brûtAWB, prûtAWB f. i-St.: ‚Braut am Tage der
Hochzeit, Neuvermählte, junge Frau, sponsa,
pacta, nupta, nympha, virgo‘; einmal ‚Schwie-
gertochter, nurus‘ Gl. 4, 82, 1 〈Var.: bruth,
prud, brt, brot, bruot-; gen. sg. briute, pr-
Notker〉. — Mhd. brût, briut, brout st.f. ‚Braut
(kurz vor der Vermählung), Neuvermählte,
junge Frau; Beischläferin‘; nhd. Braut f. Die
Bed. ‚Verlobte‘, die wohl aus ostmdt. Mdaa.
stammt, ist erst seit Luther in die Schriftspra-
che aufgenommen (zur Bed.gesch. vgl.
W. Braune, PBB 32 [1907], 30 ff., bes. 55 f.).
Ahd. Wb. I, 1463 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 113; Schütz-
eichel⁴ 82; Starck-Wells 82; Graff III, 293; Schade 88;
Lexer I, 373; Benecke I, 273; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 381 (nimpha). 548 (sponsa); Dt. Wb. II, 330 ff.;
Trübners Dt. Wb. I, 416 ff.; Kluge²¹ 97; Kluge²² 103;
Pfeifer, Et. Wb. 210. — Lühr, Stud. z. Hildebrandlied
502 f.
Das Wort kommt in allen altgerm. Sprachen
vor: as. brūd ‚Gattin, Eheweib‘, mndd. brūt (-d-)
‚Braut, Gemahlin‘; mndl. bruut, bruyt ‚Braut,
Neuvermählte; Beischläferin‘, nndl. bruid ‚öf-
fentlich verlobte Frau‘; afries. breid ‚Braut am
Hochzeitstag, Neuvermählte‘; ae. brȳd ‚dss.‘,
auch ‚Eheweib‘, me. brīd(e), brūde ‚Braut, Neu-
vermählte, Mädchen‘, ne. bride ‚Braut am
Hochzeitstag, Neuvermählte‘; aisl. brúðr ‚Braut
am Hochzeitsfest, (junge) Frau‘, nnorw. ndän.
nschwed. brud ‚Braut am Hochzeitsfest‘; got.
*brūþs (nur bruþ akk. sg. M 10, 35) ‚Schwieger-
tochter, Neuvermählte, νύμφη‘ (auch in der Zss.
brūþfaþs ‚Bräutigam‘).
Fick III (Germ.)⁴ 282. 569; Holthausen, As. Wb. 10;
Sehrt, Wb. z. Hel.² 64 f.; Berr, Et. Gl. to Hel. 68;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 359; Schiller-
Lübben, Mndd. Wb. I, 489; Verdam, Mndl. handwb.
120; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 96; Vries, Ndls. et.
wb. 91 f.; Holthausen, Afries. Wb.² 11; Richthofen,
Afries. Wb. 667; Holthausen, Ae. et. Wb. 37; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 130; Suppl. 109; ME Dict. A—
B, 1164; OED² II, 540; Oxf. Dict. of Engl. Et. 117;
Vries, Anord. et. Wb.² 60; Jóhannesson, Isl. et. Wb.
683; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 27; Falk-
Torp, Norw.-dän. et. Wb. 105 f.; Torp, Nynorsk et.
ordb. 44; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 102; Feist, Vgl.
Wb. d. got. Spr. 110 f.; Lehmann, Gothic Et. Dict. B-
108.
Aus dem Germ. (Got.?) ist das Wort ins Mittel-
lat. als brutis, brutes (in Inschriften auf dem Bal-
kan schon seit dem 3./4. Jh.), später bruta, und
ins Mittelgriech. als *βρούτις (akk. sg. βρούτιδα,
akk. pl. βρούτιδας) ‚junge Frau, verheiratete
Tochter, Schwiegertochter‘ übergegangen.
Ebenfalls eine germ. Entlehnung ist frz. bru
‚Schwiegertochter‘, mdartl. auch ‚jungvermählte
Frau‘.
G. Gundermann, Zfdt. Wortf. 1 (1901), 240 ff.;
A. Thumb, Paul-Festschrift 233 f.; R. Loewe, Zfvgl.Spr.
39 (1906), 276 ff.; W. Braune, a. a. O. 38 ff. 560;
O. Fiebiger u. L. Schmidt, Inschriftensammlung z. Gesch.
d. Ostgermanen (Wien, 1917), 149 f. — Wartburg, Frz. et.
Wb. I, 559; XV, 1, 303; H. Kuen in Gamillscheg-Fest-
schrift 296 ff.
Aufgrund der westgerm. Formen läßt sich germ.
*rūđi- ansetzen; wegen der entlehnten mittel-
lat. Formen mit -t- hat W. Braune, a. a. O. 38 ff.
fürs Got. *rūþi- angesetzt; s. auch Brüch,
Einfl. d. germ. Spr. 48 Anm. 1; Jellinek, Gesch. d.
got. Spr. 91; Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 117.
Dieses vielbesprochene Wort hat keine gesicher-
ten außergerm. Verwandten und keine Etymolo-
gie. Sogar die ursprl. Bed. ist umstritten: war die
‚Braut‘ ursprl. ‚ein mannbares Weib‘ (O. Wiede-
mann, BB 27 [1902], 208), ‚die Zugesprochene,
Verlobte‘ (C. C. Uhlenbeck, PBB 22 [1897],
188; H. Hirt, ebda. 234), ‚mulier quae cum viro
concumbit‘ (W. Braune, a. a. O. 52), ‚die durch
Brautraub Erworbene‘ (W. Krogmann, Glotta
20 [1931—32], 177 f.; ders., WuS 16 [1934],
80 ff.) oder die ‚Adoptivtochter, Schwiegertoch-
ter‘ (Fr. Kauffmann, ZfdPh. 42 [1910], 129 ff.;
vgl. auch F. Debus in Schmitt, Dt. Wortforschung
I, 37 f.)? Der Form nach scheint das Wort auf
ein idg. -ti-Abstraktum zurückzugehen, aber
man hat umsonst nach einer passenden idg. Ver-
balwz. gesucht.
Von den vielen, manchmal recht phantastischen
etym. Versuchen sind nur wenige erwähnenswert
(s. F. Debus, a. a. O. 37 ff.). Trotz der berechtig-
ten Skepsis vieler Forscher ist ein Zusammen-
hang mit lat. Frtis, einem Beinamen der Göttin
Venus, nicht auszuschließen (obgleich die Länge
des -u- unbestimmbar bleibt), aber dieses selten
belegte Wort hat auch keine Etymologie — man-
che halten es sogar für eine durch die Vermitt-
lung der Etrusker entlehnte und entstellte Form
von gr. Ἀφροδίτη, die dann natürlich mit germ.
*rūđi- nichts zu tun haben kann (vgl. O. Wie-
demann, a. a. O. 205 f.; W. Braune, a. a. O. 32.
58 f.; F. Kluge, PBB 34 [1909], 561 f.; W. van
Helten, PBB 35 [1909], 306; W. Krause, Die
Frau in der Spr. d. aisl. Familiengeschichten [Göt-
tingen, 1926], 217 f.; S. Bosco, Accad. d. Scienze
di Torino, Cl. d. Scienze morali, storiche e filolo-
giche. Atti, 105 [1971], 410 ff.; dagegen
W. Krogmann, a. a. O. 175 ff.; Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. I, 554 f.; Lehmann, a. a. O. B-108).
Selbst wenn dieses isolierte Wort mit germ.
*rūđi- verwandt sein sollte, bringt das keine
endgültige Lösung des etym. Rätsels. Ob *rū-
đi- (und Frtis?) letzten Endes auf die idg. Wz.
*bhreu̯(ǝ)-[**bhreu̯H-] ‚sprießen, schwellen‘ zu-
rückgeht (im Sinne der ‚Fruchtbarkeit‘, so
Braune, a. a. O. 58 f., vgl. lat. frutex ‚Staude,
Strauch‘, viell. ahd. broz ‚Knospe, Sprosse‘,
s. d.), ist höchst unsicher.
Man könnte statt dessen an irgendeine (nicht
näher zu bestimmende) Erweiterung der idg.
Wz. *bher- ‚tragen, bringen‘ denken (→ beran),
entweder im Sinne der ‚Fruchtbarkeit‘ wie oben
(so z. B. L. Sütterlin, IF 29 [1911], 129; Specht,
Ursprung d. idg. Dekl. 148, in beiden Fällen un-
wahrscheinliche Kombinationen), oder, wie bei
aksl. brakъ ‚Hochzeit, Heirat‘, russ. brak ‚Ehe‘
(alt auch ‚Fest‘) in Verbindung mit der Heim-
führung der Braut (vgl. Sadnik-Aitzetmüller,
Handwb. z. d. aksl. Texten 14. 217; dies., Vgl.
Wb. d. slav. Spr. Nr. 238; Berneker, Slav. et.
Wb. I, 81; Vasmer, Russ. et. Wb. I, 117); jedoch
geht W. van Helten, PBB 35 (1909), 308;
ZfdPh. 42 (1910), 446 f., zu weit, wenn er die
germ. und slav. Wörter auf eine gemeinsame Ba-
sis *bhrōu̯- : *bhrū- zurückführt.
Alle anderen etym. Versuche sind abzulehnen: zu aind.
*praudhā ‚Braut‘, Bopp, Glossar. comp. ling. sanscr.³
(Berlin, 1867), 356 (das Wort existiert nicht); Dt. Wb.
II, 330 f.; ähnlich S. Bugge, PBB 13 (1888), 184 f., also
zur idg. Wz. *u̯edh- ‚(heim-)führen‘: schon aus lautli-
chen Gründen unmöglich. — Zu aind. brávīti ‚spricht,
sagt‘, avest. mrū- ‚sagen, sprechen‘, also ‚die Zuge-
sprochene, Verlobte‘, A. Torp, Unger-Festschrift 174;
C. C. Uhlenbeck, a. a. O.; H. Hirt, a. a. O.: erstens ist
der Wandel idg. *mr- > germ. *br- sehr fraglich,
zweitens ist die den indo-iran. Wörtern zugrundelie-
gende idg. Wz. wohl *mleu̯-, nicht *mreu̯-; vgl. Wal-
de-Pokorny II, 313; Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind.
II, 452; ders., Et. Wb. d. Altindoar. II, 235 f.; O. Sze-
merényi, Emerita 22 (Madrid, 1955), 167 f. — Zu lit.
martì ‚Braut, junge Frau‘, krimgot. marzus ‚Hochzeit‘,
aind. márya- ‚junger Mann, Liebhaber‘, gr. μεῖραξ m.
‚Junge‘, f. ‚Mädchen‘, F. A. Wood, MLN 15 (1900),
96; O. Wiedemann, a. a. O.; Kluge²² a. a. O.; morpho-
logisch undurchsichtig, wieder *mr- > *br-. — Zu
ahd. brôt ‚Brot‘ (unter Berücksichtigung der ahd.
Gl.formen brŏt [s. o.] und proaton, -tun [s. d.], Kose-
form zu einer mit ae. hlǣfdige ‚Brotkneterin > Herrin‘
zu vergleichenden Zss.(!), F. Kluge, a. a. O. 564 f. —
Zur idg. Wz. *bhreu̯- ‚brechen‘ (→ brôdi) ‚die durch
Brautraub Erworbene‘, W. Krogmann, a. a. O.: seman-
tisch sehr fraglich. — Aus *bhr-ǝ₂u-ex-tí- ‚celle qui por-
te (est chargée de) la force vitale, animatrice‘, G. v.
Langenhove, Linguistische Studien (Antwerpen, 1936—
46) II, 59: sehr gewagt und wenig glaubhaft. — Zur
Wz. *bher- mit der Bed. ‚Flechtzaun‘, ‚die Neuver-
mählte, die in den Mannring aufgenommen wird‘ (mit
Bruder verwandt!), J. Trier, Zd. Savigny-Stiftung f.
Rechtsgesch. 65 (1947), 255: wie meistens bei Etymolo-
gien von Trier kaum ernst zu nehmen. — Durch Meta-
these aus germ. *ūđri- zur Wz. *bheu̯(ǝ)- ‚wachsen,
werden‘, also ‚the grower, bearer (of offspring)‘, Sze-
merényi, Kinship Terminology 82 ff.: ohne Parallelen
im Germ.