borAWB, porAWB n.(?) a-St., Gl., Notker: ‚Höhe, fa-
stigium‘ (nur Gl. 1, 158, 4); in bor(e) ‚empor, in
die (der) Luft, excelsus, in aere‘. (Das Genus
läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen, ist
aber kaum fem. wie im Mhd.; neutr. nach
Splett, Abrogans-Studien 425, Schützeichel⁴
79, Sehrt, Notker-Glossar 18.) — Mhd. bor f.
‚oberer Raum, Höhe‘; enbor(e) ‚in der, die
Höhe‘. In der nhd. Schriftsprache ist das Wort
nur noch in der Zss. empor belegt, aber mdartl.
begegnet auch das Simplex bor, por mit
schwankendem Genus (meist f., aber auch n.,
nach Lexer, Kärnt. Wb. 36, sogar m.), mei-
stens mit der Bed. ‚Empore, Emporkirche‘,
aber auch gelegentlich ‚oberer Raum, Höhe im
allgemeinen‘.
Ahd. Wb. I, 1259; Splett, Ahd. Wb. I, 87; Schütz-
eichel⁴ 79; Starck-Wells 69 f.; Graff III, 158; Schade
79; Lexer I, 326. 547; Nachtr. 36; Benecke I, 150 f.;
Dt. Wb. II, 238; III, 433 f.; Kluge²¹ 165; Kluge²² 177;
Pfeifer, Et. Wb. 355 f. — Schweiz. Id. IV, 1508 f. (auch
‚Asyl beim Fangspiel der Kinder‘); Jutz, Vorarlberg.
Wb. I, 416; Schmeller, Bayer. Wb.² I, 266; Schöpf,
Tirol. Id. 50; Müller, Rhein. Wb. I, 870 (auch adv.
‚oben‘); Christmann, Pfälz. Wb. I, 1101; Maurer-
Mulch, Südhess. Wb. I, 1022. 1026 (nur in den Zss.
Borbühne, -kirche); Mitzka, Schles. Wb. I, 144. 146
(Porstube, Borstüblein).
Ahd. bor, das zur idg. Verbalwz. *bher- ‚tragen,
aufheben‘ gehört (→ beran), hat wenige Gegen-
stücke (mit ähnlicher Bed.) in den anderen
germ. Sprachen: mndd. bore m.(f.?) ‚Hebung;
Einnahme‘, bor adj. ‚hoch, erhaben‘; nschwed.
mdartl. bor ‚Hügel, Bergrücken‘ (auch in ON);
viell. auch engl. ON wie Boreham. Viel geläufi-
ger sind von der Wurzelform germ. *ur- abge-
leitete deverbale Verben (→ burien, burren).
Hierher gehört auch ahd. bor(a)- ‚sehr‘, eigtl.
‚hervorragend‘, nur in Zss. wie boralang, bor(a)-
filo usw. (→ bora-). Mit ganz anderer Bed. got.
baur m. ‚Geborener, γεννητός‘, aisl. burr, ae.
byre ‚Sohn‘; got. gabaur m. ‚Festgelage, κῶμος‘,
n. ‚Kollekte, Steuer, λογία, φόρος‘.
Fick III (Germ.)⁴ 261. 568; Seebold, Germ. st. Verben
105; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 322;
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 386. 392; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 91; B. Hesselman, Namn och bygd 18
(1930), 28 ff.; E. Ekwall, Studies on Engl. Place-Names
(Stockholm, 1936), 131 ff. Vgl. auch Jóhannesson, Isl.
et. Wb. 612 f.; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 84. 174;
Lehmann, Gothic Et. Dict. B-35. G-2.
Die Annahme einer Bed. ‚aufheben‘ neben ‚tragen‘ für
die idg. Wz. *bher- wird im Germ. durch die aisl.
Wendung bera á lopt ‚hochheben‘ (Grímnismál 1; vgl.
Heggstad, Gamalnorsk ordb. 50) und im Lat. durch
das suppl. Perf. zu ferō : tulī (alt tetulī) und das Part.
Perf. lātus (< *tlātos), beides zur idg. Wz. *tel(ǝ)-
[**telH₂-] ‚aufheben‘ (vgl. lat. tollere ‚empor, in die
Höhe heben‘, aind. tulayati ‚hebt auf, wägt‘ usw.; s.
Pokorny 1060 f.; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II,
688 f.) bestätigt.
Unsicher ist, ob folgende Wörter von bor, burien ab-
geleitet sind oder zu ahd. bar², berzo (s. d. d.) mit an-
derer Ablautstufe gehören: mhd., nhd. mdartl. (obd.)
borzen, porzen ‚emporragen, hervorstehen usw.‘ (<
*boratjan; vgl. ae. borettan ‚[ein Schwert] schwingen‘,
→ -azzen), wie auch nhd. Bürzel ‚Steiß eines Vogels‘
neben Berzel ‚dss.‘. Viell. hat schon früh eine Vermen-
gung der beiden Sippen stattgefunden, wobei kein kla-
rer Bed.unterschied mehr besteht. Weniger wahr-
scheinlich ist die Ableitung aller unter bar², berzo und
bor verzeichneten Wörter von idg. *bher- (so Kranz-
mayer, Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. II, 388), denn die
zu bar² gehörigen Formen mit -rr- deuten auf ein s-
Formans, das bei germ. Reflexen der idg. Wz. *bhar-
fast immer vorkommt, bei *bher- dagegen nicht be-
zeugt ist.