brsamaAWB f. ō- (n-)St. ‚Brosame, Brocken,
Krume, Krümel, mica, fragmentum, crustula‘
〈Var.: pr-; auch je einmal bru-, bra-; -sem-,
-sim-, -som-, -sm-; in späten Gl. -sme, -sm: ob
den Formen auf -e oder ohne Endvokal ein
sw.mask. zugrundeliegt, ist nicht zu entschei-
den, s. Schatz, Ahd. Gr. § 333; Ahd. Wb. I,
1419; zum unfesten Mittelvokal -a- vgl.
Braune, Ahd. Gr.¹⁴ § 69 Anm. 3〉. — Mhd. br-
sem(e), brsm(e) st. sw. f. ‚Brosame, Brocken,
Krume‘. — Frühnhd. brosen m.; nhd. mit unter
Nebenton und in Anlehnung an Sāme (< ahd.
sâmo, s. d.) gedehntem -a-: Brṓsame f., fast nur
im Pl. gebraucht, seit dem 18. Jh. auch Brosa-
m(e) m., s. Paul, Dt. Gr. II, 2, 107. 109.
Ahd. Wb. I, 1419 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 1212; Schütz-
eichel⁴ 81; Starck-Wells 79; Graff III, 315; Schade 85;
Lexer I, 359; Benecke I, 262 f.; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 360 (mīca); Götze, Frühnhd. Gl.⁶ 41; Dt. Wb.
II, 398; Kluge²¹ 102; Kluge²² 109; Pfeifer, Et. Wb.
218.
Das ahd. Wort ist weitgehend auf den dt.
Sprachraum beschränkt: as. brosma f. (s. Wad-
stein, Kl. as. Spr.denkm. 79, 26 = Gl. 2, 739, 31),
brosmo sw. m. (brosmono gen.pl. Heliand 3021),
mndd. brōs(e)me, brōsseme; dazu kommen Bele-
ge aus dem Mndl. wie brōsem(e) f., brosme f.
Holthausen, As. Wb. 10; Sehrt, Wb. z. Hel.² 64; Berr,
Et. Gl. to Hel. 67; Lasch-Borchling, Mndd. Handwb.
I, 1, 353; Schiller-Lübben, Mndd. Wb. I, 432; Ver-
dam, Mndl. handwb. 119; Franck, Et. wb. d. ndl. taal²
95; Vries, Ndls. et. wb. 90 f. (broos).
Ahd. brsama ist eine Ableitung mit dem Suffix
*-s-men oder *-s-mo, einem Konglutinat aus
*-men/*-mo und einem vorausgehenden Sibi-
lanten, der ursprl. einem s-Stamm zugehörte,
vgl. Kluge, Nom. Stammbildung³ § 88 und
152 ff.; Wilmanns, Dt. Gr. II § 233, 2; Krahe-
Meid, Germ. Sprachwiss. III § 108.
Schwieriger ist die Analyse der Stammsilbe. Da
die Bedeutung mit ‚Bruchstück, abgebrochenes
Teil(chen)‘ zu tun hat, lag es nahe, in bro-, des-
sen Vokal man meist als kurz annahm, ein
ursprl. *broh-/ bruh-, die Schwundstufe zu ahd.
brechan, zu vermuten, so besonders Grimm in
Dt. Wb. II, 398, obwohl die sprachlichen Gege-
benheiten keinen Anhalt dazu boten.
Wahrscheinlicher war die Annahme eines -t-
Ausfalls, der wenigstens in einem Wort wie ahd.
rosamo ‚Röte‘ aus *rotsamo (< *rudh-) neben
dem gleichbedeutenden ahd. rotamo eine Paral-
lele aufzuweisen hatte. Das führte auf eine germ.
Grundform *rut-smō (so schon Fick III
[Germ.]⁴ 281 f.), in deren Stammsilbe man die
Schwundstufe einer germ. Basis *reutan, ae.
brēotan ‚brechen‘, aisl. brjóta ‚dss.‘, erblickte
(→ bruzzî), so Kluge und Wilmanns, a. a. O.
Gleichwohl schien von vornherein bedenklich,
daß sich einerseits nirgends eine Spur des ver-
muteten ursprl. Dentals oder gar Gutturals
zeigte, während andererseits eine mit s erwei-
terte Basis idg. *bhreu̯-s-: *bhrou̯-s-: *bhru-s-
mit der Bedeutung ‚zerbrechen, zerschlagen,
zerkrümeln‘ gerade in sehr vielen nominalen
Wortbildungen vertreten war, nicht nur im Lat.,
Kelt. und Alb., sondern auch im ags. Zweig des
Germ. So wurde das dem ahd. brsama seman-
tisch so nahestehende lat. frustum ‚Brocken,
Stückchen, Bissen‘ schon von Persson, Stud. z.
Wurzelerw. 163 Fn. 7; ders., Beitr. z. idg. Wortf.
783, auf eine idg. Grundform *bhrus-to- zu-
rückgeführt, d. h. auf die Schwundstufe der idg.
Basis *bhreu̯-s-, erweitert durch das meist zur
Part.bildung gebrauchte idg. to-Suffix. Zur we-
niger wahrscheinlichen Herleitung von lat. fru-
stum aus idg. *dhreu̯s- s. Walde-Hofmann,
a. a. O.; Ernout-Meillet, a. a. O.; E. P. Hamp,
TPS 1974, 142. Aus dem Kelt. gehören hierher
Bildungen wie air. brosnae ‚kleines, trockenes
Holz, Reisig‘ (s. C. Marstrander, Observations
sur les présents i.-e. à nasale infixée en celtique
[= Videnskab-Skrifter II, Nr. 4 (Kristiania,
1924)], 26 ff.), mir. brus ‚gebrochenes Stroh,
Häcksel, Bruchstück(e)‘ (s. J. Loth, Rev. celt. 42
[1925], 74 ff.), mkymr. breu, nkymr. brau,
mkorn. brew ‚gebrochen‘ (< *bhrou̯so-), abret.
brusun ‚Krümchen‘ u. ä. Dazu kommt noch aus
dem Alb. die Bildung breshën, -ër ‚Hagel‘, eigtl.
‚Körnchen, mīca‘, ein Wort, dessen stammhaf-
tes -e- einem idg. -eu̯- entspricht (so G. Meyer,
Alb. Studien III, 35. 61. 72. 90; anders, aber
schwach begründet, O. Wiedemann, BB 27
[1902], 244).
Innerhalb des Germ. findet sich die dem Ahd.
am nächsten stehende ae. Bildung brȳsan (<
*rausjan-) ‚zerbrechen‘, trans. ‚zerschlagen‘,
sowie das intr. brosnian ‚zerfallen, vergehen,
verderben‘, zwei Verben, die auf eine idg. Basis
mit Vollstufe *bhrou̯s- bzw. mit Schwundstufe
*bhrus- zurückgehen. Nichts spricht dagegen,
ahd. brs(a)ma als eine mit dem Suffix -men/
-mo, möglicherweise auch -smen/ -smo von der
Basis *bhrou̯s-/*bhrus- (ahd. brōs-/ bros-) gebil-
dete Ableitung zu analysieren (vgl. *bhrou̯s-men
Kluge²¹ 102; *bhrou̯s-smen Walde-Hofmann,
Lat. et. Wb. I, 553); vielleicht erklärt sich aus
der durch Ablaut begründeten Konkurrenz von
ahd. brōs-/ bros- die hartnäckige Unsicherheit,
was die ursprl. Quantität der Stammsilbe anbe-
langt. Das alles schließt aber die zusätzlichen
Möglichkeiten einer Herleitung von idg.
*bhrou̯d- oder *bhrou̯t- nicht aus. Auf jeden Fall
bleibt die Konsonantengruppe -sm-, die in
schwachbetonter Stellung zu -zm- und weiter zu
-mm- assimiliert wird, im Germ. sonst erhalten,
vgl. E. C. Polomé, Rev. belge 45 (1968), 816.
Walde-Pokorny II, 198 f.; Pokorny 171; Walde-Hof-
mann, Lat. et. Wb. I, 553 f. (frustum); Ernout-Meillet,
Dict. ét. lat. 257; Fick II (Kelt.)⁴ 185. 187; Hessens Ir.
Lex. I, 112. 115; Vendryes, Lex. ét. de l’irl. anc. B-97;
Dict. of Irish B-203. 208 f. 214; Dict. of Welsh 311;
Meyer, Et. Wb. d. alb. Spr. 47. — Holthausen, Ae. et.
Wb. 36 (brosnian). 37 (brȳsan); Bosworth-Toller, AS
Dict. 127 (brosnian); Suppl. 107. 109. 131 (brȳsan);
ME Dict. A—B, 1180 (brsen). 1197 (brostnian);
OED² II, 596 f.
Was die Quantität des Stammvokals anbelangt,
so deutet die Aussprache der heutigen Mdaa.
vorwiegend auf langes -ō-, so Schweiz. Id. V,
802 ff.; Fischer, Schwäb. Wb. I, 1436 f.; Kranz-
mayer, Wb. d. bair. Mdaa. in Österr. III, 1049 ff.
Die Endung schwankt zwischen -em(e), -me so-
wie -en oder fällt ganz weg.