blez, plez
Volume II, Column 179
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blezAWB, plezAWB [-ts] m. a-St., Gl., Notker: klei-
nes Stück Tuch oder Leder, Flicken, commis-
sura, pittacium, panniculus, subu(n)cula
; auch
blezzaAWB f. ō- (oder n-)St. Var.: -z-, -cz-,
Gl., Tatian; blezzoAWB, plezzoAWB m. n-St. Var.: -z-,
-tz-, nur in Gl.: dss., auch assumentum;
Stück Papier, scheda, schedula
. Mhd. blez,
plez (-tzes) st.m., Pl. auch schwach (-tzen)
Lappen, Flicken, Fetzen; nhd. mdartl. bletz,
pletz (s. u.).

Ahd. Wb. I, 1202 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 79; Schütz-
eichel⁴ 78; Starck-Wells 66; Graff III, 363; Schade 75;
Lexer I, 305; Benecke I, 204; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 56 (assumentum). 433 (pittacium). 517 (scheda).
562 (subu[n]cula); Dt. Wb. II, 109 f.

Ähnliche Wörter kommen auch in anderen
germ. Dialekten vor, aber die lautlichen Ver-
hältnisse sind sehr verworren: mndd. pletz (ne-
ben plet) Lappen, Stück, wie mndl. plets (ne-
ben häufigerem plet) dss. müssen wegen der
Affrikata aus dem Hochdt. entlehnt sein. Auch
die Nebenform plet könnte ein dem mndd. bzw.
mndl. Lautsystem angepaßtes Lehnwort sein,
denn ahd./mhd. (obd.) anl. b / p und mndd./
mndl. anl. p sind genetisch nicht zu vereinen. Je-
doch gibt es auch ein got. Wort plat n. oder
*plats m. (nur akk. sg. plat, dat. sg. plata) Flik-
ken, ἐπίβλημα
, das sich semantisch und z. T.
auch lautlich mit mndd./mndl. plet (< *plat-
ja-) vergleichen ließe aber nicht mit den ahd./
mhd. Formen auf b-/ p-. Spätaisl. blettr, nisl.
blettur Fleck wird von Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 586 als Lehnwort bezeichnet (aus dem
Mndd.?) aber woher kommt das anl. b? (ein
mndd. *blet ist nicht bezeugt); sonst haben die
meisten skand. Formen anl. p-: ndän. plet
Fleck, aschwed. plætter, nschwed. plätt dss.;
aber vgl. dän. dial. blat Fleck, Tropfen (daraus
viell. ne. blot Fleck, Klecks). Dazu kommt
viell. spätae. (selten), me. und ne. plot Stück
Land
.

All diese Wörter sind nicht auf éine germ.
Grundform zurückzuführen; entweder handelt
es sich um ähnliche, aber letzten Endes nicht
verwandte Wörter (Weigand, Dt. Wb.⁵ I, 252
trennt got. plat[s] von ahd. blez), oder um ein
nichtgerm. Lehnwort, das in den verschiedenen
Dialekten je anders behandelt wurde. Feist, Vgl.
Wb. d. got. Spr. 383 f. (wie vor ihm schon Scha-
de 75; vgl. auch Lehmann, Gothic Et. Dict. P-
12) hat wohl recht, wenn er slavische Herkunft
annimmt; als Quelle gilt die Sippe aksl. platъ
Zeuglappen, Docht, poln. płat Stück Tuch,
Leinwand
, sorb. plat Leinwand, Stoff, ukrain.
platok Vortuch, russ. plat Kleid. Daneben
steht eine viell. verwandte (ablautende? dagegen
Sadnik-Aitzetmüller, Handwb. zu d. aksl. Tex-
ten 284) Wortgruppe bulg. platnó, serbo-kroat.,
sloven., tschech. plátno, poln. płótno, sorb. płot-
no, polab. plåtn (gen.), ukrain. polotnó, russ.
polotnó (aruss. polotьno), ksl. platьno, urslav.
*poltьno (Stück) Leinwand. Hieraus viell. auch
mndd. palte Lappen, Stück (auch palter-, pol-
ter- in der tautologischen Zss. palter-, polterlap-
pen Lappen, Fetzen), nndd. palte(n) (auch pul-
ten), palter (s. u.); ndän. pjalt, nnorw. dial. pjal-
tra Lumpen, Fetzen, Lappen (mit spontaner
Palatalisierung in verächtlichen Ausdrücken;
s. Lühr, Expressivität 87 f., wo Lit.), nschwed.
palta Lappen; vgl. auch ne. paltry trashy,
worthless
, veraltet auch (subst.) rubbish,
trash
.

Sowohl unter Slavisten wie unter Germanisten wird
schon lange darüber diskutiert, ob die germ. Sippe aus
der slav. entlehnt ist oder umgekehrt. Miklosich, Et.
Wb. d. slav. Spr. 249; Brückner, Słownik et. polsk.
420; M. Vasmer, Zfslav. Ph. 4 (1927), 359 (unsicher)
u. a. denken wie Feist an Entlehnung aus dem Slav.,
während V. Jagi, Arch. f. slav. Phil. 23 (1901), 536;
K. F. Johansson, Zfvgl.Spr. 36 (1900), 373; Grienber-
ger, Unters. z. got. Wortkunde 169 f.; Weigand, Dt.
Wb.⁵ I, 252 für slav. Entlehnung aus dem Germ. plä-
dieren. Jedoch ist die Sippe im Slav. so weit verbreitet
und so tief im Sprachgebrauch verwurzelt (im 9. und
10. Jh. wurden z. B. Stücke Leinwand [poln. płaty oder
płatki] von den Slaven als Zahlungsmittel gebraucht,
woher das Verb aksl. [otъ]platiti vergelten, poln.
płaci [be]zahlen), daß eine Entlehnung kaum in
Frage kommt (so Vasmer, Russ. et. Wb. II, 366).

Fick III (Germ.)⁴ 222; Schiller-Lübben, Mndd. Wb.
III, 295 (palte). 346 (pletz); Lübben-Walther, Mndd.
Handwb. 268 (palte). 279 (plet, pletz); Verdam, Mndl.
handwb. 468; Verwijs-Verdam, Mndl. wb. VI, 468
(plet). 470 (plets); Holthausen, Ae. et. Wb. 248; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 776; OED² II, 312 (blot); XI,
114 f. (paltry). 1056 f. (plot); Oxf. Dict. of Engl. Et. 689
(plot). 101 (blot); Cleasby-Vigfusson, Icel.-Engl. Dict.
68; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 831 (pjalt). 836 f.
(plet); Ordb. o. d. danske sprog II, 788 (blat); XVI,
893 ff. (pjalt). 1005 ff. (plet); Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 561 (palta). 586 (plätt). Vgl. auch Vasmer,
Russ. et. Wb. II, 397 f. (polotnó); Miklosich, a. a. O.
256; Torbiörnsson, Gemeinslav. Liq. metathese 94.

Die Etymologie der slav. Wörter ist auch unsi-
cher. Trotz der Bedenken Mayrhofers (K. vgl.
Wb. d. Aind. II, 190) ist aind. paa- m. geweb-
tes Zeug, Gewand, Decke
wahrscheinlich ver-
wandt ( < lt nach Fortunatovs Gesetz; zu die-
sem umstrittenen Gesetz bellan¹), viell. auch
gr. πέλτη leichter Schild, alles zur Wz. *pel- in
lat. pellis Fell, gr. πέλας Haut, πέλμα Sohle
am Fuß oder Schuh
, lit. palà großes Stück
Leinwand
u. a. ( fel). Vgl. Uhlenbeck, K. et.
Wb. d. aind. Spr. 153; Fraenkel, Lit. et. Wb.
529.

Lautlich unhaltbar ist die Verbindung mit gr. πλατύς
breit (vgl. Miklosich, a. a. O. 249; Vasmer, a. a. O. II,
366), da keine alte Lautfolge *la vorliegt
([**ptHús]). Vasmer vergleicht auch ir. lontā (?),
das allenfalls durch einen irregulären Wandel aus
*plotnā hervorgegangen sein kann und zudem nur bei
Fick II (Kelt.)⁴ 255 belegt ist. Walde-Pokorny und
Pokorny trennen ksl. (nicht aksl.) platьno (zu *pel-
Haut, Walde-Pokorny II, 59; Pokorny 803) von
aksl. platъ (zu *[s]p[h]el- spalten, Walde-Pokorny II,
678; Pokorny 986).

Alle Versuche, ahd. blez und Verwandtes als germ.
Erbwörter auf eine idg. Grundform zurückzuführen,
scheitern schon an der oben erwähnten Unvereinbar-
keit der anl. Konsonanten. So z. B. K. F. Johansson,
a. a. O. 372 ff.: zu einer idg. Wz. *bel(e)d- stoßen, ab-
schneiden, zermalmen
(eine Wz., die er sonst nur in
ir. bled Walfisch, Hirsch, Wolf, kymr. bled, bleid,
blaidd Wolf usw. finden kann); Falk-Torp, a. a. O.
836 f. und Hellquist, a. a. O. 586 setzen sogar die Ne-
benformen *b(e)led-, *bh(e)led-, *p(e)led- an. Verfehlt
ist auch unmittelbare Anknüpfung an gr. πλατύς (z. B.
Dt. Wb. II, 109; Lexer I, 305) oder mndd. plat flach
(z. B. Ordb. o. d. danske sprog XVI, 1005 ff.), obgleich
Einfluß dieses Lehnworts aus dem Frz. auf den anlau-
tenden Kons. von mndd. plet(s) nicht unmöglich ist.
Nach Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 508 f. und bes.
Suppl. 129 ist die ganze germ. Sippe lautmalenden Ur-
sprungs (zu mndl. plat, mhd. blaz, plaz Schlag; vgl.
nhd. platzen). Jedenfalls können Bedeutungen wie
Flicken, Lumpen aus der Bedeutung schlagen her-
vorgehen, wie Bezeichnungen für Stoffstücke mit der
Grundbedeutung klatschend Hin- oder Herschlagen-
des
zeigen; flec, flecko (s. auch Lühr, a. a. O. 218.
278).

In den dt. Mdaa. von heute lebt das Wort so-
wohl im Süden: bletz, pletz Stück (Land, Zeug
usw.), Fleck
als auch in nördl. (ndd.) Mdaa.:
pletz, plett(en), plat(t)en Tuch, Stück Zeug,
Lappen, Lumpen
, neben palte(n) (pulten), pal-
ter Lappen, Lumpen, Stück (Land, Brot usw.)
(s. o.). In rhein. Mdaa. kommt auch plätzer, plet-
zer vor, mit der Bed. Magenhaut des Rindes,
kleingeschnitten und mit Essig und Zwiebeln
zubereitet
(vgl. Müller, Rhein. Wb. VI, 968;
W. Kaspers, PBB 80 [Halle, 1958], 174 ff.).

Schweiz. Id. V, 264 f.; Ochs, Bad. Wb. I, 261 f.; Fi-
scher, Schwäb. Wb. I, 1196 f.; Jutz, Vorarlberg. Wb. I,
385 f.; Schmeller, Bayer. Wb.² I, 464 f.; Kranzmayer,
Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. III, 392 ff.; Müller,
Rhein. Wb. VI, 960; Woeste, Wb. d. westf. Mda. 202;
Kück, Lüneb. Wb. II, 510 (Palt’n). 550 (Platt’n). 551
(Plett’n). 582 (Pult’n); Mensing, Schleswig-holst. Wb.
III, 955 (Palten, palter). 1051 (Pletz). 1138 (Pulten);
Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. V, 290 (Palten). 459
(Platen). 635 (Pult[en]); Frischbier, Preuß. Wb. II,
118 (palte); Teut, Hadeler Wb. III, 329 (Platen). 332
(Pletz). 357 (Pulten).

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