brâmaAWB f. n-St., brâmoAWB m. n-St., Gl., Otfrid:
‚Dornbusch, -zweig, vepres; Brombeerstrauch,
rubus, rumex‘ (Rubus fruticosus L. und ähnli-
che Rubus-Arten); viell. auch ‚der Kreuzdorn,
rhamnus‘ (Rhamnus cathartica L.) 〈Var.: pr-;
-mi-, -mm(i)- < *-mj- (zur obd. Gemination
nach langem Vokal vgl. Braune, Ahd. Gr.¹⁴
§ 96 Anm. 1; Simmler, Westgerm. Kons.gemin.
228; der fehlende Umlaut in mhd. brâma sowie
Formen mit und ohne Umlaut in den nhd.
Mdaa. deuten auf ursprl. Doppelformen mit
und ohne -j-, vgl. Schatz, Ahd. Gr. § 271)〉. —
Mhd. brâma sw. m. (vereinzelt auch f.) ‚Dorn-
strauch‘. In der nhd. Schriftsprache nur noch
in der Zss. Brombeere (→ brâmberi; ā > ō vor
Nasalen wie in ohne, → ânu, mit Kürzung zu
ŏ vor zweifacher Konsonanz; vgl. Kienle, Hist.
Laut- u. Formenlehre d. Dt.² § 43), aber in den
Mdaa. ist brām(e) weitverbreitet (daneben
auch bräm[e]), obd. mit der Bed. ‚Brombeer-,
Dornstrauch‘, md. auch ‚Besenginster‘, eine
Bed., die im Ndd. überwiegt.
Ahd. Wb. I, 1314 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 95; Schütz-
eichel⁴ 80; Starck-Wells 73. 795; Graff III, 304; Scha-
de 82; Lexer I, 340; Nachtr. 100; Benecke I, 232; Die-
fenbach, Gl. lat.-germ. 502 (rubus). 503 (rumex). 611
(vepres); Dt. Wb. II, 293; Trübners Dt. Wb. I, 437
(s. v. Brombeere); Kluge²¹ 102 (s. v. Brombeere); Klu-
ge²² 107; Pfeifer, Et. Wb. 217. — Schweiz. Id. V,
600 ff.; Martin-Lienhart, Wb. d. els. Mdaa. II, 189;
Jutz, Vorarlberg. Wb. I, 428 f.; Schmeller, Bayer. Wb.²
I, 355 (Zss. bræmber); Kranzmayer, Wb. d. bair.
Mdaa. in Österr. III, 719 f.; Schatz, Wb. d. tirol. Mdaa.
101 f.; Follmann, Wb. d. dt.-lothr. Mdaa. 60; Müller,
Rhein. Wb. I, 901 ff.; VII, 1445 f. (Wortkarte); Mau-
rer-Mulch, Südhess. Wb. I, 1063 (bräme ‚Besengin-
ster‘; vgl. 1098 brem[m]e ‚dss.‘, auch ‚Brombeerran-
ke‘); Woeste, Wb. d. westf. Mda. 39; Jungandreas,
Ndsächs. Wb. II, 681 f.; Kück, Lüneb. Wb. I, 219 f.;
Scheel, Hamb. Wb. I, 439 f.; Mensing, Schleswig-holst.
Wb. I, 496 f.; Wossidlo-Teuchert, Meckl. Wb. I,
1100; Bretschneider, Brandenb.-berlin. Wb. I, 696
(bråm ‚Brombeere‘!); Ziesemer, Preuß. Wb. I, 809
(Bromholz, -strauch ‚Ginster‘; vgl. Brombeere 808). —
Vgl. auch Marzell, Wb. d. dt. Pflanzennamen III,
1455 ff. (Rubus fruticosus); IV, 110 ff. (Sarothamnus
scoparius ‚Besenginster‘).
Im Ablautverhältnis zu ahd. brâma, brâmo ste-
hen ahd. brema f. n-St. ‚Dornbusch, Brombeer-
strauch‘; brimma, phrimma f. n-St. (< *brem-
jōn-) ‚Ginster, Pfriemkraut‘; mhd. *brom, prom
st.m. ‚Knospe‘ (s. d. d.).
Diese Wörter haben alle ihre Entsprechungen in
anderen germ. Dialekten, ohne daß jede Ablaut-
stufe in jeder Sprache vorkommt: as. brām- in
den Zss. brāmberi ‚Brombeere‘, brāmlōf ‚Gin-
sterblatt‘ und in Ortsnamen wie Bramseli, Bram-
thorp; mit -l-Erweiterung brāmalbusc ‚Brom-
beerbusch‘ (falls nicht ahd. → brâmalbusc); -brā-
mio m. jan-St. in der Zss. *hiopbrāmio (Hs.
hia-) ‚Dornstrauch‘ (vgl. Wadstein, Kl. as. Spr.
denkm. 102, 38—39. 192, und → hiofa, -o),
mndd. brām, brēm(e) (j-Umlaut von ā oder ge-
dehntes e?), brāmel-, brōmel-, brum(mel)bēre
‚Brombeerstrauch, Dornstrauch‘; brām(e) usw.
auch ‚Ginster‘; mndl. brame, braem ‚Brombeer-
strauch, Dornstrauch; Brombeere‘, nndl. braam
‚dss.‘; auch mndl. brem(e), bremme, brimme,
nndl. brem ‚Ginster‘; nostfries. brām(e) ‚Gin-
ster‘; ae. brōm ‚Ginster‘ (mit ō < ā vor Nasalen,
vgl. Sievers-Brunner, Ae. Gr.³ § 80), me. brōm,
brume, ne. broom; ae. brēmel, bræmbl, brembl
(< *brāmil-; vgl. Sievers-Brunner § 101 Anm. 3.
138, 1) ‚Dorn-, Brombeerstrauch‘, me. brēmel,
brembel, bremble, brambel, ne. bramble. Im
Skand., wo verwandte Bezeichnungen für
‚Brombeerstrauch‘ wie auch für ‚Ginster‘ fehlen
(nschwed. brombär, ndän. brombær sind aus
dem Dt. entlehnt), sind nur dem mhd. Wort
*brom (s. o.) entsprechende Formen belegt: aisl.,
nisl., nnorw. mdartl. brum ‚Knospe‘, ält. ndän.
brom ‚Kätzchen auf Bäumen, Spitze von Schöß-
lingen‘, ndän. brum, brom ‚Knospen, Laub-
werk‘, nschwed. mdartl. brumm ‚Laubzweig‘.
Fick III (Germ.)⁴ 262; Holthausen, As. Wb. 9. 34;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 340; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 420; Verdam, Mndl. handwb.
114. 116; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 88. 92; Vries,
Ndls. et. wb. 83. 86; Doornkaat Koolman, Wb. d. ost-
fries. Spr. I, 220 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 36; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 123. 127; Suppl. 105. 107; ME
Dict. A—B, 1140. 1196 f.; OED² II, 484. 585; Oxf.
Dict. of Engl. Et. 113. 120; Vries, Anord. et. Wb.² 60;
Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 27; Falk-Torp,
Norw.-dän. et. Wb. 105; Torp, Nynorsk et. ordb. 44;
Ordb. o. d. danske sprog II, 1199. 1225 f.; Hellquist,
Svensk et. ordb.³ 101. — Vgl. auch R. Loewe, Germ.
Pflanzennamen (Heidelberg, 1913), 12 ff.
Als idg. Basis für die obigen germ. Wörter läßt
sich *bhrem- : *bhrom-: *bhm- ansetzen, wohl
mit der Bed. ‚spitz, eine Spitze oder scharfe
Kante bilden, hervorstehen‘ (zu dieser Basis ge-
hören auch spätmhd. brem ‚Verbrämung‘, nhd.
verbrämen). Die einzige — etwas unsichere — au-
ßergerm. Entsprechung ist lat. frōns, -dis ‚Laub,
belaubter Zweig‘ (< *bhrom-di-?), vgl. Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. I, 550 f.; Ernout-Meillet,
Dict. ét. lat.⁴ 255 (keine Etym.). Die Bezeich-
nung ‚spitz‘ paßt sehr gut zum Dorn- oder
Brombeerstrauch, auch der Besenginster hat
lange, dünne, etwas gespitzte Stengel (deshalb
heißt es nhd. Pfriem, in Anlehnung an Pfrie-
m(en) ‚spitzes Werkzeug zum Durchstechen‘, →
brimma); skand. brum, brom usw. bedeutete
wohl ursprl. ‚spitz hervorstehende Knospe‘
oder, wie im ält. Ndän., ‚Spitze von Schößlin-
gen‘.
Idg. *bhrem- ist viell. eine Variante von *bh(e)-
rem- (zu einer anderen Variante *bherm- gehö-
ren wohl aisl. barmr ‚Rand, Saum‘, nndd. barm,
berme, mndl. barm, nndl. berm ‚hoher Acker-
rand, Grasrand eines Weges‘), einer Erweite-
rung von einer idg. Wz. *bher- (zu *bher-
‚schneiden, spalten, → berien, oder zu *bher-
‚tragen, aufheben‘, → bor und berg?). In wel-
chem Verhältnis *bhrem- zur gleichbed. Wz.
*bhar- steht (→ bar², bart), ist unklar. Zu dieser
Wz. *bher- (nach Pokorny 108 zu *bhar-) ge-
hört viell. got. bairabagms ‚Maulbeerbaum‘, das
aber nach dem Wort für ‚Bär‘ umgedeutet wurde
(→ bero).
Anders Kluge²² 107: die germ. Sippe gehe auf vor-
germ. *mrēmo- zurück und sei mit gr. μόρον ‚Maul-
beere, Brombeere‘ usw. verwandt; eine lautlich sehr
fragliche Deutung, die auch weder die Bed. ‚Besengin-
ster‘ noch die ablautenden Wörter für ‚Knospe‘ er-
klärt.
Walde-Pokorny II, 162; Pokorny 142; Vries, Anord.
et. Wb.² 27; Verdam, a. a. O. 55; Franck, a. a. O. 52;
Vries, Ndls. et. wb. 46; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr.
74 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. B-8.