*bremanAWB st. v. IV oder *brimman st. v. III
‚brüllen, brummen, rugire, fremere‘. Der einzi-
ge sichere Beleg ist pram 1.sg.prät. ‚rugiebam‘
Gl. 1, 242, 32 (9. Jh., bair.); die Belege in Not-
ker, Ps.gl.: premen inf. ‚fremitus‘ und preminte
part. präs. nom. pl.m. ‚frementes‘ (die die lat.
Lemmata übrigens fast buchstäblich wiederge-
ben, vgl. W. Schulze, Zfvgl.Spr. 45 [1913], 55)
können ebensogut zu einem st. v. IV oder ei-
nem sw. v. I *brem(m)en < *bramjan mit nor-
maler spätahd. und mhd. Vereinfachung der
Gemination (vgl. Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 358
Anm. 1) gehören. Die Form bramit 3. sg. präs.
Gl. 2, 352, 33 (11. Jh., fränk.) wird gewöhnlich
zu einem sw. v. *brâmen ‚brüllen‘ gestellt
(s. d.); es kann sich kaum um eine umlautlose
Form von *brem(m)en handeln (Seebold,
Germ. st. Verben 135).
Auch die mhd. Belege sind nicht eindeutig zu
klassifizieren: ein st. v. brimmen wird durch For-
men wie brimmen inf. Passional (ed. Köpke,
1852) 237, 91: brummen prät. pl. Lamprecht,
Alexander (ed. Massmann, 1837) 3217 gesi-
chert; bram prät. sg. (öfters) könnte wie im Ahd.
entweder der 3. oder 4. Klasse angehören. Ob
Formen wie bremen inf. König Rother (ed.
Frings-Kuhnt 1922) 1651 stark oder schwach
sind, läßt sich nicht entscheiden (weder *breme-
te[n] sw.prät. noch *brâmen st. prät. pl. kommt
vor). Eine jüngere Neubildung ist spätmhd.
brimmen sw. v. (brimmete Beheim, Evangelien-
buch; vgl. Lexer I, 353). Die ablautende Va-
riante brummen sw. v., die erst spätahd. er-
scheint (nur einmal: prumin inf. Gl. 2, 337, 24;
12. Jh., → brummen) und mhd. etwas geläufiger
wird, hat in der heutigen dt. Schriftsprache die
anderen Formen völlig verdrängt. Nur in den
obd. Mdaa. kommen brimmen, brem(m)en
(sw. v.) noch vor, meistens mit der Bed. ‚brünstig
sein‘, aber österr. auch ‚surren, rauschen‘ (vgl.
Fischer, Schwäb. Wb. I, 1420; Kranzmayer,
Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. III, 862).
Ahd. Wb. I, 1352; Splett, Ahd. Wb. I, 101; Schütz-
eichel⁴ 80; Starck-Wells 75; Graff III, 303; Schade 83;
Raven, Schw. Verben d. Ahd. I, 286; Sehrt, Notker-
Glossar 20; Lexer I, 348. 353. 365; Nachtr. 103. 107;
Benecke I, 248; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 246 (freme-
re). 503 (*rugere, rugire); Dt. Wb. II, 428 (brummen);
Kluge²¹ 104; Kluge²² 109 (brummen); Pfeifer, Et.
Wb. 221 f.
Die verwandten Verben, die im übrigen West-
germ. vorkommen, sind durchweg schwach und
zeigen wie im Hochdt. die große Variation des
Wurzelvokals, die bei lautmalenden Wörtern öf-
ters begegnet: mndd. brammen, brimmen, brum-
men ‚brüllen, brummen‘; mndl. brem(m)en,
brimmen ‚dss.‘ (zum einzigen Beleg einer unsi-
cheren mndl. Form brēmen, breimen sw. v.?
st. v.? vgl. Verwijs-Verdam, Mndl. wb. I, 1435),
nndl. brommen (älter brummen); ae. bremman
‚brüllen‘, me. brimmen, brime, ne. veraltet brim
‚brünstig sein (vom Schwein)‘. Im Nordgerm.
wird der Stamm *rem- : *ram- viell. in dem
aisl. PN Bráma f., Brámi m. ‚die bzw. der Brül-
lende‘? bewahrt; vgl. nisl., nschwed. dial. bramla
‚lärmen‘, ndän. bram(me), nnorw. bramme ‚sich
brüsten‘. Gewöhnlich wird auch aisl. brimill,
nnorw. brimull ‚großer Seehund‘ hierher gestellt
(wegen des Brüllens des brünstigen Tieres? vgl.
Vries, Anord. et. Wb.² 57; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 25; Torp, Nynorsk et. ordb.
41), aber nach Jóhannesson, Isl. et. Wb. 614 ge-
hört das Wort zu aisl. brim(i) ‚Brandung, Meer‘.
Nskand. Formen wie schwed. brumma, dän.
brumme sind aus dem Mndd. entlehnt.
Fick III (Germ.)⁴ 279; Seebold, Germ. st. Verben
135 f.; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 340.
358; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 423; Verdam,
Mndl. handwb. 116; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 94;
Vries, Ndls. et. wb. 90; Holthausen, Ae. et. Wb. 33;
Bosworth-Toller, AS Dict. 123; Suppl. 105; ME Dict.
A—B, 1173; OED² II, 552; Vries, Anord. et. Wb.² 53.
57; Jóhannesson, Isl. et. Wb. 639; Holthausen, Vgl.
Wb. d. Awestnord. 24. 25; Falk-Torp, Norw.-dän. et.
Wb. 98. 107; Haugen, Norw.-Engl. Dict. 86. 88; Hell-
quist, Svensk et. ordb.³ 102 f.
Die germ. Sippe setzt eine idg. Schallwurzel
*bhrem- voraus, die auch in lat. fremere ‚brum-
men, brüllen, tosen‘ (und viell. in den veneti-
schen Namen vhrema, vhrema. i. .s.tna, vgl.
Beeler, Venetic Lang. 27. 33; Lejeune, Man. de
la langue vénète 320); nkymr. brefu ‚brüllen,
blöken‘; poln. brzmieć (apoln. brznieć und
brzmieć) ‚tönen, lauten, summen‘, bulg. brъmča
‚summen, brummen‘; viell. aind. bhramará- m.
‚Biene‘ vorkommt (wobei die Frage, ob diese
Formen alle urverwandt oder z. T. einzelsprach-
liche lautmalende Neuschöpfungen sind, offen-
bleiben muß; vgl. Mayrhofer, K. et. Wb. d.
Aind. II, 528 f.; ders., Et. Wb. d. Altindoar. II,
279; Sadnik-Aitzetmüller, Vgl. Wb. d. slav. Spr.
Nr. 153); gr. βρέμω ‚brumme, brause, rausche‘
deutet wohl auf eine Anlautvariante *brem- (vgl.
aber E. P. Hamp, Bull. of Board of Celt. Stud. 35
[1985], 53).
Abzulehnen Osthoff-Brugmann, Morph. Unters. V,
93 ff.: aus idg. *mrem- und mit lat. murmurāre ver-
wandt; vgl. Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 544 f.
Ob idg. *bhrem- eine Erweiterung von einer Schall-
wurzel *bher- darstellt (so Pokorny 136) oder nicht,
bleibe dahingestellt; wohl fernzuhalten ist jedenfalls
die Sippe von idg. *bher- ‚aufwallen, sich heftig bewe-
gen‘: z. B. aind. bhuráti ‚bewegt sich, zuckt‘; und mit
m-Formans bhrámati ‚bewegt sich unstet, irrt hin und
her‘, bhramá- ‚Flamme‘; aisl. brimi ‚Brandung, Feuer‘
(so schon Osthoff-Brugmann, a. a. O.); → brinnan.
Walde-Pokorny II, 202 f.; Pokorny 142 f.; Walde-
Hofmann, Lat. et. Wb. I, 544 f.; Ernout-Meillet, Dict.
ét. lat.⁴ 252 f.; Fick II (Kelt.)⁴ 185; Dict. of Welsh 314;
Berneker, Slav. et. Wb. I, 94 f.; Frisk, Gr. et. Wb. I,
264 f.; Chantraine, Dict. ét. gr. 194; Boisacq, Dict. ét.
gr.⁴ 132.