffixes -ort, -ortes
für wert, wertes, s. Wilmanns, Dt. Gr. II § 383):
obanentîg, obanontîg -entig, -ontig. Aber die
Frage ist noch immer: darf man in einem alter-
tümlichen und besonders vereinzelten Fall wie
ahd. biunta mit dem Lautwandel von -we- zu
-u- rechnen (*biwandjō > *biwendia > biunta,
also ähnlich -we- > -o- in -ort), oder bleibt nur
die Zuflucht zu der im Anord. fast durchgehend
und auch im Aengl. vereinzelt bezeugten Ablaut-
variante *bi-wundjō und von da Wandel zu *bi-
undia > biunta, also (von einem sich winden-
den Zaun) umgebenes Grundstück
. (Zum Aus-
fall von germ. -w- in Anlautsverbindungen und
im Wortinnern vor unbetontem -u-, s. Kluge,
Urgerm.³ § 54; Streitberg, Urgerm. Gr. § 129, 3;
Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 107 Anm. 1; H. Paul, PBB
7 [1880], bes. 162 ff.; Lühr, Stud. z. Hildebrand-
lied 477 ff.). Vgl. auch jüngere Bildungen wie
ahd. biwuntnussi, -wuntannussida s. d.).

Über die landschaftliche Verschiedenheit des
meist in Örtlichkeitsnamen festgewordenen
Wortes geben die Wörterbücher der obd. und
md. Mdaa. meist erschöpfende Auskunft, viel-
fach auch über die heutige Gestaltung und
Funktion der so benannten Teile einer Ortschaft
oder ländlichen Flur; wie weit das Wort noch im
appellativen Sprachgebrauch lebendig weiter-
lebt, ist zugestandenermaßen oft nicht mehr si-
cher zu entscheiden, dürfte aber je weiter nach
Süden, desto mehr noch zu erwarten sein.

Schweiz. Id. IV, 1401 ff.; Martin-Lienhart, Wb. d. els.
Mdaa. II, 60; Ochs, Bad. Wb. I, 178 f.; Fischer,
Schwäb. Wb. I, 979 f.; Jutz, Vorarlberg. Wb. I, 492 f.;
Schmeller, Bayer. Wb.² I, 395 f.; Kranzmayer, Wb. d.
bair. Mdaa. in Österr. I, 1175 ff.; Lexer, Kärnt. Wb.
23; Schöpf, Tirol. Id. 493; Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa.
64; Unger-Khull, Steir. Wortschatz 73; Christmann,
Pfälz. Wb. I, 773 (umzäuntes Gut, das aus der Mar-
kung herausgenommen ist; heute nur noch Flurna-
me
); Kehrein, Volksspr. u. Wb. von Nassau 75; Mau-
rer-Mulch, Südhess. Wb. I, 756; Crecelius, Oberhess.
Wb. 156 (s. E. Karg-Gasterstädt u. E. Aumann, PBB
61 [1937], 254 f.); Vilmar, Id. von Kurhessen 37 f.
Vgl. auch H. Dittmaier, Rheinisches Flurnamenbuch
(Bonn, 1963), 27.

S. auch biwintan, wenten, wintan.

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