bolônAWB, polôn sw. v. II, Gl., Georgsl., Not-
ker: ‚wälzen, rollen, schleudern, volvere,
transfundere‘. — Mhd. boln ‚dss.‘; nhd. nur
noch mdartl. (obd.) bolen, polen (s. u.).
Ahd. Wb. I, 1254; Splett, Ahd. Wb. I, 39; Schütz-
eichel⁴ 79; Starck-Wells 69; Graff III, 96; Schade 79;
Raven, Schw. Verben d. Ahd. II, 20; Lexer I, 324; Be-
necke I, 118; Dt. Wb. II, 230.
Das ahd. Wort, das nur im Afries. ein Gegen-
stück hat: afries. urbalia ‚verschleudern‘ (vgl.
ahd. zibolôn und s. Holthausen, Afries. Wb.²
135; Helten, Lex. d. Aostfries. 348; ders., Aost-
fries. Gr. § 299 S. 230), ist wohl eine Denomina-
tivbildung zu *ula-, *ulō- ‚etwas Rundes,
Kugelförmiges‘, zur idg. Wz. *bhel(ǝ)-
[**bhel(H)-] ‚aufblasen, schwellen‘; → bal¹,
bol, bolla.
Walde-Pokorny II, 179; Pokorny 121; Lühr, Expressi-
vität 201.
Weniger wahrsch. ist die Deutung von bolôn bei Pers-
son, Beitr. z. idg. Wortforsch. 797 als „eig. ‚rund, im
Kreise bewegen‘“, denn der Begriff ‚rund, kreisförmig‘
scheint nicht der idg. Verbalwz. innezuwohnen, son-
dern erst über den nominalen Stamm *ol- < *bh-
‚etwas Aufgeblasenes, Angeschwollenes‘ entstanden zu
sein. Das Verb bolôn bedeutet also wohl eigentl. ‚et-
was Rundes handhaben, bewegen‘ (vgl. ne. to bowl
‚rollen, schieben, werfen‘ von bowl ‚Kugel, Ball‘).
Mndd. bōlen ‚mit Bohlen belegen‘ und aisl. bola ‚ab-
hauen, zerhauen‘, die zwar letzten Endes zur selben
Wz. gehören, sind Denominativverben zu mndd. bole
‚Bohle‘ bzw. anord. bolr ‚Baumstamm‘.
In den nhd. Mdaa. sind Reflexe verschiedener Wörter
zusammengefallen: neben ‚rollen, schleudern, werfen‘
hat bolen, polen auch die Bed. ‚glotzen‘, d. h. ‚Bollau-
gen (stark hervortretende Glotzaugen) haben‘ (auch
zur Wz. *bhel[ǝ]-) und die Bed. ‚lärmen, poltern‘,
wohl zur idg. Wz. *bhel- ‚schallen‘ (→ bellan¹).
Schweiz. Id. IV, 1177; Martin-Lienhart, Wb. d. els.
Mdaa. II, 34; Ochs, Bad. Wb. I, 285; Fischer, Schwäb.
Wb. I, 1271 f.; Jutz, Vorarlb. Wb. I, 410; Schmeller,
Bayer. Wb.² I, 231 f.; Kranzmayer, Wb. d. bair. Mdaa.
in Österr. III, 567; Schöpf, Tirol. Id. 513.