brugga, brucka
Volume II, Column 370
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brugga, brucka f. jō- (und jōn-)St., Gl.,
Gegen Fallsucht (Steinmeyer, Spr.Denkm.
380): Brücke, pons Var.: pr-; -cc-, -c(c)h-,
-cg-, -gc-, -gk-, -k-. Mhd. brücke, brucke,
brügge st. sw. f.; nhd. Brücke.

Ahd. Wb. I, 1428 f.; Splett, Ahd. Wb. I, 109; Starck-
Wells 80. 796; Graff III, 281; Schade 86; Lexer I, 363;
Nachtr. 106; Benecke I, 266; Diefenbach, Gl. lat.-
germ. 447; Dt. Wb. II, 414 ff.; Trübners Dt. Wb. I,
441 f.; Weigand, Dt. Wb.⁵ I, 293 f.; Kluge²¹ 103; Klu-
ge²² 108; Pfeifer, Et. Wb. 219 f.

Entsprechungen des ahd. Wortes kommen in
fast allen germ. Dialekten vor (die erhaltenen
Teile der got. Bibel bieten keine Veranlassung
zum Gebrauch des Wortes): as. bruggia f. jōn-
St., nur in Gl.: bruggivn, -gkivn gen.sg. und in
ON wie Hēmbruggion a. 1022 (vgl. Wadstein,
Kl. as. Spr.denkm. 104, 11. 14, 175; Gallée, As.
Gr.² § 252), mndd. brügge, brücge usw.; mndl.
brugg(h)e, nndl. brug; afries. bregge, brigge,
nostfries. brügge, brüg, nwestfries. brēge, breg-
ge; ae. brycg, me. brigge, ne. bridge; aisl. bryggja
Landungsplatz, Hafendamm (selten Brücke),
nnorw. brygg(j)e, ndän. brygge, nschwed. brygga
dss.. Daneben kommen Formen ohne Guttura-
le vor: aisl. brú Brücke, nnorw. bru, ndän.
nschwed. bro.

Fick III (Germ.)⁴ 281; Holthausen, As. Wb. 10;
Lasch-Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 356; Schil-
ler-Lübben, Mndd. Wb. I, 435; Verdam, Mndl.
handwb. 119; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 96; Vries,
Ndls. et. wb. 91; Holthausen, Afries. Wb.² 12;
Richthofen, Afries. Wb. 666 f.; Doornkaat Koolman,
Wb. d. ostfries. Spr. I, 237 f.; Dijkstra, Friesch Wb. I,
230; Holthausen, Ae. et. Wb. 37; Bosworth-Toller,
AS Dict. 130; Suppl. 108; Suppl. II, 12; ME Dict.
A-B, 1167 f.; OED² II, 542; Oxf. Dict. of Engl. Et.
117; Vries, Anord et. Wb.² 59. 61 f.; Jóhannesson,
Isl. et. Wb. 641; Holthausen, Vgl. Wb. d. Awest-
nord. 26. 27; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 103.
109; Torp, Nynorsk et. ordb. 44. 46; Haugen,
Norw.-Engl. Dict. 88. 89; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 99 f. 104.

Da die alten Germanen nicht fähig waren, grö-
ßere Flüsse zu überbrücken und diese mittels
Fähren und Furten überschritten, waren ihre
Brücken entweder einfache Stämme oder Bal-
ken über kleine Bäche oder Knüppeldämme
über sumpfige oder morastige Stellen (vgl.
Hoops Reallex. I, 332 ff.; III², 355 ff.; R. Merin-
ger, WuS I [1909], 187 ff.). Die ursprl. Bed. des
germ. Wortes war also wohl ein mit Holzstäm-
men oder Knüppeln belegter Weg oder Boden
.
So wird das gleiche Wort (westgerm. *brugg-
jō[n]) wie auch das nahe verwandte Wort mhd.
brüge, schweiz. brügi (< *brugī) spätmhd. und
in den nhd. Mdaa. gebraucht, um verschiedene
Holzgerüste, wie Heubühne, erhöhten Stand
des Viehs im Stall, Lagerstatt von Brettern am
Ofen usw. zu bezeichnen (s. u. und vgl. Lexer,
a. a. O.). Verwandt ist auch, mit l-Suffix, mhd.
brügel, nhd. Prügel (vgl. Prügelweg), gibrugi-
lôn
.

Eine spätere Entwicklung von Prügelweg zu
gepflasterte Straße zeigen sowohl ae. brycgian
eine Straße mit Bohlen oder Steinen belegen,
mndd. brüggen mit Steinen pflastern, brüggelse
Steinpflasterung, nndd. stēnbrügg(e) Steinpfla-
ster
, wie auch die aus dem Dt. entlehnten poln.
Wörter bruk (apoln. bruk, brug) Pflaster, bru-
kova pflastern (aus dem Poln. lit. brùkas
Pflasterung, Steinpflaster).

Bosworth-Toller, Suppl. 108; Lasch-Borchling, a. a. O.
I, 1, 356 f.; Mensing, Schleswig-holst. Wb. IV,
820; Sadnik-Aitzetmüller, Vgl. Wb. d. slav. Spr. Nr.
338.

Unklar ist das Verhältnis von germ. *ru-jō(n)
zu aisl. brú, das man auf germ. *rōwō (doch
s. u.) zurückzuführen pflegt. Zugrunde liegt
wohl in beiden Fällen vorgerm. *bhr- :
*bhr- : *bhr, aber ob *ru-jō-(n) <
*bhru-ā entstanden ist (Weiteres unten), in-
dem * > * wurde, wie in ahd. jugund (s. d.),
oder als vorgerm. *bhru-k-ā mit k-Suffix zu
deuten ist, bleibt umstritten. Gegen die erste
Deutung spricht nur die Tatsache, daß die weni-
gen sicheren Beispiele eines Wechsels *(*w) >
* sonst vor ursprl. silbischen Liquiden und Na-
salen vorkommen, wo die Dissimilation durch
das folgende u gefördert wird (z. B. *uun- >
*-uun-). Vgl. E. Seebold, IF 87 (1982), 188 ff.
193; L. Hammerich, PBB 77 (Tübingen, 1955),
183; Specht, Ursprung d. idg. Dekl. 211; S. Bug-
ge, PBB 13 (1888), 505.

Außergerm. am nächsten verwandt ist gall. brī-
va Brücke, nur in ON (< *bhrēā). Ver-
wandt sind wohl auch (trotz Vasmer, Russ. et.
Wb. I, 119) aksl. brъrvъno Balken, ksl.
brъvь, brьvь dss., serbo-kroat. bvno Bal-
ken, Stegbrücke
, bv, bvino Stegbrücke,
sloven. bv dss., bvno Balken, Bohle, aruss.
bьrьvьno, nruss. brevnó Balken, ukr. berve-
nó, tschech. bevno, poln. bierwiono, bier-
zwiono dss.. Der urslav. Ansatz macht
Schwierigkeiten (s. bes. Sadnik-Aitzetmüller,
Vgl. Wb. d. slav. Spr. Nr. 345. 345 a), denn
lautgesetzlich ist keine Vorform *brъvьno (<
*bhru-) möglich, sondern nur *bьrvьno bzw.
*bьrьvьno (< *bh-). Sind dies die tatsächli-
chen Vorformen (doch s. u.), wird man neben
idg. *bhr--, *bhr--, *bhr-- auch bh--
ansetzen müssen.

Sofern aber die slav. Formen eine sehr frühe
Umgestaltung von *brъvьno sind, ist es mög-
lich, wie im Falle der z. B. aus dem Gen. Sg.
*krъve gewonnenen Form aksl. krъvь f. Blut
neben apoln. kry usw. < urslav. *kry < *krūs
auf eine ursprl. Wurzelform *brū- zu schließen,
die ohne Weiteres auch in aisl. brú (pl. brúar,
selten brúr, Noreen, Aisl. Gr.⁴ § 375 Anm. 2)
vorliegen kann; zur Flexion von aisl. brú vgl.
aisl. trú Glaube (ae. trūwa; ablautend got.
triggwa, ahd. triuwa, s. d.). Enthält aisl. brú ein
altes *u und geht so auf ein bruwō zurück (vgl.
die Herleitung von aisl. trú aus *truwō bei
Vries, Anord. et. Wb.² 599), verdient die Rück-
führung von ahd. brugga usw. auf *bhru-ā den
Vorzug. Ob in diesen Formen eine Erweiterung
der Wz. *bher- tragen ( beran) steckt
([**bhr-eH₁-] mit **H₁ wegen der Vorform
von gall. *brīva) der Balken ist der Träger?
, muß offenbleiben.

Dagegen ist die früher oft versuchte Verknüpfung mit
idg. *bhrū- Augenbraue wohl abzulehnen (trotz
E. Hamp, Mü. Stud. z. Spr.wiss. 40 [1981], 55 f.): die
altgerm. Brücken waren nicht gewölbt, und R. Merin-
gers (a. a. O.) Vergleich der Stangen des Prügelwegs mit
den Haaren der Augenbrauen überzeugt keineswegs.

Walde-Pokorny II, 207; Pokorny 173; Fick II (Kelt.)⁴
184; Holder, Acelt. Spr. 610 f.; Sadnik-Aitzetmüller,
Handwb. z. d. aksl. Texten 14. 218; Berneker, Slav. et.
Wb. I, 92.

Zum mdartl. Gebrauch des Wortes, um allerlei
hölzerne Teile des Bauernhauses und der
Scheune zu bezeichnen (s. o.), vgl. Schweiz. Id.
V, 523 ff. (brügi). 537 ff. (brugg); Martin-Lien-
hart, Wb. d. els. Mdaa. II, 187; Ochs, Bad. Wb.
I, 340; Fischer, Schwäb. Wb. I, 1459 f.; Jutz,
Vorarlberg. Wb. I, 463 f.; Schmeller, Bayer.
Wb.² I, 347; Kranzmayer, Wb. d. bair. Mdaa.
in Österr. III, 1135 ff.

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