brüelAWB mhd. st. m., nur zweimal (als priul
und prul) in Gl. des 14. Jh.s (wo es beidemal
einem Lemma broel [vgl. Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 82] entspricht und durch lat. stipula-
[men], septum, indago erklärt wird), aber öfter
auch in mhd. Literatur, (Fach-)Prosa und (lo-
kal-)historischen Dokumenten (häufig als Ei-
genname): ‚umzäuntes, meist feuchtes, zum
Besitz des Dorfoberhauptes gehöriges, oft als
Tiergehege benutztes Wald- oder Wiesenge-
lände‘ 〈Var.: brühel, brügel, briegel u. a., dazu
ein paar frühere Belege von Eigennamen wie
Bruel 1018, Pruoil 11. Jh., Bruilum 1096〉.
Nhd. Brühl m., wohl nur noch in Örtlichkeits-
namen (von Siedlungen wie Brühl bei Köln,
Rheinbrohl u. a., Stadt- und insbesondere Flur-
teilen, in Württemberg allein 521 mal); zum
vereinzelten appellativen Gebrauch in den
Mdaa. von heute, s. u.
Ahd. Wb. I, 1428; Starck-Wells 80; Graff II, 282;
Schade 86; Lexer I, 364; Benecke I, 267; Dt. Wb. II,
426; Kluge²¹ 104; Kluge²² 109. — Vgl. auch Bach, Dt.
Namenkunde II § 366; Förstemann, Adt. Namen-
buch2-3 II, 587 ff. — Zur agrarpolitischen Bedeutung
s. v. Ernst, Mittelfreie (Berlin, 1920) 72 ff. 82 ff.; ders.,
Entstehung d. dt. Grundeigentums (Stuttgart, 1926)
99 ff. 113 ff.; K. Bohnenberger, Württ. Vj.hefte, N.F.
33 (1927), 302 ff.
Der mittelalterliche Ausdruck, der nur im West-
germ. zu Hause ist, hat Entsprechungen in
mndd. bröil, brǖl, brūl ‚Brühl, feuchte Niede-
rung, Buschwerk in sumpfiger Gegend‘ (sowie
in allerlei erstarrten Eigennamen), desgl. mndl.
bruul, bruel, bruil, briel, bru(e)le und nndl.
breugel („veraltet, nur noch in Eigennamen“);
ae. broel, brogel (= vivarium ‚Tiergarten‘), me.
broil, bruil, broll, brull, bruwell ‚an enclosed
park for game‘.
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 351. 358;
Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 437 f.; Verdam, Mndl.
handwb. 120; Vries, Ndls. et. wb. 86 f.; Bosworth-Tol-
ler, AS Dict. 127; Suppl. 107; ME Dict. A—B, 1192.
Das ahd. Wort entspricht in Form und Sachge-
halt einem keltoroman. bro(g)ilus — die Hss. ha-
ben fast immer broilus (mit Kontraktion des spi-
rant. zwischenvokalischen -g-) — ‚eingefriedetes
Wiesen- oder Waldstück; mit Gras oder Bäu-
men bewachsener Platz, auch für Jagdwild‘
(Mittellat. Wb. I, 1584 f.; Du Cange I, 783 f.).
Es begegnet sehr häufig in mittelalt. Urkunden,
Gesetzestexten oder historischen Berichten und
wird — wohl ein Zeichen seiner fremdsprachli-
chen Herkunft — des öfteren definiert oder um-
schrieben, so schon in Karls d. Gr. Capitulare de
villis (um 800 n. Chr., s. MGH: Leges II, Teil I,
87) § 46: „Ut lucos nostros, quos vulgus brogilos
vocat, bene custodire faciant“ und weiterhin „lo-
cus muro circumdatus ad animalia custodienda“.
Keltoroman. bro(g)ilus ist mit dem Diminutiv-
suffix idg. -lo- gebildet (s. Brugmann, K. vgl.
Gr. § 417, 1; Pedersen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr. II
§ 397), und zwar von kelt. *brog(i)-, das in den
Juvenal-Scholien (hrsg. von P. Weßner) VIII,
234 als gall. Simplex „brogae“ und mit der Bed.
‚ager‘ zitiert wird: „brogae Galli agrum dicunt“;
auch begegnet es im Gall. vielfach in Zss. zur
Bezeichnung von Völkerschaften wie Allobroges
(oder -ae: daher stammt wohl in falscher Asso-
ziation die ae-Endung in dem eben zitierten
„brogae“) oder in gall. PN wie Brogi-mārus, -ta-
rus u. a. (s. Holder, Acelt. Spr. I, 619 ff.). Dem
entspricht kymr. korn. und bret. bro (mit lautge-
setzlichem Abfall des -g) im Sinne von ‚Bezirk,
Gegend, Land‘, auch ‚Grenze‘; doch haben die
Keltisten von jeher den Wortstamm auf eine
ursprl. Form mit anl. mr- zurückgeführt, eine
Lautentwicklung, die sich kont.keltisch schon
vor unserer Überlieferung, dagegen im Irischen
besonders spät vollzogen hat, vgl. air. mruig ge-
genüber mir. bruig ‚(cultivated) land; region,
abode‘. Die kelt. Formen gehen zurück auf idg.
*mrog̑- und mit Metathese idg. *morg̑- (kaum
mit Ablaut von einer zweisilbigen Basis idg.
*mereg̑- [?], so Pokorny 738). Von idg. *morg̑-
stammt auch germ. *mark- ‚Mark, (Grenz)-
Wald‘ ab, vgl. urnord. alja-markiR ‚Ausländer‘
(= gall. Allo-broges; vgl. Vries, Anord. et. Wb.²
6), aisl. mǫrk, ahd. marka s. d.; aus einer Basis
mit Reduktionsstufe, idg. *merg-, wird meist
lat. margō ‚Rand, Grenze‘ abgeleitet (zum Bed.-
wandel ‚Grenze‘ > ‚Wald‘ s. C. C. Uhlenbeck,
PBB 30 [1905], 301; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr.
347; Schrader, Reallex.² I, 523; R. Lühr, in
Germ. Rest- u. Trümmersprachen. Hrsg. von
H. Beck [Berlin-New York, 1989], 52 ff.; unkri-
tisch J. U. Hubschmied, Vox. Rom. 3 [1938],
139 ff.). Für die Bedeutung von bro(g)ilus dürfte
sich aus all dem etwa ‚(abgegrenzter) kleiner
Bezirk, Stück Land‘ ergeben; der lautliche Wan-
del des stammhaften kurzen -o- in dem vorahd.
Lehnwort *bro-il zu kurzem -u- in ahd. *bru-il
(mhd. brü-el) erklärt sich aus der Stellung vor
unbetontem -i- wie in ahd. mulina aus mlat.
molīna, s. Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 32 Anm. 4. (Für
K. Bohnenbergers Ansatz eines „frühahd. brôil“
mit langem -ō-, a. a. O. 303, bieten die etym.
Zs.hänge keine Stütze.)
Fick II (Kelt.)⁴ 221; Holder, Acelt. Spr. I, 619 ff.;
Nachtr. 984 ff.; Dottin, Langue gaul. 238; Williams,
Lex. cornu-britannicum 34; Dict. of Welsh 329 f.; Dict.
of Irish B-212; M-177; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc.
M-67 f. — Pedersen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr. I, 163;
Thurneysen, Gr. of OIrish 47 f. 128; ders., Keltoroma-
nisches 50 f. — Walde-Pokorny II, 283 f.; Pokorny 738;
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. II, 39 f.
Der kelt. Ausgangspunkt *bro(g)ilo- hat sich auch
über die ganze Romania verbreitet: italien. brolo,
bruolo, bro(g)lio im Sinne von ‚Küchengarten‘; rätoro-
man. brögl ‚Einfang, Baumgarten‘; aprov. brolh,
bruelh ‚Gebüsch, Gehölz‘; afrz. breuil, bruil, bruel-
(le), broil, broel; frz. breuil ‚eingezäuntes Gebüsch‘,
dazu ON wie Breuil-sur-Vesle, Bruel-sur-la-Lys, s.
Gröhler, Frz. ON II, 126 f.
Körting, Lat.-rom. Wb.³ Nr. 1585; Meyer-Lübke,
Rom. et. Wb.³ Nr. 1324; Wartburg, Frz. et. Wb. I,
555 f.; Gamillscheg, Et. Wb. d. frz. Spr.² 151 (breuil).
Auch in den dt. Mdaa. scheint der appellativische Ge-
brauch des Wortes so gut wie überall im Erlöschen be-
griffen oder bereits erloschen zu sein, mit nur sporadi-
schen Meldungen wie etwa bei Kranzmayer, Wb. d.
bair. Mdaa. in Österr. III, 1162 f.: [priǝl] ‚Sumpf,
sumpfige, mit Gehölz bestandene Fläche‘ nach Unger-
Khull, Steir. Wortschatz 121 zitiert; ähnlich ‚Tümpel
an Quellen‘, nach Schatz, Wb. d. Tirol. Mdaa. 113.
S. auch bruoh².