boumAWB m. a-St. ‚Baum, Baumstamm, Holz,
Pfahl, Kreuz(balken), arbor, lignum, robur‘
〈Var.: p-; -au-, -o-〉. — Mhd. boum, nhd.
Baum.
Ahd. Wb. I, 1297 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 90; Schütz-
eichel⁴ 79; Starck-Wells 71 f.; Graff III, 115; Schade
81, Nachtr. 1327; Lexer I, 334, Nachtr. 38; Benecke I,
227 ff.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 44; Dt. Wb. I,
1188 f.; Kluge²¹ 57; Kluge²² 65; Pfeifer, Et. Wb. 134 f.
Das Wort hat Entsprechungen in allen west-
germ. Sprachen: as. bōm ‚Baum, Stange, Kreuz‘,
mndd. bōm ‚dss.‘ (aus dem Mndd. entlehnt
ndän. bom ‚Schlagbaum‘, nschwed. bom ‚Stan-
ge‘); mndl. nndl. boom ‚Baum, Balken, Mast,
Hafensperre‘; afries. bām ‚Baum, Galgen, Stan-
ge‘, nostfries. bōm, nwestfries. beam; ae. bēam
‚Baum, Balken, Kreuz, Säule‘, me. bēm, beam,
ne. beam ‚Baum (veraltet), Balken, Lichtstrahl‘.
Diese Formen weisen ohne weiteres auf eine
wgerm. Grundform *baumaz; ihre Verwandt-
schaft mit den ost- und nordgerm. Wörtern für
‚Baum‘ ist aber unklar: got. bagms ‚Baum, δέν-
δρον‘; aisl. baðmr ‚Baum‘; aschwed. bag(h)n
‚Stock(falle)‘, nschwed. mdartl. bagne ‚Seiten-
stamm eines Baumes‘.
Fick III (Germ.)⁴ 257 f.; Holthausen, As. Wb. 9;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 59; Berr, Et. Gl. to Hel. 61 f.;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 313 f.; Schil-
ler-Lübben, Mndd. Wb. I, 382 f.; Verdam, Mndl.
handwb. 109; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 82; Suppl.
24; Vries, Ndls. et. wb. 77; Holthausen, Afries. Wb.²
5; Richthofen, Afries. Wb. 618; Doornkaat Koolman,
Wb. d. ostfries. Spr. I, 201; Dijkstra, Friesch Wb. I,
89 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 17; Bosworth-Toller,
AS Dict. 71 f.; Suppl. 65; ME Dict. A—B, 706 ff.;
OED² II, 15; Oxf. Dict. of Engl. Et. 82; Feist, Vgl.
Wb. d. got. Spr. 73 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. B-5;
Vries, Anord. et. Wb.² 22; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
605; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 10; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 1065 (s. v. stam²); Svenska
akad. ordb. B-76 (bagn).
Um die got. (schwed.) und wgerm. Formen zu
vereinen (zum problematischen aisl. Wort s. u.),
kann man entweder von einer urg. Basis mit ei-
nem inlautenden *-- oder *-w- ausgehen, das
im Wgerm. zu -w- wurde (nach Kluge, Ur-
germ.³ § 218; ders., Et. Wb.¹¹ 43 urg. *bawm-;
nach C. Peeters, Zfvgl.Spr. 88 [1974], 129 ff.
urg. *bam-) oder von einer urg. Basis mit Ver-
schärfung *aww-, die regelrecht im Wgerm.
als Diphth. *-au(w)-, im Nord- und Westgerm.
als *-ggw- erscheint (vor Kons. vereinfacht, wie
in aisl. bygð ‚Wohnsitz‘ zu byggva ‚wohnen‘; im
Got. gibt es keine anderen Beispiele von *-ggw-
vor Kons., außer vor der Endung -s, wo nor-
male Auslautsregeln gelten; vgl. Braune-Ebbing-
haus, Got. Gr.¹⁹ § 42 und Anm. 3).
Lautlich sind beide Lösungen möglich; zwar
gibt es keine genauen Parallelen für die wgerm.
Entwicklung *-a(w)m- zu *-aum- (der von
Grienberger, Unters. z. got. Wortkunde 42 ange-
gebene Vergleich mit ahd. soum ‚Last‘ < lat.
sagma beweist nur, daß lat. -agm- zu spätlat.
-aum- werden konnte, denn das ahd. Wort ist
aus spätlat. sauma entlehnt; vgl. C. C. Uhlen-
beck, PBB 30 [1905], 263 f.; Kluge²¹ 627 f.),
aber eine Assimilation des velaren * zu einem
labialen w vor dem labialen m ist nicht unwahr-
scheinlich (vgl. C. Peeters, a. a. O. 132), und be-
kanntlich wird urg. *w oft zu w. Dennoch hat
diese Erklärung den Nachteil, daß ein urg.
*a(w)maz keine Entsprechungen in anderen
idg. Sprachen hat.
Abzulehnen ist wohl die bei Kluge²¹ (nicht mehr bei
Kluge²²) zu findende urg. Form *baugma-z (zu bio-
gan, s. d.), da diese zwar wgerm. *bauma- (vgl. ahd.
troum, zoum), aber weder got. bagms noch die skand.
Formen ergibt (es sei denn, man rechnet mit einem
nicht weiter begründbaren Schwund von *u vor *g im
Ost- und Nordgerm.; s. Lühr, Expressivität 336). Ver-
fehlt Grienberger, a. a. O.: zu ahd. buog ‚Bug‘, gr.
πῆχυς, πᾶχυς ‚Unterarm‘ (→ buog); E. P. Hamp, Fi-
siak-Festschrift (1986), 345 f.; aus urg. *bargmaz.
Vorzuziehen ist wohl die Herleitung aus ur-
germ. *aww-maz < idg. *bhou̯(ǝ)-mos ‚Ge-
wächs, Pflanze‘ zur Basis *bheu̯ǝ- [**bheu̯H₂-]
‚wachsen, werden; wohnen, sein‘ (→ bûan); vgl.
auch mit m-Ableitung gr. φῦμα ‚Gewächs‘, mit
anderer Ableitung gr. φυτόν ‚Gewächs, Pflanze‘
(so schon K. F. Johansson, PBB 15 [1891], 224.
Auch Specht, Ursprung d. idg. Dekl. 54 Anm. 2
vergleicht gr. φῦμα, setzt aber idg. *bhau̯-mn-o-
an und erklärt die got. und aisl. Formen durch
verschiedene Arten von Dissimilation).
Gegen diese Etymologie kann man anführen, daß die
Verschärfung nur zwischen Vokalen stattfand (vgl.
z. B. Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss. I § 72), aber es
ist wohl möglich, daß dieses Wort zur Zeit der Ver-
schärfung noch einen unbetonten Vokal hinter dem
Halbvokal hatte. Die idg. Ableitungssilben -mo, -men
schließen sich unmittelbar an die Wz. an, bei einer
zweisilbigen Wz. mit oder ohne Beibehaltung des unbe-
tonten ǝ (vgl. aind. jániman- neben jánman- ‚Geburt,
Geschlecht‘ < *g̑enǝ-men-). Im Germ. schwindet das ǝ
besonders nach langen Silben, aber daß es noch bis in
urg. Zeit erhalten bleiben konnte, wird durch Wörter
wie ahd. anut, -at, -et ‚Ente‘ < *anǝti- wahrschein-
lich gemacht. So wäre eine Entwicklung *bhou̯ǝ-mos
> *awwamaz > *awwmaz nicht ausgeschlossen.
Man hat auch versucht, die ost- und nordgerm. Wör-
ter von wgerm. *baumaz zu trennen (so Fr. Wood,
Mod. Philol. 11 [1913—14], 322 ff.; R. Meringer, IF 16
[1904], 157 f.), ohne eine befriedigende Etymologie
für diese Wörter zu finden. C. C. Uhlenbeck, a. a. O.
sieht in got. bagms eine Wortmischung aus *bauma-
und *bagna- (aschwed. bag[h]n).
Die Verwandtschaft von wgerm. *baumaz und
got. bagms scheint also sehr wahrscheinlich,
aber aisl. baðmr bleibt problematisch.
Geht man von einer Vorform *ama- aus, die zu
*ađma- dissimiliert worden ist, so hat das Nebenein-
ander von -ðm- und -gn- im Nordgerm. eine Parallele
in aisl. faðmr ‚Umarmung, Umfassung‘ und ält. ndän.
fagn. Die Lautfolge -gn- beim Wort für ‚Baum‘ könnte
also sekundär entstanden sein (Lühr, a. a. O.).
Anders R. Loewe, Die ethnische u. sprachl. Gliederung
der Germanen (Halle, 1899) 5 Anm. 1: *baggwmr (ggw
< ww, gg noch mit Lippenrundung gesprochen) >
*baddmr (> *badmr > *baðmr) dissimiliert; Peeters,
a. a. O.: *-- an das folgende mr assimiliert (zu d statt
g wegen des dentalen r < z!); Falk-Torp, Norw.-dän.
et. Wb. 92: *bamaz > barmr (aisl. Nebenform von
baðmr) unter Einfluß von *barwa- ‚Baum‘ (vgl. aisl.
bǫrr ‚Baumname‘), das dann zu baðmr dissimiliert
wird (anders Noreen, Aisl. Gr.⁴ § 238.3 Anm. 14:
baðmr > barmr). Nach Fr. Wood, a. a. O. geht baðmr
viell. auf dieselbe Wz. wie ahd. boum usw. zurück, hat
aber eine andere Bildungssilbe (er vergleicht russ. bat
‚Eichenstock, Knüttel‘ usw., s. aber Vasmer, Russ. et.
Wb. I, 60 f.); R. Meringer trennt aisl. baðmr ganz und
gar von den ost- und westgerm. Wörtern und stellt es
zu ahd. badôn (s. d.) in der Bed. ‚fovere‘: baðmr wäre
also ursprl. ‚ein Scheit Holz zum Brennen‘ (bestimmt
abzulehnen). Endlich hat V. Pisani, Paideia 13 (1958),
192 die verschiedenen Formen des germ. Wortes durch
die Annahme erklärt, daß es sich um ein rätisches
Lehnwort handelt (sehr zweifelhaft).
Walde-Pokorny II, 143; Pokorny 149.