bracko¹AWB m. n-St., nur nom. pl. bracc(h)on
Gl. 3, 432, 34 (zwei Hss., 11./12. u. 15. Jh.):
‚Wange, Backe, mala‘; auch in der Zss. kinni-
bracko ‚Kinnbacke, maxilla‘ (s. d.).
Ahd. Wb. I, 1313; Splett, Ahd. Wb. I, 95; Starck-
Wells 73; Lexer I, 339 (nur die Glossenbelege); Die-
fenbach, Gl. lat.-germ. 344; Dt. Wb. II, 290.
Das Wort, das mit backo, kinnibacko ‚Kinnbak-
ken, -lade‘ (s. d.) eine ungeklärte Ähnlichkeit
besitzt, ist etymologisch undurchsichtig.
Nach G. Baesecke, ZfdA. 58 (1920—21), 243. 260 ist
bracc(h)on ein Fehler für *bacc(h)on, indem das ‚fal-
sche‘ r aus einem übergeschriebenen f entstanden sei;
so steht auch bei Steinmeyer, Anm. z. Stelle, „l. bac-
chon“. Das ist aber sehr unwahrscheinlich, denn die
Zss. kinnibracko kommt mehrmals vor, und nicht nur
in verwandten Hss. (vgl. z. B. Gl. 4, 264, 33). Nicht bes-
ser ist der Versuch (Dt. Wb. II, 290), bracko mit bre-
chen zu verknüpfen, wie lat. mandibulum zu mandere
‚kauen‘.
Das Ahd. Wb., a. a. O. verweist auf brâwa ‚Au-
genbraue, Augenlid‘ (s. d.); zweimal wird mala
durch braon, praon glossiert (eine kontrahierte
Form von brâwa; vgl. supercilia : obarun prao Gl.
1, 291, 66 und B. Schindling, Die Murbacher Glos-
sen [Straßburg, 1908] 76. 91), einmal in einer an-
deren Hs. der obigen Gl.stelle, einmal in einer
verwandten Hs. Gl. 3, 434, 15 (vgl. Baesecke,
a. a. O. 243): lat. malae konnte auch die oberen
Backenknochen bezeichnen (vgl. Isid., Et. XI, 1,
44 und Ahd. Wb., a. a. O.). Eine etymologische
Anknüpfung an brâwa ist für bracko zwar laut-
lich kaum denkbar — die germ. (und idg.) Benen-
nung für die über (oder unter) den Augen befind-
lichen Skelettwölbungen war eine Ableitung von
der idg. Wz. *bhrū-, während die germ. *rǣh-
wō/ *rǣwō-Bildungen ursprl. die mobilen,
sich ruckweise bewegenden Augenlider bezeich-
neten — erst im Laufe der Zeit kam es zu einer
Vermischung und Verwechslung der beiden
Wörter; daß bracko aus einer Kontamination von
backo mit brâwa entstanden ist, ist aber nicht
ausgeschlossen (vgl. L. Diefenbach, Vgl. Wb. d.
got. Spr. II, 754).
Viell. lebt das Wort noch fort in bair. bracket
adj. ‚dickbackig, pausbackig, dickleibig‘, brack,
brackel ‚unförmige oder sehr beleibte Person‘;
schweiz. brack m. ‚Mensch oder Tier von unver-
hältnismäßiger Beleibtheit‘, bad. bracke¹ ‚eine
dicke, vierschrötige Frauensperson‘, bracke²
‚Schlittenkufe, vorn emporragender Schlitten-
balken‘ (vgl. auch backe ‚Teil der Deichsel, wo-
mit sie am Horn befestigt ist‘); rhein. bracke
‚kurzer untersetzter breitschultriger Mann‘;
hess. brack ‚dicker unförmiger Gaul‘, bracks,
brackes ‚dicker Bube‘.
Schmeller, Bayer. Wb.² I, 346; Schweiz. Id. V, 558;
Ochs, Bad. Wb. I, 304; Müller, Rhein. Wb. I, 897;
Crecelius, Oberhess. Wb. 195.