brûnAWB, prûnAWB adj.: ‚braun, dunkel, dunkel-,
schwarz-, rot-, kastanienbraun, fulvus, furvus,
niger, nigellus, spadix, rufus, ceraseus, purpu-
reus‘; einmal ‚braunviolett, pflaumenfarben (=
ut pruna)‘; das Wort ist besonders früh und
häufig in dem ahd. PN Brûno (8. Jh.) samt Ab-
leit. und Zss. wie Brûnicho, Brûning u. a. ver-
treten, die sich meist auf Haut- und Haarfar-
be, gelegentlich aber auch auf gewohnheitsmä-
ßige Kleidung beziehen, s. Bach, Dt. Namen-
kunde I § 255, 5; Förstemann, Adt. Namen-
buch2-3 I, 338 ff. — Mhd. brûn ‚braun, dunkel-
farbig‘; auch ‚glänzend, funkelnd (bes. von
Schwert, Helm)‘. — Frühnhd. braun ‚braun‘,
auch ‚violett‘; nhd. braun.
Ahd. Wb. I, 1435 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 110; Starck-
Wells 80; Graff III, 311 f.; Schade 87; Lexer I, 365;
Benecke I, 267 f.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 251 (ful-
vus). 474 (purpureus); Götze, Frühnhd. Gl.⁶ 39; Dt.
Wb. II, 323 ff.; Kluge²¹ 97; Kluge²² 103; Pfeifer, Et.
Wb. 209. — Vgl. auch K. Borinski, Braun als Trauerfar-
be (Sitz.ber. d. Bayer. Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Kl.
1918, 10, München 1918; ebd. 1920, 1, München
1921). Zur Barockformel ‚braune Nacht‘ (seit 1622) s.
K. Viëtor, ZfdPh. 63 (1938), 284 ff.
Das ahd. Wort hat Entsprechungen in allen
germ. Dialekten (außer im Got., wo Wulfilas
Text keinen Anlaß zu seiner Verwendung gab;
es fehlt auch in den liter. Quellen des Ahd.): as.
brūn ‚braun; glänzend‘ (Wadstein, Kl. as.
Spr.denkm. 109), mndd. brūn ‚dss.‘; mndl.
bruun, bruyn, brun ‚braun; glänzend, poliert‘,
nndl. bruin; afries. nfries. brūn; ae. brūn
‚braun, dunkel; glänzend‘, me. broun ‚dss.‘, ne.
brown; aisl. brúnn ‚braun; glänzend, poliert‘
(vgl. auch aisl. Brúnn als Beiname von Odin),
nnorw. ndän. nschwed. brun.
Fick III (Germ.)⁴ 264; Holthausen, As. Wb. 10;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 358; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 438; Verdam, Mndl. handwb.
120; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 96 f.; Vries, Ndls. et.
wb. 92; Holthausen, Afries. Wb.² 13; Richthofen,
Afries. Wb. 673; Doornkaat Koolman, Wb. d. ostfries.
Spr. I, 239 f.; Holthausen, Ae. et. Wb. 56; Bosworth-
Toller, AS Dict. 128; Suppl. 108; Suppl. II, 12; ME
Dict. A-B, 1207 f.; OED² II, 592; Oxf. Dict. of Engl.
Et. 121; Anord. et. Wb.² 60; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
619; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 27; Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 107; Torp, Nynorsk et.
ordb. 44 f.; Fritzner, Ordb. o. d. g. norske sprog I, 200;
Hellquist, Svensk et. ordb.³ 103.
Die germ. Belege führen sämtlich auf eine mit
dem idg. no-Suffix erweiterte Basis *bh(e)rū-
[**bh(e)ruH-] zurück, eine Variante der Wz.
*bher-o-, *bher-u- [**bherH-o-, **bherH-u-]
‚hell, braun‘, die ihrerseits schon einen Tabuna-
men für den ‚Bären‘ geliefert und das ursprl.
idg. Wort *þo- [**H₂þo-], heth. ḫar-ták-
ga-, aind. kṣa-, jungav. arša-, gr. ἄρκτος, lat.
ursus verdrängt hatte (→ bero). Sobald jedoch
ahd. bero nicht mehr mit dem ursprl. Farbwort
für ‚braun‘ assoziiert wurde und damit seine
schützende Tabuwirkung verlor, wiederholte
sich das sprachliche Versteckspiel mit dem ver-
harmlosenden brûn in der Bildung eines sub-
stantivierten n-Stamms adt. Brûne, latinisiert
Brûno, wie er in der mittelalterlichen Tiersage
heißt. Zu den Tabubenennungen, insbesondere
des Bären, vgl. Schrader, Reallex. d. idg. Alt.² I,
81; W.-E. Peuckert in Handb. d. dt. Aberglau-
bens I, 881 ff.; M. B. Emeneau, Lang. 24 (1948),
56 ff.; A. Nehring, Stud. z. idg. Kulturgesch. u.
Linguistik IV (Salzburg, 1936), 212 ff.; W. Ha-
vers, Sitz.ber. d. Akad. d. Wiss. in Wien 223, 5
(Wien, 1946).
Auch außerhalb des Germ. finden sich in mehre-
ren idg. Sprachen Ableitungen von derselben
Wurzel, entweder gleichermaßen mit no-Suffix
(s. Brugmann, Grdr.² II, 1 § 179: Farbbezeich-
nungen; Kluge, Nom. Stammbildung³ § 227 f.;
Wilmanns, Dt. Gr. II § 325, 3) oder mit Redu-
plikation der Wurzelsilbe. So etwa das aind.
Farbwort babhrú- ‚rotbraun‘ (*bhe-bhrú-), das
als Substantiv eine große Ichneumon-Art be-
zeichnet und dessen sprachl. Gegenstücke an-
derwärts mit dem Namen des Bibers zu identifi-
zieren sind (→ bibar); R. Thurneysen meinte so-
gar, die Bed. ‚braun‘ sei vielleicht erst sekundär
aus ‚biberfarben‘ entwickelt (Zfvgl. Spr. 32
[1893], 563 mit Fn. 1), ohne damit viel Anklang
zu finden. Auch eine volkstümliche aind. Be-
zeichnung des Bären geht mit l-Erweiterung
und Assimilation von -rl- zu -ll- (s. H. Kern,
Tijdschrift 5 [1885], 49 ff.) und teilweise mit idg.
ko-Suffix, nämlich bhalla-, bhallka- (Mayrho-
fer, K. et. Wb. d. Aind. II, 485), auf den Stamm
*bhero- bzw. *bheru- zurück. (Umstritten bleibt
dagegen das Verhältnis von ahd. brûn zu aind.
bradhná- ‚rötlich, falb‘, → blantan.)
Im Griech. erscheint die gleiche Wz. im Namen
der ‚Kröte‘: φρνη f., auch φρῦνος m. (f.) oder
φροῦνος ‚die/der Braune‘ < *bhrū- bzw.
*bhrou̯ǝ- [**bhruH-; **bhrou̯H-] mit no-Suf-
fix, wie zuerst von A. Kuhn, Zfvgl. Spr. I (1852),
200 bemerkt, im Dt. Wb. II, 324 gutgeheißen
und von J. Charpentier weiter begründet
(Zfvgl. Spr. 40 [1905/06], 474).
Auch im Slav. sind ausschließlich Bildungen mit
no-Suffix verbreitet, weshalb sie wohl gelegent-
lich allesamt als Adoptionen aus dem benach-
barten Ndd. betrachtet wurden (so etwa bei Mi-
klosich, Et. Wb. d. slav. Spr. 22). Aber die weite
Geltung dieser Formen: russ.-ksl. bronъ ‚weiß,
bunt (von Pferden)‘, russ. bronét’ ‚grau, weiß
werden‘, atschech. broný ‚weiß‘, slovak. broň
‚Röte, rote Farbe‘, poln. (dial.) brony ‚(rot)-
braun‘ u. a. sprechen gegen eine Entlehnung; al-
lerdings sind die slav. u-Formen besonders im
westl. Bereich, wie sloven. brunti ‚braun, reif
werden‘, ukrain. brunьka ‚Sprößling‘, schwer
von entlehntem brūn- zu trennen (Sadnik-Ait-
zetmüller, Vgl. Wb. d. slav. Spr. Nr. 140). Sicher
aus dem Ndd. entlehnt sind lit. brnas ‚braun‘,
lett. brũns.
Im Toch. haben die Entsprechungen anlauten-
des p- für idg. bh-: parno in A und perne in B,
beide mit der ausschließlichen Bed. ‚glänzend‘
und einem nicht völlig geklärten Vokalismus
(vorurtoch. *bhorǝn- [**bhorHn-]?).
Außerdem wurde aber die germ.-adt. Form
*brūn- nicht nur an manchen östlichen Nach-
barn, sondern über Skandinavien auch weiter
nördlich ins Finnische als ruuni und ins Lappi-
sche als brūna, brūnes getragen. Dazu kommt,
wie F. Kluge annimmt (Zfrom.Ph. 41 [1921],
679), daß das germ. Wort im Munde der römi-
schen Soldaten schon früh dem Vulg.lat. im
Sinne von ‚braun, dunkel‘ (bes. für Tiere und
Körperteile) einverleibt wurde (ein umstrittenes
Zeugnis in Isid. Etym., s. Sofer, Lat. aus Isidor
67 f.) und sich als bruno im Italien., als brun im
Frz. und Prov. und indirekt auch im Span. und
Port. (bruno) eingebürgert hat.
Viel unsicherer ist die Möglichkeit, daß der zuneh-
mend häufigere Gebrauch von brûn im Mhd. einer
Rückwirkung des frz. brun zu verdanken sei (s. Wart-
burg, Frz. et. Wb. XV, 1, 310); ebenso die These, daß
ein adt. brûn mit der Bed.-Nuance ‚braunviolett,
pflaumenfarben‘ (s. o.) auf einer zweiten, wesentlich
späteren Entlehnung von lat. prūnum beruhe (das erste
Mal > ahd. pfrûma ‚Pflaume‘; s. A. Götze, Zfdt.
Wortf. 12 [1910], 200); abzulehnen ist I. Dals Ver-
such, Norsk tidsskrift f. sprogv. 9 (1938), 219 ff., die
Nebenbedeutung ‚glänzend, funkelnd, blank (von
Waffen)‘ — trotz der Vieldeutigkeit der meisten Far-
bennamen — durch den Ansatz eines höchst unwahr-
scheinlichen zweiten Etymons, nämlich *bhrū- im
Sinne von ‚Kante, Rand‘ (→ brâwa), auf ein ganz an-
deres Gleis zu schieben.
Walde-Pokorny II, 166 f.; Pokorny 136; Persson,
Beitr. z. idg. Wortf. I, 18; Mayrhofer, K. et. Wb. d.
Aind. II, 409 f.; ders., Et. Wb. d. Altindoar. II, 210;
Frisk, Gr. et. Wb. II, 1047; Boisacq, Dict. ét. gr.⁴
733 f. 1034. 1040; Chantraine, Dict. ét. gr. 1230 f.;
Trautmann, Balt.-Slav. Wb. 35 (*bradna-); Berneker,
Slav. et. Wb. I, 87; Fraenkel, Lit. et. Wb. 38 f. 60;
Sehwers, Dt. Einfluß im Lett. 19; Windekens, Lex. ét.
tokh. 93; Thomsen, Einfluß d. germ. Spr. 51; Quig-
stad, Nord. Lehnw. im Lapp. 118. — Vgl. auch Mittel-
lat. Wb. I, 1591; Meyer-Lübke, Rom. et. Wb.³ Nr.
1340; Wartburg, Frz. et. Wb. XV, 1, 306 ff.; Brüch,
Einfl. d. germ. Spr. 87.