brinnanAWB, prinnanAWB st. v. III ‚brennen, ver-
brennen, entbrennen, glühen, leuchten, ardere,
urere, torrere, adolescere, candere‘ 〈prät. bran,
brunnun; part. prät. *gibrunnan (vgl. firbrun-
nan)〉. — Mhd., frühnhd. brinnen; nhd. ist das
Verb untergegangen, wobei das ursprl. Kausa-
tiv brennen (sw. v.) auch die Bed. von *brinnen
übernommen hat (→ brennen). In den obd.
Mdaa. kommt brinnen (st. v.) noch vor, es wird
aber zunehmend durch die hochsprl. Form
brennen ersetzt.
Ahd. Wb. I, 1406 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 106; Schütz-
eichel⁴ 81; Starck-Wells 78; Graff III, 305 f.; Schade
84; Lexer I, 354; Benecke I, 252 f.; Dt. Wb. II, 391;
Kluge²¹ 99; Kluge²² 104 f. (s. v. brennen); Pfeifer, Et.
Wb. 212 f. — Schweiz. Id. V, 637 ff.; Fischer, Schwäb.
Wb. I, 1395 f.; Jutz, Vorarlberg. Wb. I, 443 f.; Schmel-
ler, Bayer. Wb.² I, 358 f.; Kranzmayer, Wb. d. bair.
Mdaa. in Österr. III, 981 ff.
Entsprechende st. Verben treten in allen alt-
germ. Dialekten auf, aber im Laufe der Zeit
werden sie meistens, wie im Nhd., durch das sw.
Verb ersetzt, das sowohl intrans. wie trans. ge-
braucht wird: as. brinnan (mndd. bernen, bar-
nen sw. v.); mndl. brinnen (nndl. branden sw. v.,
mit -d- aus dem Subst. brand und dem Prät.;
westfläm. barnen sw. v.); afries. (mit Metathese)
burna sw. v., aber einmal part. prät. ūrburnen
(zum -u- in afries. burna, runna, bigunna usw.
vgl. O. Bremer, PBB 17 [1893], 304; Siebs,
Gesch. d. fries. Spr. 1312; Seebold, Germ. st. Ver-
ben 137: altes schwundstufiges Präs. oder nur
fries. Lautwandel?); ae. (mit Metathese) bior-
nan, bi(e)rnan, byrnan (me. bernen, brennen
sw. v. [prät. selten born]; die br-Form ist wohl
hauptsächlich eine anord. Entlehnung, vgl.
Björkman, Scand. Loanwords 182; ne. burn
sw. v.); aisl. brenna, älter brinna (i > e unter
Einfluß des Kausativs), nisl. nnorw. brenna,
nschwed. brinna (ndän. brænde sw. v.); got.
brinnan.
Fick III (Germ.)⁴ 263; Seebold, a. a. O. 137 f.; Holt-
hausen, As. Wb. 10; Sehrt, Wb. z. Hel.² 63; Berr, Et.
Gl. to Hel. 66; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1,
223; Verdam, Mndl. handwb. 117; Franck, Et. wb. d.
ndl. taal.² 90; Suppl. 25; Vries, Ndls. et. wb. 84; Holt-
hausen, Afries. Wb.² 5; Helten, Lex. d. Aostfries. 25 f.;
Holthausen, Ae. et. Wb. 24; Bosworth-Toller, AS
Dict. 86. 140; Suppl. 92; ME Dict. A—B, 1142 ff.;
OED² II, 674; Oxf. Dict. of Engl. Et. 128; Vries, A-
nord. et. Wb.² 56. 57 (brimi); Jóhannesson, Isl. et.
Wb. 619; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awestnord. 25;
Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 111; Torp, Nynorsk
et. ordb. 39; Hellquist, Svensk et. ordb.³ 99; Feist, Vgl.
Wb. d. got. Spr. 106; Lehmann, Gothic Et. Dict. B-98.
Das Verb hat keine sichere Etymologie. Erstens
gibt es keine formal entsprechende idg. Wurzel
mit einer ähnlichen Bed., und zweitens sind die
Formen mit -nn- gegenüber -n- in ae. bryne
‚Feuer, Glut‘, aisl. bruni ‚Brand‘ einer Erklä-
rung bedürftig.
Meistens wird von einer Wz. *bher(ǝ)-
[**bher(H₁)-] ‚aufwallen, aufbrausen, sich hef-
tig bewegen‘ ausgegangen (in aind. bhuráti ‚be-
wegt sich, zuckt‘, Intens. jár-bhurīti ‚dss.‘, auch
‚flackert [vom Feuer]‘; lat. fermentum ‚Gärungs-
stoff, Sauerteig‘; ae. beorma, nhd. Bärme ‚Bier-
hefe‘ usw.; vgl. Walde-Pokorny II, 157 ff., Po-
korny 132 und → brâdam, brâtan); zur Bed. vgl.
einerseits aisl. brimi ‚Brandung, Meer‘, aber
auch ‚Feuer‘ (< *bhri-, mit anderer Erweiterung
zur selben idg. Wz. *bherǝ-, s. u.) und anderer-
seits nhd. branden, Brandung zu Brand (bran-
den = ‚sich wie Flammen bewegen‘ Kluge²¹ 95).
Semantisch wäre also nichts gegen diesen An-
schluß einzuwenden, aber die gewöhnliche Re-
konstruktion (z. B. bei Walde-Pokorny II, 168,
Pokorny 144 f.) *bhre-n-u- zur Basis *bhereu̯-
(vgl. lat. fervre ‚sieden, wallen‘; mir. berbaim
‚koche, siede‘) mit präs. Infix ist fraglich, denn
es ist nicht zu entscheiden, ob es im Idg. neben
den mit Nullstufe der Wz. und abstufendem
*-neu̯/nu- gebildeten Präsentien auch Präsen-
tien mit e-Vollstufe der Wz. und nullstufigem
*-nu- gab (Klingenschmitt, Altarm. Verbum
246; ähnlich Hirt, Idg. Gr. II § 168, nach den
Nasalpräsentien von Basen des Typus *exeu-
die Form *ex-n-(e)u- und nicht *exe-n-u- ha-
ben). Eine Grundform *bhre-nu̯- aus einer zwei-
silbigen Basis *bhere- mit -nu̯-Suffix abzuleiten,
wie Persson, Beitr. z. idg. Wortf. 784 es tut, ist
daher kaum besser.
Die in der ersten Aufl. von Brugmann, Grdr. II § 654
vorgeschlagene Rekonstruktion *bhr-enu̯o- wurde
schon in der zweiten Aufl. mit Recht aufgegeben.
Man könnte aber von einer anderen Erweite-
rung der Wz. *bher(ǝ)- ausgehen, und zwar von
*bh(e)ri̯- : *bhr- (Walde-Pokorny II, 158 f.,
Pokorny 133); vgl. mit m-Formans aisl. brim
‚Brandung, Meer‘, brimi ‚dss.‘, auch ‚Feuer‘
(s. o.), ae. brim ‚Meer‘ (das oft zitierte me. brim
‚Glut‘ scheint nicht zu existieren), wohl auch gr.
φριμάω, φριμάσσομαι ‚sich ausgelassen gebär-
den, vor Lebenslust schnauben (von Tieren)‘;
mit -u̯o- Formans wohl ahd. brîo ‚Brei‘ (‚Sud,
Gekochtes‘; s. d.), viell. auch mir. brēo ‚Flamme‘
(vgl. aber Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. B-85).
Die aus einem vorgerm. -nu-Präs. *bhri-nu-
entstandene urgerm. Form *rinnan- wurde
dann in die dritte Ablautreihe aufgenommen (so
Brugmann, Grdr.² II, 3 § 253; vgl. auch rinnan,
Seebold, a. a. O. 375 ff.).
Etwas weniger wahrscheinlich, aber nicht aus-
zuschließen wäre eine Entwicklung aus der ein-
fachen Wz. *bher(ǝ)- mit -nu-Präs.: *bhr̥̄-nu-,
wobei eine urg. Präs.form *runnan-, die wie
ein Aoristpräs. aussah, analogisch zu *rinnan-
umgeformt wurde. Die afries. Formen auf -u-
(s. o.) sind keine sehr zuverlässige Stütze für
diese These, da man nicht weiß, ob sie alt oder
erst sekundär in der fries. Sprache entstanden
sind. Jedenfalls sind die Substantive mit einfa-
chem -n- (ae. bryne, aisl. bruni) wohl auf *bhr̥̄-
ní- mit Metathese zurückzuführen (über Ver-
balabstrakta auf -ni- vgl. Kluge, Nom. Stamm-
bildung³ § 147; Wilmanns, Dt. Gr. II § 237;
Krahe-Meid, Germ. Sprachwiss. III § 98, 2.).
Sofern die Annahme einer germanischen Resonanten-
gemination durch Laryngal zu Recht besteht, wäre
weiterhin R. Lührs (Mü. Stud. z. Spr.wiss. 35 [1976],
78) Ansatz eines uridg. n-Infix-Präsens *bhri-n-ǝ-
[**bhri-n-H-], das in aind. bhrīṇánti ‚sie verletzen‘
(RV II 28, 7) eine Entsprechung hätte, zu erwägen.
Die Bedeutung ‚verletzen‘ der uridg. Wz. *bhrei̯ǝ-
[**bhrei̯H-] wäre dann germ. über ‚einen brennenden
Schmerz verursachen‘ zu ‚brennen‘ entwickelt. Ge-
wöhnlich geht die semantische Entwicklung aber um-
gekehrt: von der allg. Bed. (wie ‚brennen‘) zu einer
übertragenen Bed. (wie ‚einen brennenden Schmerz
verursachen, verletzen‘); vgl. z. B. norddt., mdt. umg.
die Senge ‚Prügel‘ zu sengen, oder ne. (amer., vulg.) to
burn ‚töten‘. Nach Lühr käme auch noch die Grund-
bedeutung ‚verletzen‘ dieser Wz. im Germ. vor, „wie
die gemeingerm. Bedeutung ‚Schwert‘, eigentlich ‚Ver-
letzer‘ (neben ‚Brand‘) des urgerm. Verbalsubstantivs
*ranđa- (mit Vereinfachung der Geminate vor Ok-
klusiv) zeigt“ (s. aber brand).
Abzulehnen ist E. Seebolds Rückführung auf die u. a.
in aind. (Dhātupāṭha) ghṇoti ‚leuchtet, brennt‘, gr.
θέρομαι ‚wärme mich‘, arm. ǰeṙnow- ‚sich wärmen‘,
aksl. grěti sę ‚sich wärmen‘, lit. garti ‚brennen‘, air.
fo-geir ‚erhitzt, entflammt‘ vorliegende Wz. uridg.
*gher- ‚brennen‘ (Germ. st. Verben 137 f.; Zfvgl.Spr.
81 [1967], 111 f.; Lautgeschichte und Etymologie
[Wiesbaden 1980], 478 f.; Kluge²² a. a. O.), da für den
angenommenen Lautwandel von uridg. *gh- zu ur-
germ. *- keine Evidenz besteht (→ bitten). Auch er-
klärt sich das vorurarm. Aktiv *gher-nu- ‚wärmen‘ als
innerarm. Bildung und kann so nicht als Parallele für
eine vorurgerm. Bildung *ghre-nu̯- fungieren (vgl.
Klingenschmitt, Altarm. Verbum 248).
W. H. Snyder, Zfvgl.Spr. 85 (1971), 74 f. deutet germ.
*rinnan- als Intensivum mit s-erweitertem Stamm,
germ. *rims-, zu einer germ. Wz. *rim- ‚brennen,
Feuer‘, die er nicht nur in aisl. brimi (s. o.), sondern
auch in nnorw. mdartl. brīsa ‚aufflackern, glänzen
usw.‘ (< *brimsan) findet (s. aber Vries, Anord. et.
Wb.² 57, s. v. brísingr); sehr unwahrscheinlich. Ganz
abwegig — wie zumeist — J. Trier, Holz 87. 123: zu
*bher- ‚schneiden, spalten; (→ berien) und *bher(ǝg̑)-
‚glänzen‘ (→ beraht) und mit der Brandwirtschaft im
Niederwald zu verbinden.
Nicht unmittelbar zu vergleichen ist der air. Verbal-
stamm brenn-, bruinn- ‚hervorquellen, sprudeln‘,
wenn er auf *bhrend(h)- zurückgeht, wie Pokorny
167 f., Pedersen, Vgl. Gr. d. kelt. Spr. II § 671 und
Vendryes, a. a. O. B-103 f. behaupten. Nach Pedersen
und Vendryes ist *bhrend(h)- auch eine Erweiterung
der Wz. *bherǝ- ‚aufwallen usw.‘; anders Pokorny.
Walde-Hofmann, Lat. et. Wb. I, 333 f. (dēfrutum).
482 f. (fermentum). 487 (fervō); A. Meillet, Streitberg-
Festgabe (1924) 261; Frisk, Gr. et. Wb. II, 1043 (φρι-
μάσσομαι); Chantraine, Dict. ét. gr. 1228.
S. auch brennen.