brouchenAWB sw. v. I, Gl., Williram 〈nur part.
prät. ka-, ki-, gi-; -prauhhit, -ᵱuchit, -broih-
ta, -te; die Ahd. Wb. I, 1427 angeführte Form
gebreyde aus dem Leidener Williram gehört
nicht hierher, sondern zum mndl. Verb brei-
den, breyden ‚weben, flechten‘; → brettan und
vgl. W. Sanders, Der Leidener Williram (Mün-
chen, 1974), 160.〉; gibrouchenAWB sw. v. I, Not-
ker, W.Ps., Williram; brouchônAWB sw. v. II, Be-
ned.regel 〈part. prät. nom. sg.m. keprauhoter〉;
gibrouchônAWB sw. v. II, Notker, W.Ps. 〈3. sg. präs.
gebrouchot〉 und einmal Thoma, Ahd. Gl. z.
A. Test. 20, 30: ‚beugen, niederbeugen, nieder-
legen, herabsetzen, redigere, confringere‘ ([zi
niowihti] gibrouchit, -ôt ‚ad nihilum redactus,
zunichte geworden‘); Williram auch ‚biegen,
krümmen‘. — Mhd. brouchen ‚biegen, formen,
bilden‘, gebrouchen ‚biegen, beugen‘. — Nhd.
mdartl. bair. (veraltet) brauchen ‚neigen, beu-
gen‘, Abbrauchen ‚das Biegen (der Faßdau-
ben)‘, Brauchreif ‚der mittlere Reifen eines
Salzfasses‘.
Ahd. Wb. I, 1426 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 109; Schütz-
eichel⁴ 81; Starck-Wells 80; Graff III, 280 f.; Schade
86; Raven, Schw. Verben d. Ahd. I, 19; II, 23; Lexer I,
361. 761; Benecke I, 265; Schmeller, Bayer. Wb.² I,
338.
Das Wort hat nur höchst unsichere Verwandte
in anderen germ. Dialekten. W.L. van Helten,
PBB 22 (1897), 450 Fn. 1 vergleicht mndl. broe-
ken (broken) ‚beugen‘, das aber auch ‚brechen,
fällen (Bäume)‘ bedeutet (vgl. Verdam, Mndl.
handwb. 118) und von Verwijs-Verdam, Mndl.
wb. I, 145 f. zu broke ‚Bruch‘ gestellt wird (→
brochôn). Viell. sind in diesem Wort zwei Ver-
ben zusammengefallen.
Auch das as. part. prät. gibruocan (nur Heliand
5592, Cott.) könnte zu einem red. v. *brōkan ge-
hören (vgl. Seebold, Germ. st. Verben 144 f.;
J. Schatz, Sievers-Festschrift [1925] 369; Wiß-
mann, Nomina Postverb. 35 f.; zum gelegentli-
chen Gebrauch von uo für ō (< *au) in der
Cott. Hs. s. Gallée, As. Gr. § 98), aber die Be-
deutung des Verbs ist nicht klar.
Die Stelle lautet: stês thi hier an galgen haft/ gibruocan
an bôme (es spricht einer der mit Jesus gekreuzigten
Räuber zum anderen). Die bei Sehrt, Wb. z. Hel.² 64
u. a. mit Fragezeichen angegebene Bed. ‚gezimmert an
den Baum‘, wobei gibruocan epische Variation zu haft
darstellen soll, ist unwahrscheinlich. Wenn das Verb
tatsächlich mit ahd. brouchen, -ôn verwandt ist, wäre
die Deutung ‚gekrümmt, niedergebeugt‘ wohl vorzu-
ziehen (vgl. A.F.C. Vilmar, Dt. Altertümer im Hel.²
[Marburg, 1862], 50). Die Möglichkeit ist aber nicht
ganz auszuschließen, daß es sich einfach um einen
Schreibfehler für *gibrokan handelt: ‚(in der Lebens-
kraft) gebrochen‘ (zu den verschiedenen Deutungsver-
suchen vgl. E. Lagenpusch, Das germ. Recht im Hel.
[Unters. z. dt. Staats- u. Rechtsgesch. 46, 1864], 71).
Außergerm. Vergleiche sind noch zweifelhafter:
nur lit. brũžyti ‚scheuern, schrubben, durch Rei-
ben geschmeidig machen‘ (nach F. A. Wood,
Mod. Phil. 11 [1914], 330 auch ‚niederdrük-
ken‘?), brūžúoti ‚dss.‘ kämen viell. in Frage,
wenn man eine idg. Wz. *bhreu̯-g̑- mit einer
Grundbed. etwa ‚Druck anwenden (beim Rei-
ben, Biegen, Niederbeugen usw.)‘ ansetzte. Vgl.
mit -k-Erweiterung lit. braũkti ‚wischen, strei-
chen‘ (Pokorny 170); beides viell. Erweiterun-
gen von der Wz. *bhru̯- ‚brechen, zerschlagen,
abschaben usw.‘ (‚Druck anwenden?‘); vgl. Po-
korny 169 und → brôdi, bruzzî.
Fraenkel, Lit. et. Wb. 56; Kurschat, Lit.-dt. Wb. I,
345 (s. v. brūžinti).