brût
Band II, Spalte 403
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brûtAWB, prûtAWB f. i-St.: Braut am Tage der
Hochzeit, Neuvermählte, junge Frau, sponsa,
pacta, nupta, nympha, virgo
; einmal Schwie-
gertochter, nurus
Gl. 4, 82, 1 Var.: bruth,
prud, brt, brot, bruot-; gen. sg. briute, pr-
Notker. Mhd. brût, briut, brout st.f. Braut
(kurz vor der Vermählung), Neuvermählte,
junge Frau; Beischläferin
; nhd. Braut f. Die
Bed. Verlobte, die wohl aus ostmdt. Mdaa.
stammt, ist erst seit Luther in die Schriftspra-
che aufgenommen (zur Bed.gesch. vgl.
W. Braune, PBB 32 [1907], 30 ff., bes. 55 f.).

Ahd. Wb. I, 1463 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 113; Schütz-
eichel⁴ 82; Starck-Wells 82; Graff III, 293; Schade 88;
Lexer I, 373; Benecke I, 273; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 381 (nimpha). 548 (sponsa); Dt. Wb. II, 330 ff.;
Trübners Dt. Wb. I, 416 ff.; Kluge²¹ 97; Kluge²² 103;
Pfeifer, Et. Wb. 210. Lühr, Stud. z. Hildebrandlied
502 f.

Das Wort kommt in allen altgerm. Sprachen
vor: as. brūd Gattin, Eheweib, mndd. brūt (-d-)
Braut, Gemahlin; mndl. bruut, bruyt Braut,
Neuvermählte; Beischläferin
, nndl. bruid öf-
fentlich verlobte Frau
; afries. breid Braut am
Hochzeitstag, Neuvermählte
; ae. brd dss.,
auch Eheweib, me. brīd(e), brūde Braut, Neu-
vermählte, Mädchen
, ne. bride Braut am
Hochzeitstag, Neuvermählte
; aisl. brúðr Braut
am Hochzeitsfest, (junge) Frau
, nnorw. ndän.
nschwed. brud Braut am Hochzeitsfest; got.
*brūþs (nur bruþ akk. sg. M 10, 35) Schwieger-
tochter, Neuvermählte, νύμφη
(auch in der Zss.
brūþfaþs Bräutigam).

Fick III (Germ.)⁴ 282. 569; Holthausen, As. Wb. 10;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 64 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 68;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 359; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 489; Verdam, Mndl. handwb.
120; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 96; Vries, Ndls. et.
wb. 91 f.; Holthausen, Afries. Wb.² 11; Richthofen,
Afries. Wb. 667; Holthausen, Ae. et. Wb. 37; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 130; Suppl. 109; ME Dict. A
B, 1164; OED² II, 540; Oxf. Dict. of Engl. Et. 117;
Vries, Anord. et. Wb.² 60; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
683; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 27; Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 105 f.; Torp, Nynorsk et.
ordb. 44; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 102; Feist, Vgl.
Wb. d. got. Spr. 110 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. B-
108.

Aus dem Germ. (Got.?) ist das Wort ins Mittel-
lat. als brutis, brutes (in Inschriften auf dem Bal-
kan schon seit dem 3./4. Jh.), später bruta, und
ins Mittelgriech. als *βρούτις (akk. sg. βρούτιδα,
akk. pl. βρούτιδας) junge Frau, verheiratete
Tochter, Schwiegertochter
übergegangen.
Ebenfalls eine germ. Entlehnung ist frz. bru
Schwiegertochter, mdartl. auch jungvermählte
Frau
.

G. Gundermann, Zfdt. Wortf. 1 (1901), 240 ff.;
A. Thumb, Paul-Festschrift 233 f.; R. Loewe, Zfvgl.Spr.
39 (1906), 276 ff.; W. Braune, a. a. O. 38 ff. 560;
O. Fiebiger u. L. Schmidt, Inschriftensammlung z. Gesch.
d. Ostgermanen (Wien, 1917), 149 f. Wartburg, Frz. et.
Wb. I, 559; XV, 1, 303; H. Kuen in Gamillscheg-Fest-
schrift 296 ff.

Aufgrund der westgerm. Formen läßt sich germ.
*rūđi- ansetzen; wegen der entlehnten mittel-
lat. Formen mit -t- hat W. Braune, a. a. O. 38 ff.
fürs Got. *rūþi- angesetzt; s. auch Brüch,
Einfl. d. germ. Spr. 48 Anm. 1; Jellinek, Gesch. d.
got. Spr. 91; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 117.
Dieses vielbesprochene Wort hat keine gesicher-
ten außergerm. Verwandten und keine Etymolo-
gie. Sogar die ursprl. Bed. ist umstritten: war die
Braut ursprl. ein mannbares Weib (O. Wiede-
mann, BB 27 [1902], 208), die Zugesprochene,
Verlobte
(C. C. Uhlenbeck, PBB 22 [1897],
188; H. Hirt, ebda. 234), mulier quae cum viro
concumbit
(W. Braune, a. a. O. 52), die durch
Brautraub Erworbene
(W. Krogmann, Glotta
20 [193132], 177 f.; ders., WuS 16 [1934],
80 ff.) oder die Adoptivtochter, Schwiegertoch-
ter
(Fr. Kauffmann, ZfdPh. 42 [1910], 129 ff.;
vgl. auch F. Debus in Schmitt, Dt. Wortforschung
I, 37 f.)? Der Form nach scheint das Wort auf
ein idg. -ti-Abstraktum zurückzugehen, aber
man hat umsonst nach einer passenden idg. Ver-
balwz. gesucht.

Von den vielen, manchmal recht phantastischen
etym. Versuchen sind nur wenige erwähnenswert
(s. F. Debus, a. a. O. 37 ff.). Trotz der berechtig-
ten Skepsis vieler Forscher ist ein Zusammen-
hang mit lat. Frtis, einem Beinamen der Göttin
Venus, nicht auszuschließen (obgleich die Länge
des -u- unbestimmbar bleibt), aber dieses selten
belegte Wort hat auch keine Etymologie man-
che halten es sogar für eine durch die Vermitt-
lung der Etrusker entlehnte und entstellte Form
von gr. Ἀφροδίτη, die dann natürlich mit germ.
*rūđi- nichts zu tun haben kann (vgl. O. Wie-
demann, a. a. O. 205 f.; W. Braune, a. a. O. 32.
58 f.; F. Kluge, PBB 34 [1909], 561 f.; W. van
Helten, PBB 35 [1909], 306; W. Krause, Die
Frau in der Spr. d. aisl. Familiengeschichten [Göt-
tingen, 1926], 217 f.; S. Bosco, Accad. d. Scienze
di Torino, Cl. d. Scienze morali, storiche e filolo-
giche. Atti, 105 [1971], 410 ff.; dagegen
W. Krogmann, a. a. O. 175 ff.; Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. I, 554 f.; Lehmann, a. a. O. B-108).
Selbst wenn dieses isolierte Wort mit germ.
*rūđi- verwandt sein sollte, bringt das keine
endgültige Lösung des etym. Rätsels. Ob *rū-
đi- (und Frtis?) letzten Endes auf die idg. Wz.
*bhre(ǝ)-[**bhreH-] sprießen, schwellen zu-
rückgeht (im Sinne der Fruchtbarkeit, so
Braune, a. a. O. 58 f., vgl. lat. frutex Staude,
Strauch
, viell. ahd. broz Knospe, Sprosse,
s. d.), ist höchst unsicher.

Man könnte statt dessen an irgendeine (nicht
näher zu bestimmende) Erweiterung der idg.
Wz. *bher- tragen, bringen denken ( beran),
entweder im Sinne der Fruchtbarkeit wie oben
(so z. B. L. Sütterlin, IF 29 [1911], 129; Specht,
Ursprung d. idg. Dekl. 148, in beiden Fällen un-
wahrscheinliche Kombinationen), oder, wie bei
aksl. brakъ Hochzeit, Heirat, russ. brak Ehe
(alt auch Fest) in Verbindung mit der Heim-
führung der Braut (vgl. Sadnik-Aitzetmüller,
Handwb. z. d. aksl. Texten 14. 217; dies., Vgl.
Wb. d. slav. Spr. Nr. 238; Berneker, Slav. et.
Wb. I, 81; Vasmer, Russ. et. Wb. I, 117); jedoch
geht W. van Helten, PBB 35 (1909), 308;
ZfdPh. 42 (1910), 446 f., zu weit, wenn er die
germ. und slav. Wörter auf eine gemeinsame Ba-
sis *bhrō- : *bhrū- zurückführt.

Alle anderen etym. Versuche sind abzulehnen: zu aind.
*praudhā Braut, Bopp, Glossar. comp. ling. sanscr.³
(Berlin, 1867), 356 (das Wort existiert nicht); Dt. Wb.
II, 330 f.; ähnlich S. Bugge, PBB 13 (1888), 184 f., also
zur idg. Wz. *edh- (heim-)führen: schon aus lautli-
chen Gründen unmöglich. Zu aind. brávīti spricht,
sagt
, avest. mrū- sagen, sprechen, also die Zuge-
sprochene, Verlobte
, A. Torp, Unger-Festschrift 174;
C. C. Uhlenbeck, a. a. O.; H. Hirt, a. a. O.: erstens ist
der Wandel idg. *mr- > germ. *br- sehr fraglich,
zweitens ist die den indo-iran. Wörtern zugrundelie-
gende idg. Wz. wohl *mle-, nicht *mre-; vgl. Wal-
de-Pokorny II, 313; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind.
II, 452; ders., Et. Wb. d. Altindoar. II, 235 f.; O. Sze-
merényi, Emerita 22 (Madrid, 1955), 167 f. Zu lit.
martì Braut, junge Frau, krimgot. marzus Hochzeit,
aind. márya- junger Mann, Liebhaber, gr. μεῖραξ m.
Junge, f. Mädchen, F. A. Wood, MLN 15 (1900),
96; O. Wiedemann, a. a. O.; Kluge²² a. a. O.; morpho-
logisch undurchsichtig, wieder *mr- > *br-. Zu
ahd. brôt Brot (unter Berücksichtigung der ahd.
Gl.formen brt [s. o.] und proaton, -tun [s. d.], Kose-
form zu einer mit ae. hlǣfdige Brotkneterin > Herrin
zu vergleichenden Zss.(!), F. Kluge, a. a. O. 564 f.
Zur idg. Wz. *bhre- brechen ( brôdi) die durch
Brautraub Erworbene
, W. Krogmann, a. a. O.: seman-
tisch sehr fraglich. Aus *bhr-ǝu-ex-tí- celle qui por-
te (est chargée de) la force vitale, animatrice
, G. v.
Langenhove, Linguistische Studien (Antwerpen, 1936
46) II, 59: sehr gewagt und wenig glaubhaft. Zur
Wz. *bher- mit der Bed. Flechtzaun, die Neuver-
mählte, die in den Mannring aufgenommen wird
(mit
Bruder verwandt!), J. Trier, Zd. Savigny-Stiftung f.
Rechtsgesch. 65 (1947), 255: wie meistens bei Etymolo-
gien von Trier kaum ernst zu nehmen. Durch Meta-
these aus germ. *ūđri- zur Wz. *bhe(ǝ)- wachsen,
werden
, also the grower, bearer (of offspring), Sze-
merényi, Kinship Terminology 82 ff.: ohne Parallelen
im Germ.

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