brunno, prunno m. n-St.: ‚Brunnen, Quelle,
(fließendes) Wasser, fons, latex‘ 〈Var.: -un-
zweimal, -urnn- einmal〉. — Mhd. brunne
sw. m. (selten brun st.m.), bes. md. auch burne
sw. m., burn, born st.m.; nhd. Brunnen, dich-
terisch und mdartl. (mdt., nddt.) Born.
Zur Metathese des -r-, die im Nddt. ihren Ursprung
hat, vgl. Paul, Mhd. Gr.²³ § 122 und s. unten. Zum
Eindringen des -n aus den obliquen Kasus in den
Nom. nhd. Brunnen vgl. Paul, a. a. O. § 130; Wil-
manns, Dt. Gr. III § 184, 5 und → balko, bogo.
Spätmhd. und frühnhd. traten neben die ursprl.
schwachen Formen auch starke; Luther hat noch über-
wiegend die st. Formen der Brunn, des Brunns; vgl.
Trübners Dt. Wb. I, 446 f.
Ahd. Wb. I, 1440 ff.; Splett, Ahd. Wb. I, 111; Schütz-
eichel⁴ 82; Starck-Wells 80 f.; Graff III, 310; Schade
87; Lexer I, 366. 397; Nachtr. 107. 115; Benecke I,
268 f.; Diefenbach, Gl. lat.-germ. 242 (fons). 320 (la-
tex); Dt. Wb. II, 243 f. 431 f. 433 ff.; Weigand, Dt.
Wb.⁵ I, 269. 295 f.; Kluge²¹ 105; Kluge²² 109; Pfeifer,
Et. Wb. 222.
Das Wort hat Entsprechungen in fast allen
germ. Dialekten, im Westgerm. oft mit Meta-
these: as. brunno m. (Hel.; die von Holthausen,
As. Wb. 11, angesetzte Form burno [kl.
Denkm.] ist sonst nirgends zu finden), mndd.
born(e) m.n.; mndl. born(e) m. (auch f.n.), nndl.
bron (im 16. Jh. unter dem Einfluß von dt.
Brunn[en] aufgekommen); afries. burna; ae.
burn(e) f., burna m., -brunna in ON (vgl.
Campbell, OE Gr. § 459, 1), me. bourn(e),
burn(e), ne. (mdartl.) burn, bourn(e); aisl.
brunnr m., nisl. brunnur, nnorw. brunn, brynn,
nschwed. brunn, ndän. brond; got., krimgot.
brunna m.
Fick III (Germ.)⁴ 264; Holthausen, As. Wb. 10; Sehrt,
Wb. z. Hel.² 65; Berr, Et. Gl. to Hel. 68 f.; Lasch-
Borchling, Mndd. Handwb. I, 1, 326; Schiller-Lüb-
ben, Mndd. Wb. I, 397 f.; Verdam, Mndl. handwb.
111; Franck, Et. wb. d. ndl. taal² 94 f.; Vries, Ndls. et.
wb. 90; Holthausen, Afries. Wb.² 13; Richthofen,
Afries. Wb. 676; Holthausen, Ae. et. Wb. 39; Bos-
worth-Toller, AS Dict. 136; Suppl. 112; Suppl. II, 13;
OED² II, 448. 673 f.; Vries, Anord. et. Wb.² 61; Jó-
hannesson, Isl. et. Wb. 620; Holthausen, Vgl. Wb. d.
Awestnord. 27; Falk-Torp, Norw.-dän. et. Wb. 112;
Torp, Nynorsk et. ordb. 45; Hellquist, Svensk et.
ordb.³ 103; Feist, Vgl. Wb. d. got. Spr. 108; Lehmann,
Gothic Et. Dict. B-105; Stearns, Crimean Gothic 132 f.
— Vgl. auch Seebold, Germ. st. Verben. 144; Hoops
Reallex.² IV, 1 ff.
Fürs Urgerm. ist wohl ein n-Stamm mit ablau-
tender Stammsilbe anzusetzen (etwa *run-ō[n]
: *run-en- : *run-n-), in dem die schwache
Stammform in die anderen Kasus analogisch
überführt wurde (also *runnō[n], *runnen
usw.); vgl. Brugmann, Grdr.² II, 1 § 215, S. 303.
Zugrunde liegt ein idg. r/ n-Stamm *bhru̯-/-
(-r/ n-) zur Basis *bh(e)reu̯- ([**bhreH₁u̯-] mit
**H₁ wegen frühgr. *φρῆϝαρ, s. u.) ‚sich heftig
bewegen, wallen‘; die ursprl. Bed. muß also etwa
‚Hervorsprudelndes‘ gewesen sein. Im Griech.
begegnet noch die alte r/ n-Alternation in
φρέᾱρ, gen. φρέᾱτος (aus frühgr. *φρῆϝαρ,
*φρήϝατος, idg. *bhrēu̯-, *bhrēu̯--) ‚Brunnen‘
(nur im Gr. fehlt die Bed. ‚Quelle, fließendes
Wasser‘); im Armen. ist der r-Stamm durchge-
führt: ałbiwr, gen. ałber ‚Quelle, Brunnen‘ (zum
Lautlichen: *bhr- > *rb- > *arb- > *ałb- vgl.
Solta, Die Stellung des Armen. 280 f.; Meillet,
Esquisse d’une gr. comp. de l’arm.² 46; Klingen-
schmitt, Altarm. Verbum 239 Anm. 11); im
Germ. dagegen der n-St. *bhrun-. Vgl. Benve-
niste, Origines 20; J. Schindler, BSLP 70
(1975), 8.
Zur Wz. *bhru̯-/*bhrū- (ohne r/ n-Suffix) ge-
hören wohl russ. brujá ‚Strömung‘, bruít’ ‚stark,
reißend strömen, dahinfließen‘, weißruss. bruj
‚wer den Harn nicht halten kann‘, brújić ‚har-
nen‘ usw. (vgl. mhd. brunnen ‚hervorquellen‘,
auch ‚harnen‘; mhd. nhd. umgangsspr. [bes.
oberdt.] brunzen ‚harnen‘) — trotz Sadnik-Ait-
zetmüller, Vgl. Wb. d. slav. Spr. Nr. 167, die
diese Wörter zu ae. brȳsan ‚(zer)brechen‘, also
zur idg. Wz. *bhreu̯(ǝ)- ‚(zer)brechen‘ stellen (=
‚hervorbrechen‘?); semantisch weniger befriedi-
gend. Dagegen gehört lit. br(i)áutis ‚gewaltsam
vordringen‘ wahrscheinlich nicht hierher, son-
dern mit lit. braũkti ‚streichen, streifen‘ zu idg.
*bhreu̯(ǝ)- ‚(zer)brechen‘ (nach Pokorny 169
auch ‚mit scharfem Werkzeug schneiden, ab-
schaben‘); vgl. Fraenkel, Lit. et. Wb. 54 f.
Idg. *bhrēu̯- [**bhreH₁u̯-] (neben *bhreu̯[ǝ]- :
*bhrou̯[ǝ]- : *bhr- [**bhreu̯(H₁)-] ‚wallen,
aufbrausen, sieden, kochen‘: auch in lat. fervre
‚sieden, wallen‘, kymr. berwi ‚dss.‘, mir. ber-
baim ‚koche, siede‘ und wohl in aind. bhurváṇi-
‚unruhig, wild‘ zum Verb bhuráti ‚bewegt sich
rasch‘, vgl. Mayrhofer, K. et. Wb. d. Aind. II,
509 f.; ders., Et. Wb. d. Altindoar. II, 250 f.; vgl.
Pokorny 143 f. und → brod, brôt), ist eine Er-
weiterung der einfachen idg. Wz. *bher(ǝ)-
[**bher(H₁)-] ‚aufwallen, sich heftig bewegen‘
(→ brinnan, brîo, brod, brôt).
Verwandt ist auch mir. tipra ‚Quelle‘, obgleich
die genaue Bildung umstritten ist (nach Vendry-
es, Lex. ét. de l’irl. anc. T-74 aus *to-ess-bher-,
nicht *-bhrēu̯- wie z. B. Pokorny 144).
Walde-Pokorny II, 168; Pokorny 143 f.; Boisacq,
Dict. ét. gr.⁴ 1037; Frisk, Gr. et. Wb. II, 1040 f.; Chan-
traine, Dict. ét. gr. 1226 f.; Hübschmann, Arm. Gr.
415; Berneker, Slav. et. Wb. I, 88 f.; Vasmer, Russ. et.
Wb. I, 129.