blezAWB, plezAWB [-ts] m. a-St., Gl., Notker: ‚klei-
nes Stück Tuch oder Leder, Flicken, commis-
sura, pittacium, panniculus, subu(n)cula‘; auch
blezzaAWB f. ō- (oder n-)St. 〈Var.: -z-, -cz-〉,
Gl., Tatian; blezzoAWB, plezzoAWB m. n-St. 〈Var.: -z-,
-tz-〉, nur in Gl.: ‚dss.‘, auch ‚assumentum;
Stück Papier, scheda, schedula‘. — Mhd. blez,
plez (-tzes) st.m., Pl. auch schwach (-tzen)
‚Lappen, Flicken, Fetzen‘; nhd. mdartl. bletz,
pletz (s. u.).
Ahd. Wb. I, 1202 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 79; Schütz-
eichel⁴ 78; Starck-Wells 66; Graff III, 363; Schade 75;
Lexer I, 305; Benecke I, 204; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 56 (assumentum). 433 (pittacium). 517 (scheda).
562 (subu[n]cula); Dt. Wb. II, 109 f.
Ähnliche Wörter kommen auch in anderen
germ. Dialekten vor, aber die lautlichen Ver-
hältnisse sind sehr verworren: mndd. pletz (ne-
ben plet) ‚Lappen, Stück‘, wie mndl. plets (ne-
ben häufigerem plet) ‚dss.‘ müssen wegen der
Affrikata aus dem Hochdt. entlehnt sein. Auch
die Nebenform plet könnte ein dem mndd. bzw.
mndl. Lautsystem angepaßtes Lehnwort sein,
denn ahd./mhd. (obd.) anl. b / p und mndd./
mndl. anl. p sind genetisch nicht zu vereinen. Je-
doch gibt es auch ein got. Wort plat n. oder
*plats m. (nur akk. sg. plat, dat. sg. plata) ‚Flik-
ken, ἐπίβλημα‘, das sich semantisch und z. T.
auch lautlich mit mndd./mndl. plet (< *plat-
ja-) vergleichen ließe — aber nicht mit den ahd./
mhd. Formen auf b-/ p-. Spätaisl. blettr, nisl.
blettur ‚Fleck‘ wird von Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 586 als Lehnwort bezeichnet (aus dem
Mndd.?) — aber woher kommt das anl. b? (ein
mndd. *blet ist nicht bezeugt); sonst haben die
meisten skand. Formen anl. p-: ndän. plet
‚Fleck‘, aschwed. plætter, nschwed. plätt ‚dss.‘;
aber vgl. dän. dial. blat ‚Fleck, Tropfen‘ (daraus
viell. ne. blot ‚Fleck, Klecks‘). Dazu kommt
viell. spätae. (selten), me. und ne. plot ‚Stück
Land‘.
All diese Wörter sind nicht auf éine germ.
Grundform zurückzuführen; entweder handelt
es sich um ähnliche, aber letzten Endes nicht
verwandte Wörter (Weigand, Dt. Wb.⁵ I, 252
trennt got. plat[s] von ahd. blez), oder um ein
nichtgerm. Lehnwort, das in den verschiedenen
Dialekten je anders behandelt wurde. Feist, Vgl.
Wb. d. got. Spr. 383 f. (wie vor ihm schon Scha-
de 75; vgl. auch Lehmann, Gothic Et. Dict. P-
12) hat wohl recht, wenn er slavische Herkunft
annimmt; als Quelle gilt die Sippe aksl. platъ
‚Zeuglappen, Docht‘, poln. płat ‚Stück Tuch,
Leinwand‘, sorb. plat ‚Leinwand, Stoff‘, ukrain.
platok ‚Vortuch‘, russ. plat ‚Kleid‘. Daneben
steht eine viell. verwandte (ablautende? dagegen
Sadnik-Aitzetmüller, Handwb. zu d. aksl. Tex-
ten 284) Wortgruppe bulg. platnó, serbo-kroat.,
sloven., tschech. plátno, poln. płótno, sorb. płot-
no, polab. plåtnǎ (gen.), ukrain. polotnó, russ.
polotnó (aruss. polotьno), ksl. platьno, urslav.
*poltьno ‚(Stück) Leinwand‘. Hieraus viell. auch
mndd. palte ‚Lappen, Stück‘ (auch palter-, pol-
ter- in der tautologischen Zss. palter-, polterlap-
pen ‚Lappen, Fetzen‘), nndd. palte(n) (auch pul-
ten), palter (s. u.); ndän. pjalt, nnorw. dial. pjal-
tra ‚Lumpen, Fetzen, Lappen‘ (mit spontaner
Palatalisierung in „verächtlichen Ausdrücken“;
s. Lühr, Expressivität 87 f., wo Lit.), nschwed.
palta ‚Lappen‘; vgl. auch ne. paltry ‚trashy,
worthless‘, veraltet auch (subst.) ‚rubbish,
trash‘.
Sowohl unter Slavisten wie unter Germanisten wird
schon lange darüber diskutiert, ob die germ. Sippe aus
der slav. entlehnt ist oder umgekehrt. Miklosich, Et.
Wb. d. slav. Spr. 249; Brückner, Słownik et. polsk.
420; M. Vasmer, Zfslav. Ph. 4 (1927), 359 (unsicher)
u. a. denken wie Feist an Entlehnung aus dem Slav.,
während V. Jagić, Arch. f. slav. Phil. 23 (1901), 536;
K. F. Johansson, Zfvgl.Spr. 36 (1900), 373; Grienber-
ger, Unters. z. got. Wortkunde 169 f.; Weigand, Dt.
Wb.⁵ I, 252 für slav. Entlehnung aus dem Germ. plä-
dieren. Jedoch ist die Sippe im Slav. so weit verbreitet
und so tief im Sprachgebrauch verwurzelt (im 9. und
10. Jh. wurden z. B. Stücke Leinwand [poln. płaty oder
płatki] von den Slaven als Zahlungsmittel gebraucht,
woher das Verb aksl. [otъ]platiti ‚vergelten‘, poln.
płacić ‚[be]zahlen‘), daß eine Entlehnung kaum in
Frage kommt (so Vasmer, Russ. et. Wb. II, 366).
Fick III (Germ.)⁴ 222; Schiller-Lübben, Mndd. Wb.
III, 295 (palte). 346 (pletz); Lübben-Walther, Mndd.
Handwb. 268 (palte). 279 (plet, pletz); Verdam, Mndl.
handwb. 468; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. VI, 468
(plet). 470 (plets); Holthausen, Ae. et. Wb. 248; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 776; OED² II, 312 (blot); XI,
114 f. (paltry). 1056 f. (plot); Oxf. Dict. of Engl. Et. 689
(plot). 101 (blot); Cleasby-Vigfusson, Icel.-Engl. Dict.
68; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 831 (pjalt). 836 f.
(plet); Ordb. o. d. danske sprog II, 788 (blat); XVI,
893 ff. (pjalt). 1005 ff. (plet); Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 561 (palta). 586 (plätt). — Vgl. auch Vasmer,
Russ. et. Wb. II, 397 f. (polotnó); Miklosich, a. a. O.
256; Torbiörnsson, Gemeinslav. Liq. metathese 94.
Die Etymologie der slav. Wörter ist auch unsi-
cher. Trotz der Bedenken Mayrhofers (K. vgl.
Wb. d. Aind. II, 190) ist aind. paṭa- m. ‚geweb-
tes Zeug, Gewand, Decke‘ wahrscheinlich ver-
wandt (ṭ < lt nach Fortunatovs Gesetz; zu die-
sem umstrittenen Gesetz → bellan¹), viell. auch
gr. πέλτη ‚leichter Schild‘, alles zur Wz. *pel- in
lat. pellis ‚Fell‘, gr. πέλας ‚Haut‘, πέλμα ‚Sohle
am Fuß oder Schuh‘, lit. palà ‚großes Stück
Leinwand‘ u. a. (→ fel). Vgl. Uhlenbeck, K. et.
Wb. d. aind. Spr. 153; Fraenkel, Lit. et. Wb.
529.
Lautlich unhaltbar ist die Verbindung mit gr. πλατύς
‚breit‘ (vgl. Miklosich, a. a. O. 249; Vasmer, a. a. O. II,
366), da keine alte Lautfolge *la vorliegt
([**ptH₂ús]). Vasmer vergleicht auch ir. lontā (?),
das allenfalls durch einen irregulären Wandel aus
*plotnā hervorgegangen sein kann und zudem nur bei
Fick II (Kelt.)⁴ 255 belegt ist. Walde-Pokorny und
Pokorny trennen ksl. (nicht aksl.) platьno (zu *pel-
‚Haut‘, Walde-Pokorny II, 59; Pokorny 803) von
aksl. platъ (zu *[s]p[h]el- ‚spalten‘, Walde-Pokorny II,
678; Pokorny 986).
Alle Versuche, ahd. blez und Verwandtes als germ.
Erbwörter auf eine idg. Grundform zurückzuführen,
scheitern schon an der oben erwähnten Unvereinbar-
keit der anl. Konsonanten. So z. B. K. F. Johansson,
a. a. O. 372 ff.: zu einer idg. Wz. *bel(e)d- ‚stoßen, ab-
schneiden, zermalmen‘ (eine Wz., die er sonst nur in
ir. bled ‚Walfisch, Hirsch, Wolf‘, kymr. bled, bleid,
blaidd ‚Wolf‘ usw. finden kann); Falk-Torp, a. a. O.
836 f. und Hellquist, a. a. O. 586 setzen sogar die Ne-
benformen *b(e)led-, *bh(e)led-, *p(e)led- an. Verfehlt
ist auch unmittelbare Anknüpfung an gr. πλατύς (z. B.
Dt. Wb. II, 109; Lexer I, 305) oder mndd. plat ‚flach‘
(z. B. Ordb. o. d. danske sprog XVI, 1005 ff.), obgleich
Einfluß dieses Lehnworts aus dem Frz. auf den anlau-
tenden Kons. von mndd. plet(s) nicht unmöglich ist.
Nach Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 508 f. und bes.
Suppl. 129 ist die ganze germ. Sippe lautmalenden Ur-
sprungs (zu mndl. plat, mhd. blaz, plaz ‚Schlag‘; vgl.
nhd. platzen). Jedenfalls können Bedeutungen wie
‚Flicken, Lumpen‘ aus der Bedeutung ‚schlagen‘ her-
vorgehen, wie Bezeichnungen für Stoffstücke mit der
Grundbedeutung ‚klatschend Hin- oder Herschlagen-
des‘ zeigen; → flec, flecko (s. auch Lühr, a. a. O. 218.
278).
In den dt. Mdaa. von heute lebt das Wort so-
wohl im Süden: bletz, pletz ‚Stück (Land, Zeug
usw.), Fleck‘ als auch in nördl. (ndd.) Mdaa.:
pletz, plett(en), plat(t)en ‚Tuch, Stück Zeug,
Lappen, Lumpen‘, neben palte(n) (pulten), pal-
ter ‚Lappen, Lumpen, Stück (Land, Brot usw.)‘
(s. o.). In rhein. Mdaa. kommt auch plätzer, plet-
zer vor, mit der Bed. ‚Magenhaut des Rindes,
kleingeschnitten und mit Essig und Zwiebeln
zubereitet‘ (vgl. Müller, Rhein. Wb. VI, 968;
W. Kaspers, PBB 80 [Halle, 1958], 174 ff.).
Schweiz. Id. V, 264 f.; Ochs, Bad. Wb. I, 261 f.; Fi-
scher, Schwäb. Wb. I, 1196 f.; Jutz, Vorarlberg. Wb. I,
385 f.; Schmeller, Bayer. Wb.² I, 464 f.; Kranzmayer,
Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. III, 392 ff.; Müller,
Rhein. Wb. VI, 960; Woeste, Wb. d. westf. Mda. 202;
Kück, Lüneb. Wb. II, 510 (Palt’n). 550 (Platt’n). 551
(Plett’n). 582 (Pult’n); Mensing, Schleswig-holst. Wb.
III, 955 (Palten, palter). 1051 (Pletz). 1138 (Pulten);
Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. V, 290 (Palten). 459
(Platen). 635 (Pult[en]); Frischbier, Preuß. Wb. II,
118 (palte); Teut, Hadeler Wb. III, 329 (Platen). 332
(Pletz). 357 (Pulten).